Monat: Juni 2023

Jerusalem – Jesaja 54:11 – II

Du Elende, Sturmbewegte, Ungetröstete! siehe, ich lege deine Steine in Bleiglanz (Eig Stibium, womit die orientalischen Frauen ihre Augenlider schwarz färbten, um den Glanz der Augen zu erhöhen; hier als Mörtel gedacht) und gründe dich mit Saphiren; und ich mache deine Zinnen aus Rubinen und deine Tore von Karfunkeln und dein ganzes Gebiet von Edelsteinen.
Elberfelder 1871 – Jesaja 54,11–12

Gebeugte,
Verstürmte,
nie Getröstete!
Wohlan,
ich lege deine Steine in Hartmörtel ein,
ich gründe dich in Saphire,
aus Rubin mache ich deine Zinnen,
deine Tore von Karfunkelsteinen,
all deine Umfassung von Edelgestein.
Buber & Rosenzweig – Jesaja 54,11–12

Du Elende, umstürmt und nicht getröstet 
sieh an, ich leg in Bunterz deine Steine 
und gründe dich in Saphiren 
und mach Rubine deine Zinnen 
und deine Toren zu Karfunkeln 
all dein Bereich zu edlem Stein.
Neftali-Herz-Tur-Sinai – Jesaja 54:11–12

Erste Gedanken und Bibelstellen – siehe 2020

Die Verse 11-17 beschreiben die Vorteile, die Israel nach seiner Wiederherstellung erhalten wird. Die Verse 11-12 beschreiben Israels vergangenen Zustand:
Israel wurde in der Vergangenheit geplagt, von Stürmen gepeitscht und nicht getröstet. Doch das soll sich ändern. Israel wird verherrlicht werden. Diese Verherrlichung wird als eine Stadt dargestellt, die aus bunten Steinen auf Fundamenten aus Saphiren gebaut ist. Das hebräische Wort für „Zinnen“, shemesh, bedeutet eigentlich „Sonne“, kann hier aber als „Zinnen“ übersetzt werden. Das hebräische Wort für „Rubine“, kadkod, bezieht sich auf Edelsteine im Allgemeinen und vielleicht auf Rubine im Besonderen. Die genaue Bedeutung dieses Ausdrucks ist zwar unklar, aber er könnte sich auf eine Art Stein beziehen, der in der Sonne in der Farbe eines Rubins funkelt. Die Tore dieser Stadt werden als aus Karfunkeln oder Kristallen bestehend beschrieben, während die Grenzen aus Edelsteinen bestehen.

Arnold Fruchtenbaum – Bibelkomentar Jesaja

Aber noch ist es nicht so weit; noch bedarf das Gottesvolk des sichtbaren, irdischen Zeichens der unverbrüchlichen Gottesgnade und der Heimkehr in das Land der Väter. Darum geht das Prophetenwort wieder ganz in dieses alttestamentliche, zeitliche Denken zurück, nachdem es in einer Momentaufnahme einen kurzen Blick in die Ewigkeit getan hat. Man kann darum die V. 11–14 als Parallele zu V. 1–10 ansehen. So knüpft also V. 11 an V. 1 an: du Elende, du Umhergeworfene, du Ungetröstete. Dort wie hier wird Israels kommendes Heil als ein in Ewigkeit bleibender Zustand beschrieben. In V. 1–10 war es das Bild der wiederangenommenen Ehefrau, die mit zahlreichen Kindern, geehrt von den Völkern, in einem weiten Land lebt. In V. 11–17 wird das gleiche ausgesagt, als von der ewig bleibenden Gottesstadt Jerusalem geredet wird, die keinen Feind mehr zu fürchten hat. Die Ehrung der durch viele Kinder beschenkten Ehefrau ist hier zum Gemälde der herrlich ausgestatteten Stadt Jerusalem geworden. Weist im ersten Abschnitt besonders V. 10 auf die ewige Dauer des erneuerten Gottesverhältnisses hin, so überschreiten im zweiten Abschnitt schon V. 11 u. 12 die Realität dieser Weltzeit: Eine Stadt, die nur aus Edelsteinen gebaut ist, gibt es in dieser Weltzeit nicht. Aber trotzdem ist es eine wirkliche Stadt, von der hier der Prophet spricht. Sie kann nur auf Erden existieren – wenn auch nicht in dieser Weltzeit. Offensichtlich rechnet Jesaja mit einer Verwandlung der Grundgestalt dieser Erde, obwohl er dieses nicht zum Thema an dieser Stelle macht.
[11/12] Der Bund ist von Gott allein als ein ewig dauernder geschlossen worden, darum heißt es im Hinblick auf das neu zu erbauende Jerusalem: Ich lege deine Steine in glänzenden Hartmörtel und deine Grundsteine in Saphire. Was ist der Sinn dieser Sätze? »Es kann eigentlich nur gemeint sein, daß das neue Jerusalem in einem völlig neuen Sinn Gottes Stadt ist und ihre gleißende Pracht unmittelbar auf die Majestät Gottes weist« (Westermann). Darum ist die Stadt herrlich und für äußere Feinde unbezwingbar: Der Glanz der Edelsteine weist hin auf die Herrlichkeit Gottes, die in diesem Prophetenbuch von Anfang an das Leitthema war.

Wuppertaler Studienbibel

Es werden nicht nur die Gefangenen freigelassen und das Volk wiederhergestellt, sondern auch die Stadt Jerusalem wird wieder aufgebaut (Jes 54:11-17). Wenn Ihnen diese Formulierung extravagant erscheint, sollten Sie bedenken, dass der Prophet sowohl eine unmittelbare als auch eine endgültige Erfüllung sieht (Offb 21:18-21). Der Überrest baute den Tempel und die Stadt unter der Führung des Statthalters Serubbabel, des Hohenpriesters Josua, des Schriftgelehrten Esra, des Mauerbauers Nehemia und der Propheten Haggai und Sacharja wieder auf. Aber das wiederhergestellte Jerusalem war nicht wie das, was Jesaja hier beschreibt! Auf diese schöne Stadt müssen wir warten, bis der Herr wiederkommt und sein Reich aufrichtet. Dann wird jeder Bürger Jerusalems den Herrn kennen (Jes 54,13), und die Stadt wird frei von Terror und Krieg sein (V. 14).

