ehebruch = kindesmissbrauch – denn :scheidungen schänden kinderseelen

Die oben genannte These ist eine von vielen Antworten auf Welt.de
Dort erschien heute ein Artikel, den ich hier rüberkopieren möchte:

So erleben Kinder die Trennung ihrer Eltern
Von Lavinia Kleßmann

Sonntagmorgen bis Mittwochmorgen bei Papa, Mittwochnachmittag bis Samstagabend bei Mama. Wenn Eltern sich trennen, sieht manchmal so die Lösung der gemeinsamen Erziehung aus. Ein Trennungskind erzählt, wie es anfangs sehr gut mit dieser Regelung leben konnte. Später kamen die Probleme.

Ein Leben zwischen Papa und Mama

Lachend springe ich vom Hochbett auf den Schrank. Meine Schulfreundin Mia folgt mir und umarmt mich. „Nein, Lavinia soll noch nicht nach Hause!“ Ich stimme mit ein: „Nein, ich bleibe hier“! Vorsichtig gucken wir auf meine Mutter und Mias Eltern hinab. Nach langen Verhandlungen lasse ich mich überreden, nach Hause zu gehen.

„Ich kann verstehen, dass du noch bleiben wolltest; bei denen ist es auch immer zu nett. Eine tolle Familie“, sagt meine Mutter im Treppenhaus. Ich nicke und werde ein wenig neidisch, wenn ich daran denke, wie gut Mia es hat. Denn Mia lebt mit ihrer Familie, das sind Vater, Mutter und Schwester, zusammen in einer riesigen Wohnung.

Damals war ich sieben Jahre alt, und meine Familie hatte mit der Bilderbuchfamilie von Mia nichts gemeinsam. Familie, das hieß für mich: Sonntagmorgen bis Mittwochmorgen Papa und Mittwochnachmittag bis Samstagabend Mama. Meine Eltern hatten sich kurz nach meiner Geburt getrennt. Ein paar Monate lang gab es keinen Kontakt zu meinem Vater. Als ich ein Jahr alt war, kümmerte er sich nach und nach wieder um mich, sodass sich meine Eltern bald die Erziehung teilten.

Jeder dritte Tag ein Umzug

Die ersten sieben Jahre war ich wochenweise bei Vater oder Mutter, je nachdem, wer Zeit für mich hatte. Mit sieben Jahren aber sagte ich zu meinen Eltern: „Ich weiß gar nicht, wo ich morgen wohne!“ Daraufhin führten sie die „Halbe-Woche-Lösung“ mit festen Tagen ein. Jetzt zog ich alle drei Tage um. Meine Eltern hatten jeweils ein eigenes Zimmer für mich eingerichtet. Alle drei Tage mussten nur die momentan wichtigen Dinge von meiner Mutter in Schöneberg zu meinem Vater in Charlottenburg mit umziehen: das gerade gelesene Buch, ein paar Kassetten, einige Kleidungsstücke. Je älter ich wurde, desto mehr musste ich selbst darauf achten, die Sachen einzupacken, die ich mitnehmen wollte. Immer hatte ich Angst, etwas zu vergessen.

Das ständige Hin und Her machte mir zunächst nichts aus. Automatisch passte ich mich den unterschiedlichen Lebensweisen und Regeln meiner Eltern an. Wenn ich bei meinem Vater mit dem Essen fertig war, stellte ich den Teller sofort in die Spülmaschine, bei meiner Mutter übernahm sie das Abräumen.

Gefrühstückt wurde bei meinem Vater am Tisch, meine Mutter und ich frühstückten im Bett. Mit meinem Vater verbrachte ich den Sonntagvormittag mit „Tigerentenclub“ und „Superman“ im Fernsehen, bei meiner Mutter auf dem Fahrrad bei Ausflügen. Für mich war das mein Alltag, der immer Abwechslung bot. Trotzdem blieb der Wechseltag auch immer ein Umgewöhnungstag, an dem ich manchmal meine Mutter mit „Papa“ ansprach oder umgekehrt.

Doch auch sonst war das Umgewöhnen die Regel. Das Leben meiner Eltern veränderte sich, und dadurch veränderte sich auch mein Leben. Wenn mein Vater umzog, zog auch ich mit um. Wenn meine Mutter einen neuen Partner hatte, hatte auch ich eine neue Bezugsperson.