Warren W. Wiersbe

2020 war die Frage: von welchem Jerusalem ist eigentlich die Rede?

Deshalb heute noch zwei Kommentare, die zeigen, wie die Menschen zur Zeit der Apostel diese Verse? Hätten die Apostel gedacht, dass der Tempel und die Stadt, wie diese zu ihrer Zeit zu sehen war, eine Erfüllung der Prophezeiung Jesajas gewesen wäre??

In der hebräischen Bibel und anderen alten jüdischen Schriften wird immer wieder die wiederhergestellte heilige Stadt der Zukunft beschrieben. Die Ursprünge dieses Themas sind größtenteils in dem tief sitzenden Wunsch nach der Wiederherstellung des jüdischen Volkes nach der Zerstörung des Ersten Tempels im Jahr 586 v. Chr. zu finden. Das Thema blieb auch in der Zeit des Zweiten Tempels bestehen, da die Frustration über die nicht gerade idealen Realitäten der Einrichtung des Zweiten Tempels weit verbreitet war. Nach der Zerstörung des Zweiten Tempels im Jahr 70 n. Chr. wurde das Motiv in den jüdischen Apokalypsen und in der rabbinischen Literatur (z. B. B. BB 75b; Eikhah Rab. 1:2) weiterhin verwendet. Es taucht auch in der christlichen Tradition auf, wo die Erwartung der neuen Stadt zum Höhepunkt eines populären Strangs eschatologischer Spekulationen wird (Offenbarung 21-22). Das neue Jerusalem sollte im Rahmen dieses Komplexes von Traditionen verstanden werden.

Louis H. Feldman – Außerhalb der Bibel – Antike jüdische Schriften mit Bezug zur Schrift

die Erneuerung Jerusalems
Da das messianische Reich im Heiligen Land aufgerichtet werden soll (vgl. z.B. 4 Esra 9,9), muss zunächst Jerusalem selbst erneuert werden. Dies wurde jedoch auf verschiedene Weise erwartet. Im einfachsten Fall wurde es nur als eine Reinigung der heiligen Stadt angesehen, insbesondere „von den Heiden, die sie jetzt mit Füßen treten“ (Psalt. Salom. 17,25.33). Nach der Zerstörung Jerusalems nahm sie die Form eines Wiederaufbaus an, und zwar eines Wiederaufbaus „zu einem ewigen Bau“ (Schemoneh Esreh, 14. Beracha). Damit ist aber die Auffassung verbunden, dass bereits in der vormessianischen Zeit ein weit herrlicheres Jerusalem als das irdische bei Gott im Himmel existiert und dass dieses zu Beginn des messianischen Zeitalters auf die Erde herabkommen wird. Die alttestamentliche Grundlage für diese Hoffnung ist vor allem Hes 40-48, auch Jes 54,11 ff, 60; Hag. 2:7-9; Sach. 2:6-13; das neue Jerusalem, das in diesen Abschnitten beschrieben wird, wird als bereits jetzt im Himmel existierend angesehen. Von diesem ανω Jerusalem (Gal. 4:26), Jerusalim epuranios (Heb. 12:22) undνη Jerusalem (Offb. 3:12, 21:2, 10) ist bekanntlich auch im Neuen Testament oft die Rede; vgl. auch Test. Dan. c. 5: das neue Jerusalem. Nach der Apokalypse des Baruch befand sich dieses himmlische Jerusalem ursprünglich im Paradies, bevor Adam sündigte; als er aber das Gebot Gottes übertrat, wurde es ihm entrissen, wie auch das Paradies, und im Himmel aufbewahrt. Danach wurde es Abraham in einer nächtlichen Vision gezeigt, und auch Mose auf dem Berg Sinai (Apok. Baruch 4:2-6). Auch Esra sah es in einer Vision (4 Esra 10:44-59). Dieses neue und herrliche Jerusalem soll dann auf der Erde anstelle des alten erscheinen, das es an Pracht und Schönheit weit übertreffen wird, Henoch 53:6, 90:28, 29; 4 Esra 7:26; vgl. auch Apok. Baruch 32:4.

Emil Schürer – Die Geschichte des jüdischen Volkes zur Zeit Jesu Christi

Schweigen ist Gold?

 «Ich sprach:
,Will wahren vor Versündung durch die Zunge meine Wege 
will wahren meinem Munde den Verschluß 
solang der Frevler vor mir ist.‘ 
So schwieg ich still 
verstummte vor dem Guten 
jedoch mein Schmerz war heftig. 
Heiß war mein Herz in meinem Innern 
in meinem Sinnen loht‘ ein Feuer 
da redet‘ ich mit meiner Zunge: 
Neftali-Herz-Tur-Sinai – Psalm 39,2–4

andere Übersetzungen und ein paar kleine Kommentare 2020…

Kennst du das Gefühl, dass dir ständig die Sorgen und Probleme erzählt werden? Meist noch nicht mal die Sorgen des „Sprechers“ sondern eher die Sorgen von die der „Sprecher“ gehört hat? Doch wie umgehen mit den eigenen Sorgen und Problemen? Wo diese „abladen“?

Der Sänger beschreibt seinen schweren inneren Kampf: Er wollte sich still und stumm unter das beugen, was ihm auferlegt war, vor allem auch um seiner gottlosen Umgebung willen, die aus seinen Klagen nur einen Grund zur weiteren Ablehnung Gottes entnommen hätte. Aber der innere Schmerz war so groß, daß er (ähnlich wie Hiob) doch alles aussprechen mußte.
5–7 Der Sänger findet eine erste Antwort auf seine Fragen durch die Erinnerung an die Vergänglichkeit alles Lebens. Es liegt eine gewisse Ironie in diesen Versen: Der Mensch ist nichts und macht doch so viel Aufhebens von sich und allen seinen kleinen Dingen! Bei dieser Erkenntnis aber beruhigt der Sänger sich nicht. Er betet weiter:

Die Bibel mit Erklärungen: Erklärungen

Das Achthaben auf meine Wege ( – Hi 13,15 Ps 26,11 119,30 – ) ist eine typische Ausprägung eines zu Gott hingewandten Lebens, das Errettung und Bewahrung zugleich erfuhr. Zwar hat David Gott oft genug gebeten, seine Wege zu bewahren, aber in der konkreten Situation kommt es auf ihn selbst an, ob er in der Spur Gottes bleibt oder ob er aus ihr herausfällt. Gottes Behüten und des Menschen Achtgeben sind unauflöslich ineinander verwoben. David wußte, daß es eine Schaltstelle für die Sünde gibt, nämlich die Zunge ( – Hi 27,4 Ps 15,3 34,14 119,172 Jak 3,5ff – ), die lästern und verletzend sein kann und somit dem Bösen Tor und Tür öffnet. Das Sündigen mit der Zunge besteht auch darin, daß der fromme Mensch in an sich berechtigter Entrüstung auf Anschuldigungen von Menschen mit gleicher Heftigkeit reagiert. Weil David aber den Weg Gottes gehen wollte, hatte er sich einst fest entschlossen, an seine Zunge einen Zaum zu legen, und zwar so lange der Frevler vor mir ist. Denn wer sich selbst verteidigt, weil er ein Erwählter Gottes ist, unterliegt am Ende doch. Weil es ja um Gottes Sache geht, die der Frevler am Gottesfürchtigen bekämpft, kann und darf dieser sich nicht selbst verteidigen und schützen. Letzteres gelang David mit Gottes Hilfe eine Zeitlang: Ich verstummte (in) Schweigen. Doch dann durchfuhr David ein Schmerz und heiß wurde mein Herz in meinem Inneren ( – Ps 32,3ff Jer 20,9 – ). Auch an dieser Stelle mußte David die Erfahrung machen, daß der Mensch, auch unter dem Beistand Gottes, einen einmal erreichten inneren Zustand auf die Dauer nicht beibehalten kann. David gebraucht jetzt wieder seine Zunge, nicht um vor Menschen zu reden, sondern allein vor seinem Gott.

Wuppertaler Studienbibel

Der Psalm beginnt mit dem Bericht des Psalmisten über sein Bemühen, nicht zu sündigen, indem er über seine Züchtigung spricht, während gottlose Menschen anwesend sind. Es war eine bewusste Entscheidung: „Ich sagte“ (ein definitives Verb in der Vergangenheit) legt die Umstände dieser Entscheidung vor dem Schreiben des Psalms fest. Dass es sich um eine Zeit der schweren Züchtigung handelt, geht aus den Versen 8-13 hervor. Er befürchtete, dass er den Herrn und die, die auf ihn vertrauten, in Verruf bringen könnte, wenn er sich bei Ungläubigen darüber beklagte, wie der Herr ihn in der Züchtigung behandelte. So beschloss er (Kohortenativ), „zu wachen“ (אֶשְׁמְרָה; s.v. Ps. 12:7) über seine Wege und „halte“ (dieselbe Verbform) einen Maulkorb (מַחְסוֹם) auf seinem Mund, solange Ungläubige anwesend sind (wörtlich „noch vor mir“). Wenn er sich hütete, würde er nicht mehr sündigen. Die verwendete Konstruktion ist ein Infinitiv mit einer Präposition, „vom Sündigen“ (מֵחֲטוֹא; s.v. Ps. 51:1). Dies deutet darauf hin, wovor er sich hütete – mit seiner Zunge zu sündigen, d. h. etwas Falsches oder zu den falschen Leuten zu sagen. Es könnte auch als das beabsichtigte Ergebnis interpretiert werden: „Ich will mich hüten, zu sündigen“. Er war entschlossen, sich selbst zum Schweigen zu bringen, und benutzte deshalb das Bild eines Maulkorbs (ein angedeuteter Vergleich). Das Wort „Maulkorb“ kommt von einem Verb, das „zurückhalten“ bedeutet (חָסַם). Er würde sich beim Reden zurückhalten (in ähnlicher Weise wird in Ps. 73:15 erzählt, wie der Weise seine Zweifel für sich behielt).

Nach Vers 2 blieb er also „still in der Stille“ (נֶאֱלַמְתִּי דוּמִיָּה). Das Verb bezieht sich auf die vergangene Zeit: „Ich schwieg“; und das Substantiv modifiziert das Verb: „Ich schwieg in der Stille.“ Die beiden Wörter betonen, dass er völlig still war.

Er sagt auch, er schwieg „vom Guten“ (הֶחֱשֵׁיתִי מִטּוֹב). Diese Präpositionalphrase ist schwierig zu interpretieren. Delitzsch sagt, der Psalmist wende sich in seinem Schweigen „vom Wohlstand ab“ oder nehme den Wohlstand nicht zur Kenntnis, d. h. von dem, worüber er die Übeltäter frohlocken sah; er versuche, die beunruhigende Diskrepanz zwischen ihrem Wohlstand und dem gerechten Leben zum Schweigen zu bringen. Andere meinen, es bedeute „vergeblich“ oder „nutzlos“ – ich schwieg außer dem Guten, was bedeutet, dass es mir nichts nützte. Goldingay sagt, es könnte übersetzt werden: „Ich habe mehr geschwiegen, als es gut war“. Perowne argumentiert, dass die Präposition nach dem Verb „schweigen“ entweder (1) „fern von Gutem“ (ich schwieg vor Trost und Freude, d. h. ohne Trost und Freude – ich hatte keinen Trost und keine Freude) oder (2) als negative Konsequenz des Schweigens „so dass es mir nicht gut ging“ oder „es funktionierte nicht“ bedeuten würde. Diese zweite Möglichkeit würde dann mit „mein Kummer wurde aufgewühlt“ übereinstimmen. Mit anderen Worten, er versuchte zu schweigen, aber es ging nicht gut für ihn und so musste er sprechen. Was auch immer er mit dieser Formulierung gemeint hat, der Punkt ist, dass er nicht in der Lage war, diese Entscheidung, völlig zu schweigen, aufrechtzuerhalten. Der Kummer oder Schmerz (כְּאֵב, vom Verb כָּאֵב, „Schmerzen haben“) bezieht sich auf den geistigen und körperlichen Schmerz (in Form von Enttäuschung und Unglück), den der Psalmist sicherlich erleiden würde, weil er mit dem Problem seines eigenen Schmerzes und seiner Distanz zu den guten Seiten des Lebens, die er zu ignorieren versuchte, kämpfte. Allmählich begann sich all dies zu regen, so dass er seine aufgestauten Gefühle nicht mehr kontrollieren konnte.