Bis ich auszog, habe ich in sieben verschiedenen Wohnungen gewohnt und sechs Partner an der Seite meiner Eltern erlebt. Die neuen Beziehungen meiner Eltern störten mich nicht, weil ich meine Eltern nie als Paar kennengelernt und sie mehr streitend als nett miteinander erlebt hatte. Es war mir beinahe unangenehm, als ich das erste Mal ein Bild von meinen Eltern als Paar sah.

Wir unternahmen von Zeit zu Zeit auch etwas zu dritt, aber das gehörte nicht zur Regel. Lautstarke Auseinandersetzungen zwischen Vater und Mutter sind mir noch gut in Erinnerung. Ärgerte sich einer vor mir über den anderen, nahm ich den Abwesenden in Schutz. Mir wurde früh klar, dass meine Eltern – wenn ich nicht wäre – wohl keinen Kontakt mehr hätten. Wenn sie mir versicherten, dass sie sich trotzdem mögen und es nur im Moment alles sehr schwierig sei, glaubte ich das gern. Tatsächlich verbesserte sich ihr Verhältnis mit der Zeit.

Die Pubertät vergrößerte das Problem

Je älter ich wurde, desto weniger hielt ich die ständigen Veränderungen aus. Waren sie mir bis dahin nicht wirklich aufgefallen, machten sie mich jetzt wütend und traurig zugleich. Diese Gefühle wurden stärker, als ich in die Pubertät kam. Immer öfter störte es mich, mich alle drei Tage neu „anzupassen“.

Es machte mich traurig, dass meine Eltern nicht mit ihren Partnern zusammenblieben, die ich schon längst akzeptiert und lieb gewonnen hatte. Und ich war sauer, dass eine Trennung für sie auch gleichzeitig eine für mich bedeutete.

Als ich 14 war, verliebte sich mein Vater in die Mutter meiner Schulfreundin. Wenig später zogen wir zusammen. Jetzt waren wir plötzlich zu fünft: mein Vater, seine Freundin, ihre beiden Töchter und ich. Zu diesem Zeitpunkt ging es mir mit der bisherigen „Halbe Wochen“-Lösung sehr schlecht. Oft wurde ich ganz plötzlich traurig und musste an den „Wechseltagen“ weinen. Meine Eltern beschlossen dann, dass ich komplett zu meinem Vater ziehen sollte. Ich selbst wollte diese Entscheidung nicht treffen, um keinen zu verletzen.

In der neuen Patchworkfamilie lernte ich das erste Mal ein Familienleben kennen. Für mich war der Familienalltag, besonders so etwas wie Geschwister zu haben, eine sehr schöne Erfahrung. Als die Beziehung jedoch nach einem Jahr scheiterte, tat mir das sehr weh. In der darauf folgenden Zeit lebte ich weiter bei meinem Vater, der nach Kräften versuchte, mit mir als pubertierendem Mädchen alles richtig zu machen. Trotzdem gab es immer öfter Streit, und ich zog nach einiger Zeit zu meiner Mutter.

In den letzten Jahren, in denen ich ganz bei einem Elternteil lebte, hatte ich häufig das Gefühl, einen von beiden im Stich zu lassen. Meine Eltern betonten immer, dass sie mit meinen Entscheidungen klarkommen würden, trotzdem konnte ich das Gefühl, für sie verantwortlich zu sein, nie abschütteln. Als Einzelkind war ich immer von beiden sehr behütet aufgewachsen, wurde gleichzeitig aber auch zu Selbstständigkeit erzogen. Mit 17 Jahren zog ich, ohne dabei das gute Verhältnis mit meinen Eltern zu verlieren, in eine eigene Wohnung.

Hat mich mein Leben als Trennungskind belastet? Ja, sicherlich. Aber ich glaube nicht, dass es mir geschadet hat, dass ich heute noch negativ davon geprägt bin. Dieses Leben war meine Realität. Über die Jahre habe ich verstanden, dass meine Eltern immer versucht haben, die für mich beste Lösung zu finden. Inzwischen beneide ich niemanden mehr um seine „heile“ Familie.

Die Eltern von Mia haben sich, nachdem sie sich jahrelang betrogen haben, getrennt, Mia ist kaum noch fähig, ihrem Vater in die Augen zu schauen. Solche und ähnlich Beispiele haben mir gezeigt, dass manchmal selbst das scheinbar Beste nicht zwangsläufig funktionieren muss. Auch ich wünsche mir eine „heile Familie“, aber wenn es anders kommen sollte, habe ich auch keine Angst vor anderen Familienmodellen.

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