Sein Stress und sein Schmerz wurden so stark, dass er schließlich sprechen musste – aber er sprach zum Herrn. Sein Herz wurde „heiß“ (חַם), denn in seiner Betrachtung der Dinge begann ein „Feuer zu brennen“. Dies sind Bilder für seine zunehmende Angst über sein schmerzliches Dilemma (möglicherweise metonymisch, wenn er fieberte). Inneres Brennen ist in der Schrift ein Begriff, der mit leidenschaftlicher Intensität verbunden ist, die Menschen zum Handeln bewegt (vgl. Jer 20,9; Lk 24,32) – hier ist es der Schmerz und die Angst, die ihn zum Aufschrei bewegen. Das Verb „brennen“ (תִּבְעַר) kann mit „zu brennen beginnen“ oder „brennen“ übersetzt werden, weil die Erregung so groß wurde, dass er nicht mehr schweigen konnte. Das Brennen fand während seines „Grübelns“ statt, d. h. je mehr er darüber nachdachte, desto schmerzhafter wurde es. Das Wort, das mit „grübeln“ übersetzt wird, könnte eigentlich ein Wort für „seufzen“ sein (von הָגַג, „sich sehnen, brennen“, und nicht von הָגָה, „meditieren, sinnieren“. Schließlich konnte er sich nicht mehr zurückhalten und beschwerte sich laut („mit meiner Zunge“) bei dem Herrn (V. 4). Es könnte sein, dass dieses Reden Gott mit seinen Worten zu tadeln schien und in sein Bekenntnis in Vers 9 aufgenommen wurde; oder, was wahrscheinlicher ist, dass das Reden hier einfach sein Schrei zu Gott über seine Qual ist und sich nicht an Ungläubige richtet und daher keine Vergebung nötig wäre. Jedenfalls umfasst der Rest des Psalms das, was er mit seiner Zunge sprach: Er sprach zum Herrn über seinen Kummer, seine Sünde und seine verbleibenden Jahre.

Ein Kommentar zu den Psalmen 1-89 – Kommentar – Kregel exegetische Bibliothek

Tier und Mensch mit gleichem Ende?

Denn was das Geschick der Menschenkinder und das Geschick der Tiere betrifft, so haben sie einerlei Geschick (And üb. Denn ein Zufall sind die Menschenkinder und ein Zufall die Tiere, und sie haben einerlei Zufall; d. h. sie haben kein selbstbestimmtes Dasein) :wie diese sterben, so sterben jene, und einen Odem haben sie alle; und da ist kein Vorzug des Menschen vor dem Tiere, denn alles ist Eitelkeit. Alles geht an einen Ort; alles ist aus dem Staube geworden, und alles kehrt zum Staube zurück. Wer weiß von dem Odem der Menschenkinder, ob er aufwärts fährt, und von dem Odem der Tiere, ob er niederwärts zur Erde hinabfährt?
Elberfelder 1871 – Prediger 3,19–21

Denn das Begegnis(o.: Geschick.) der Söhne des ADaM und das Begegnis des Getiers ja ein gemeinsames Begegnis ist ihnen: wie der Tod dieses einen, also der Tod dieses anderen, und ein Geistwind ist allen, und Vorzüglichkeit des Menschen, mehr als die des Getiers, ist keine, denn das alles ist Dunst. Das alles wandelt zu einem Ort; das alles wurde aus dem Staub, und das alles kehrt zurück zu dem Staub. Wer erkennt den Geistwind der Söhne des ADaM? Ists, dass er aufwärts hinaufsteigt?, und den Geistwind des Getiers: Ists, dass er hinabsteigt, sich abwärts erstreckend zum Erdland?
Dabhar – Kohelet 3,19–21

Tiere und Menschen haben ja einiges gemeinsam: Beide müssen irgendwann mal sterben, beide haben nur einmal die Energie, um zu leben. Der Mensch ist nicht besser als ein Tier, beides wird mal vergammeln, dann war das Leben umsonst und vorbei. Es muss alles wieder dahin zurück, wo es mal hergekommen ist. Alles besteht aus Erde, und alles wird irgendwann wieder zu Erde. Wer hat denn schon mal die Lebensenergie von einem Menschen messen können? Wer hat untersucht, ob diese Energie, wenn man tot ist, nach oben in den Himmel fliegt? Und wer kann das wissenschaftlich belegen, dass die Lebensenergie von Tieren im Boden versickert?
VolxBibel – Prediger 3:19–21

Die gegenwärtige Offenbarung: Salomo zeigt die Begrenztheit des Menschen auf ( Pred 3,18-21 )
Die Verbindung zwischen den Versen 18-21 und dem vorhergehenden Abschnitt wird in den meisten Übersetzungen nicht recht deutlich. Der Ausdruck wegen der Menschenkinder bedeutet wörtlich „um der Menschenkinder willen“, und im allgemeinen sind die Ausleger der Ansicht, daß mit diesen Worten auf die in Vers 16 genannte Ungerechtigkeit Bezug genommen wird. Vers 18 besagt in diesem Fall, daß das Unrecht sowohl um des Menschen willen als auch wegen des Menschen geschieht. Nach Salomo will Gott die Menschen durch das Unrecht prüfen, ihnen jedoch auch klarmachen, daß sie sind wie das Vieh (wörtl.: „sie sind Tiere“). Damit ist nicht gemeint, daß die Menschen auf derselben Stufe wie die Tiere stehen und daher auch keine unsterbliche Seele haben. Es bedeutet nur, daß die Menschen ebenso wie das Vieh sterben (vgl. Ps 49,13.21 ).
Menschen und Tiere entstammen derselben Erde und haben einen Odem, dem sie ihr Leben verdanken (vgl. Hi 34,14-15; Ps 104,29 ), und sie gehen alle an einen Ort, d. h., sie kehren alle zum Staub zurück ( Pred 3,20 ). Daher sagt Salomo, daß der Mensch nichts voraus vor dem Vieh habe, denn beide seien vergänglich ( heBel sollte statt mit eitel mit „vergänglich“ übersetzt werden; vgl. Pred 6,12 und kOl eher mit „sowohl … als auch“ statt mit alles , vgl. Pred 2,14;7,18 ).

Walvoord Bibelkommentar

da möchte man doch fragen: glaubte Salomo wirklich an dies?

Das Judentum nahm diese neue Spiritualität nur langsam auf, da sie zunächst von einer Minderheit übernommen wurde, deren Merkmale sich nicht feststellen lassen. Die älteste Quelle, die den Glauben der Juden an eine unsterbliche Seele dokumentiert, die vom Körper getrennt werden kann und dazu bestimmt ist, nach ihrem Urteil in der Nähe Gottes zu leben, ist das Buch der Wächter, das vor 200 V. CHR. und meiner Meinung nach eher in der späten persischen Zeit verfasst wurde. In den Büchern des jüdischen Kanons ist nie von der Unsterblichkeit der Seele die Rede; Qohelet leugnet sie sogar (Prediger 3,18-21). Der Glaube an eine unsterbliche Seele kehrt jedoch im Buch der Weisheit und in den Schriften des ersten Jahrhunderts der christlichen Zeitrechnung in großer Zahl wieder.

Paolo Sacchi – Die Geschichte des zweiten Tempelzeitalters

V 20. In V 20b wird alles noch einmal unter Anspielung auf Gen 2,7.19; 3,19 begründet. Mensch und Tier haben etwas fundamental Gemeinsames: Beide sind aus Staub, und beide kehren zum Staub zurück. Zwar gibt es nach Gen 2,7.19 auch einen Unterschied zwischen Mensch und Tier: Der Mensch trägt – im Unterschied zum Tier – göttlichen Atem in sich (vgl. Ijob 27,3; 32,8; 33,4), doch dieser Unterschied wird in Koh 3,20 zunächst nicht erwähnt. V 21. Erst V 21 greift das Motiv des Atems (רוּחַ) auf. Der Rekurs auf die Tora hat hier offensichtlich die Funktion, die provokative These mit Hilfe »normativer Tradition« plausibel zu machen. Nun ist allerdings die Tora an dieser Stelle nicht eindeutig. Nach Gen 7,15 haben auch die Tiere einen »lebendigen Atem« (רוח חיים; vgl. Gen 6,17; 7,22). So lässt sich V 21 in zweifacher Weise verstehen. Zum einen kann er als Antwort auf einen Einwand verstanden werden, der sich folgendermaßen rekonstruieren läßt: »Der Aussage von der ›Tierebenbürtigkeit des Menschen‹ in V 19–20 lässt sich entgegenhalten, dass der Tier und Mensch gemeinsame Atem nach dem Tode einen je unterschiedlichen Weg einschlägt: Der Atem des Menschen steigt nach oben [zu Gott], der des Tieres in die Unterwelt. Darin zeigt sich die Sonderstellung des Menschen. Er lebt nach seinem Tod bei Gott fort.« Mit der Frage von V 21 »Wer weiß …?« würde Kohelet diese »dogmatische« Ansicht in Zweifel ziehen. Spannung zwischen 3,21 und 12,7b? Bei dieser Interpretation ergibt sich allerdings eine Spannung zu 12,7b. Dort wird nämlich gesagt, dass der Atem (רוּחַ) des Menschen sehr wohl zu Gott zurückkehrt. D. Michel, Qohelet 1988, 167 hat – wie viele andere auch – die Spannung gesehen und als Lösung vorgeschlagen, 12,7 als literarisch sekundär anzusehen. Nun hat A. A. Fischer, Apokalyptik 1998, 347–356 eine Interpretation von 3,21 vorgelegt, die sich spannungslos in die »Eschatologie des (ursprünglichen) Buches« einfügt. Nach A. A. Fischer bezweifelt Kohelet in 3,21 nicht, dass der menschliche Atem nach dem Tode zu Gott aufsteigt. Er bezweifelt lediglich, dass es in dieser Hinsicht einen Unterschied zwischen Mensch und Tier gibt. Positiv formuliert: Auch der Atem der Tiere steigt nach oben in die Höhe, ebenso wie der Atem der Menschen. Es handelt sich nach A. A. Fischer, Apokalyptik 1998, 351 bei V 21 um »zwei koordinierte indirekte Satzfragen, die durch ihren sachlichen Kontrast in ein adversatives Verhältnis gesetzt sind«. Damit steht V 21 in gut alttestamentlicher Tradition, in der die zwei Aspekte alles Lebendigen gesehen werden: Alle Lebewesen, Mensch und Tier, kehren im Tod zum Staub der Erde zurück, wobei jedoch Gott ihren Lebensatem zu sich nimmt (vgl. Ps 104,29; 146,4; Ijob 10,9; 34,14f.; Sir 40,11; Tob 3,6).

Im Hintergrund mögen volkstümliche Vorstellungen stehen. Die griechische Version übersetzt רוּחַ in 3,21 mit πνεῦμα. Im Phaidon stellt Kebes die Ansicht, dass die Seele (ψυχή) des Menschen nach seinem Tode den Körper »wie ein Lufthauch (πνεῦμα) oder Rauch (καπνός) verläßt«, in Frage (70a). Der Stoiker Zenon machte sich die volkstümliche Ansicht zu eigen, dass der Stoff, der beim Tod den Körper verlässt, die Seele sei. Diese definierte er als Pneuma, das aus Feuer und Luft besteht (M. Pohlenz, Stoa I 61984, 74). Sie lebt nach dem Tode weiter, ist aber nicht unsterblich. Das Pneuma von Mensch und Tier unterscheidet sich durch eine unterschiedliche Zusammensetzung. Das Pneuma des Menschen ist reiner und leichter als das der Tiere (M. Pohlenz, Stoa I 61984, 83; 95). Für Cicero, Tusculanae disputationes I, 40 war klar, »daß die Seelen, wenn sie den Körper verlassen haben, sich nach oben bewegen, mögen sie luftartig, also hauchartig, oder flüssig sein« (vgl. ebd. I, 43; vgl. M. P. Nilsson, Griechische Religion II 41988, 279; 362). Ähnliche Anschauungen mögen im Hintergrund von Koh 3,21 stehen. Auch die Skeptiker bedienten sich im Rahmen ihres Programms der Entwertung alles Unverfügbaren einer Koh 3,18–21 vergleichbaren Argumentationsstrategie, indem sie Mensch und Tier miteinander gleichsetzten: »Zum Überfluss vergleichen wir jedoch auch noch die sogenannten vernunftlosen Lebewesen mit den Menschen hinsichtlich ihrer Vorstellungen. Denn wir verschmähen es nicht, nach den wirksamen Argumenten, die aufgeblasenen und selbstgefälligen Dogmatiker noch zu verspotten. Bei uns nun pflegt man mit dem Menschen einfach die Masse der vernunftlosen Tiere zu vergleichen« (Sextus Empiricus, Grundriss der pyrrhonischen Skepsis I, 62).

Carpe diem als Ruf in die Gegenwart. In Koh 3,18–21 geht es nicht um eine entfaltete Eschatologie. Die Pragmatik des Textes ist eine andere. Sie ist auf das Carpe-diem-Motiv hingeordnet, wie der Abschluss der Perikope in V 22 nur allzu deutlich zeigt. Die hochkomplexe und provokative Argumentation will vermeintliche Gewissheiten bezüglich einer postmortalen Existenz erschüttern, um den Menschen so für jenen Ruf zu öffnen, V 22. der aus der Gegenwart kommt und in sie hineinführt. Dies zeigt sich im folgenden V 22. Eingeleitet mit וְרָאִיתִי »da sah ich ein« zieht Kohelet hier die Konsequenz aus den vorangehenden Beobachtungen und Überlegungen. Die Texteinheit gelangt hier an ihr Ziel: der Bestimmung dessen, was »gut«, was Glück (טוֹב) für den Menschen ist. Glück findet der Mensch in der Freude »bei seinem Tun«. Mit der Bestimmung »bei seinem Tun« scheint im vorliegenden Kontext der Blick gewissermaßen vom Himmel weg auf die Erde gelenkt zu werden. Es gibt so etwas wie eine fehlgeleitete Form von Eschatologie. Das Gut, auf das der Mensch hin angelegt ist, lässt sich nicht an den Dingen dieser Welt, am »menschlichen Tun« vorbei gewinnen. Zugleich scheint mit der Angabe »bei seinem Tun« über 3,12 (בְּחַיָּיו »in seinem Leben«) hinausgehend angedeutet zu sein, dass die Freude, zu der das Buch aufruft (11,9), eine Art Grundgestimmheit meint, die alles Tun des Menschen durchdringen soll (vgl. 9,7–10; 11,8). Von der aristotelischen Tugendlehre herkommend könnte man von einem Habitus sprechen: Hinsichtlich der Näherbestimmung von Glück setzen die Angaben »in seinem Leben« (3,12) und »bei seinem Tun« (3,22) einen doppelten Akzent: einen »räumlichen« und einen »zeitlichen«. »Räumlich« gesehen geht es um ein Glück »unter der Sonne« – in Abgrenzung von einem falsch verstandenen »Jenseits«; »zeitlich« gesehen geht es um ein gegenwärtiges Glück – in Absetzung von einer der Erfahrung entzogenen Zukunft. Letzteres wird in V 22 unmissverständlich deutlich, wenn hier das Carpe-diem-Motiv mit der rhetorischen Frage nach der Erkennbarkeit der Zukunft begründet wird (כִּי): »Wer könnte ihn [den Menschen] dahin bringen, zu erkennen, was nach ihm sein wird?« Die Frage bezieht sich unmittelbar auf 3,16–21, aber darüber hinaus auch auf die in 2,13–2,23 kritisierten, auf einen bleibenden Gewinn abzielenden Lebensauffassungen zurück. Ihnen allen war gemeinsam, dass sie einen die individuelle Existenz überdauernden Gewinn zu erlangen versprachen. Ihnen ging es um ein »danach«: Dem Reichen (König) in der Weitergabe seines Besitzes an seinen Erben, dem Weisen (König) in der ruhmvollen Erinnerung nachfolgender Generationen, dem Frommen im Weiterleben nach dem Tod. Mit einer differenzierten Argumentationsstrategie versucht Kohelet, ein solches »danach« in Zweifel zu ziehen. Es geht Kohelet also nicht – was häufig übersehen wird – um eine grundsätzliche Leugnung eines Weiterlebens nach dem Tode. Kohelet vertritt nicht die Lehre vom absoluten Tod (vgl. L. Schwienhorst-Schönberger, Vertritt Kohelet die Lehre vom absoluten Tod? 2003). Wie der weitere Argumentationsgang des Buches zeigen wird, kennt Kohelet durchaus so etwas wie Eschatologie (vgl. 12,7b), allerdings eine Eschatologie, die sich aus der Verheißung der Gegenwart ergibt. Selbst wenn man V 21 im traditionellen Sinn (»Auch der Atem des Menschen steigt hinab in die Erde«) versteht, so würde der Vers wohl einen echten Zweifel ausdrücken (so auch F. Delitzsch 272: »wer weiß« schließt »nicht jederlei Wissen, sondern nur ein sicheres, auf zwingenden Gründen beruhendes aus«). Ein ähnlicher Gedankengang findet sich bei Aristoteles. Im Zusammenhang mit der Frage, ob die Toten noch in irgendeiner Weise vom Glück oder Unglück der Lebenden betroffen werden können, äußert er den echten Zweifel, »daß man bezüglich der Verstorbenen im Ungewissen darüber ist, ob sie an den Gütern und Übeln dieses Lebens noch Anteil haben« (eth. Nic. 1101a.b). Versteht man aber, wie hier vertreten, V 21 mit A. A. Fischer, Apokalyptik 1998, 351 als »zwei koordinierte indirekte Satzfragen, die durch ihren sachlichen Kontrast in ein adversatives Verhältnis gesetzt sind«, dann geht es einfach um die Gleichstellung von Mensch und Tier hinsichtlich des beiden bevorstehenden Todes.

Herders Theologischer Kommentar zum Alten Testament

Nun erfolgt die Begründung für V. 18. Der Mensch ist der übrigen Schöpfung und damit auch dem Vieh letztlich völlig gleichgestellt. Das gemeinsame Widerfahrnis ist der Tod. Der gemeinsame Geist ist die von Gott in die tote Materie gegebene Lebendigkeit. Der gemeinsame Ort, zu dem Mensch und Vieh gehen, ist der Raum des Todes, das Grab bzw. die Scheol, und andererseits wieder die tote Materie: Staub. Nirgnds sonst in der Bibel wird das Todesgeschick des Menschen so offen und radikal dargestellt. Hier erfährt er seine ganze, totale Ohnmacht, tatsächlich ein grundsätzlich hilfloses Ausgeliefertsein, das nicht nur kommt und geht wie die anderen Widerfahrnisse seines Lebens. Wer diese Wirklichkeit ohne den Blick des Vertrauens auf Gott wahrnimmt, muß erschrecken und verzweifeln: Alles ist ein Nichts!
[21] Mit der Schlußfrage Wer weiß leitet Kohelet wieder zur abschließenden Einsicht (V. 22) über. Der Geist des Menschen und der Geist des Viehs meinen wie V. 19 das von Gott in die tote Materie gesetzte Leben. Mit dem Tod weicht das Leben. Gott nimmt es zurück (Ps 104,29f). Mensch und Tier ist damit eine (geschöpfliche) Grenze gesetzt. Unter dem Geist des Menschen kann man darüber hinaus aber auch dessen Tatkraft, seinen Willen, seine Gesinnung und Einstellung verstehen. Sogar seine Einsichtsfähigkeit, also auch sein Verstand steht damit in Verbindung (Hi 32,8). Der Geist des Menschen ist deshalb auch das vorrangige Medium der Kommunikation mit Gott (vgl. Röm 8,16). Darin unterscheidet sich der Mensch deutlich vom Tier. Aber um diesen Unterschied geht es hier wahrscheinlich nicht, wenn die Frage gestellt wird, ob der Geist des Menschen mit dem Ableben nach oben, also zu Gott geht, und der des Viehs hinunter zur Erde, sich also »in Staub auflöst«.
Die Übersetzung und damit auch die Auslegung dieses Verses ist umstritten. In Anlehnung an Pred 12,7 sowie Ps 49,1–13.14–20 und Ps 73,16–22 setzen manche Übersetzungen und Ausleger voraus, daß Kohelet einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Mensch und Tier nach dem Tod mache. Der hebr. Wortlaut wird dann so wiedergegeben: »Wer kennt den Geist des Menschen, der nach oben steigt, und den Geist des Viehs, der nach unten zur Erde steigt?« Offensichtlich haben die Masoreten mit ihrer Vokalisierung den Text so interpretiert. Geht man jedoch nur vom Konsonantentext aus, erscheint die Frageform »Wer weiß, ob …« plausibler, so wie es auch von LXX und anderen alten Handschriften und Auslegern schon vor den Masoreten verstanden wurde. Die Entscheidung über die richtige Übersetzung darf auch nicht zuerst an der Frage der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit einer implizierten Lehrvorstellung fallen. Das Interesse der alten Weisheitslehrer lag nicht in der Erstellung eines dogmatischen Lehrgebäudes, sondern in der Sammlung und Weitergabe von Erfahrungen und Beobachtungen, mit denen die Lebenswirklichkeit beschrieben wird.
Wie aber ist die festgestellte Übersetzung nun sinngemäß zu verstehen? Dazu muß der Zusammenhang berücksichtigt werden. Dabei zeigt sich, daß Kohelet tatsächlich voraussetzt, daß mit dem Tod eben nicht alles aus ist (3,17; 12,7). Der Mensch hat sich vor Gott zu verantworten. Es gibt ein Gericht (V. 17). Nur über das Wie macht sich Kohelet keine Gedanken, weil auch dies »ein Nichts« wäre (V. 22). Demnach ist die Frage nicht so zu verstehen, ob sich Mensch und Vieh nach dem Tod nur wohlgefällig in Staub auflösen würden und der Mensch sich also nicht verantworten müsse. Vielmehr redet hier der Mensch ohne Gott, der sich nur »für sich selbst« (V. 18) betrachtet und im Vergleich mit dem Vieh zu der Einsicht kommt und kommen muß, letztlich gebe es bis in den Tod hinein keinen Unterschied. Was lohne es sich dann, sich anzustrengen. Die sich daraus ergebende Verunsicherung soll nun nicht zur Verzweiflung, sondern zum Vertrauen führen. Das erkennen zu lassen, ist gerade Gottes Absicht (V. 18), um so den Menschen neu in Beziehung zu Gott und damit zur Freude und Dankbarkeit zu bringen (V. 22). Die Linie führt konsequenterweise von hier weiter zum Todesüberwinder Jesus Christus.

Die Unterscheidung zwischen Mensch und Tier im Tod darf auch nicht von vornherein so verstanden werden, als ob die Richtung nach oben (zu Gott) beim Geist des Menschen in Frage gestellt würde. Dies wird gerade durch 12,7 verneint. Vielmehr kann die Frage auch so aufgefaßt werden: Was hat der Mensch vor dem Tier für einen Vorzug, wenn auch dessen Geist zu Gott käme? Das Seufzen und Warten der Kreatur auf die Erlösung (Röm 8,18ff) macht deutlich, daß es da letztlich keinen Unterschied gibt. Dieser liegt vielmehr in der Stellung des Menschen über die Schöpfung, in die Gott ihn gesetzt hat (1Mo 1,26–28), seine besondere Beziehung zu Gott und die damit verbundene Menschenwürde. Der Mensch, der nur an sich denkt und damit seiner Schöpfungsverantwortung nicht nachkommt, entspricht nicht dem Bild Gottes.

Wuppertaler Studienbibel

Wort Gottes = Christus? – II

Demnach ist der Glaube aus dem Gehörten, das Gehörte aber durch Rede Christi.
Das neue Testament – Grundtextnah übersetzt von W. Einert – Römer 10,17

ergänzent zu den vielen Übersetzungen 2020 heute ein paar weitere Kommentare zu diesem Vers aus Römer:

Der Apostel kommt zu der Schlußfolgerung, daß der Glaube aus der Verkündigung ist und die Verkündigung aus dem Wort Gottes. Der Inhalt des Glaubens wurde in diesem Kapitel auf verschiedene Weise dargelegt (siehe Verse 4, 6, 8, 9 und 10). Jetzt wird das Mittel erklärt, wie dieser Inhalt zu den Menschen gelangt: durch die Verkündigung, und die Verkündigung geschieht durch das Wort Christi (nach Menge, Albrecht, Zürcher, Schlatter u.a.; Elberf, Luther und Schlachter verwenden die Lesart »Wort Gottes«). Das kann das Wort der Botschafter über Christus bedeuten, oder aber es bedeutet, daß Christus durch Seine Botschafter spricht. Beide Bedeutungen sind möglich. Die Betonung liegt nicht auf den Verkündigern, sondern darauf, was die Zuhörer über bzw. von Christus hören. Dieses Wort veranlaßt sie zum Nachdenken über ihre Stellung vor Gott.
    Dieser Vers ist deshalb besonders wichtig, weil er drei für das Verständnis dieses Kapitels elementare Dinge nennt: Glaube, Verkündigung und das (gesprochene) Wort Christi (bzw. Gottes, s.o.). Wir erfahren, daß der Glaube aus ( ek ) dem »Hören« (Schlatter u.a.) bzw. der Verkündigung »kommt«, während das Hören »durch« ( dia ) das Wort Christi ist. Daraus schließen wir: Wenn die göttliche Wahrheit der Seele vorgestellt wird – in diesem Fall über Christus und Seine Auferstehung – »kommt« oder ergibt sich aus diesem Umstand Glaube. Nur wenn Gott handelt und eine »Verkündigung« an den Menschen richtet, kann der Mensch in seinem Sinn annehmen, daß diese Verkündigung von Gott stammt, und so kann Glaube entstehen. Wie dieses Werk Gottes zustande kommt, beschreibt Paulus nicht; er stellt nur heraus, daß rein menschliche Mitteilungen keine »Verkündigung« sind: Die Verkündigung ist durch das gesprochene Wort ( rhêma ) Christi. So erwartet Paulus, daß der Prediger die Aussprüche Gottes verkündet und die Botschaft Christi mündlich weitergibt. Dieses gesprochene Wort Gottes wird durch Glauben angenommen; daher ist es nach V. 8 »das Wort des Glaubens«.
    Da die Zeichen und Wunder, die der Herr unter dem jüdischen Volk tat, nicht in einem Winkel geschahen, hatten die Juden keine Entschuldigung. Ständig hatten sie Zeichen gefordert, und wenngleich der Herr nicht auf ihre Forderungen einging, so war doch der Beweis, daß Er von Gott gekommen war, durch Seine Worte und Taten stets gegenwärtig und konnte von allen geprüft werden. Die Botschaft, die nach Seinem Tod und Seiner Auferstehung verkündet wurde, war kein menschliches Flickwerk, sondern trug dieselbe Autorität wie die apostolische Botschaft vor der Kreuzigung. Gott stand hinter diesem Wort. Der Heilige Geist erwies sich darin in Kraft. Viele wurden zum Reich Gottes hinzugetan, die weder Privilegien noch irdische Auszeichnungen hatten. Doch die Nation, der die Botschaft zuerst angeboten wurde, blieb verstockt. Wie der ältere Bruder des verlorenen Sohns entschlossen sie sich, draußen zu bleiben.

Benedikt Peters – Was die Bibel lehrt

Nachdem die Vorstellung von einem Glaubensautomatismus unter der Predigt abgewiesen ist, kann Paulus über die Entstehung des Glaubens zwei Sätze aufstellen: Folglich: Der Glaube aus der Botschaft. Bevor der Glaube kommt, kommt die Botschaft (s. Anm. zu V. 16), der Glaube ist Annahme der Botschaft. Aber die Botschaft durch das Wort Christi. Hinter dem Mund des Boten steht der Mund des auferstandenen Christus.

Wuppertaler Studienbibel

Wo kein Gehorsam ist, da ist kein Glaube. Der Glaube aber kommt aus dem Hören. Im Griechischen gehören alle drei Begriffe zu der gleichen Wortfamilie: Gehorsam, Hören und Predigt. Die gewohnte Wiedergabe mit „Predigt“ engt zu sehr auf die kirchliche Predigt ein. Wir übersetzen deshalb diesen Kernsatz: „So ist der Glaube aus der hörbaren Botschaft, diese aber durch die Botschaft Christi.“ Der Glaube entsteht am Wort und sonst nirgends. Das ist unverzichtbare Grundlage christlicher, evangelischer Lehre. Wie Luther in der Erklärung zum 3. Glaubensartikel sagt: „Sondern der Heilige Geist hat mich durchs Evangelium berufen…“ Wer anders lehrt, lehrt einen falschen Glauben. Gerade hier haben wir heute sehr genau auf den Apostel zu hören. Die schwärmerische Verführung beruft sich oft auf besondere persönliche Offenbarungen und weniger auf „das Wort Christi“. Das ist ungesunder Glaube, ja führt in den Irrglauben. Unser Glaube hängt am Wort Christi; dort ist sein Wurzel- und Mutterboden. Nur dort kann er wachsen, denn allein das biblische Wort hat glaubenschaffende Kraft (vgl. Röm 1,16). Alles andere sind Scheinblüten.

Edition C

Die Erläuterung, wie es zum Glauben an den Messias Jesus kommt, wird mit einem begründenden Satz (ἄρα [ara]) abgeschlossen: der Glaube kommt aus der Botschaft, die Botschaft aber aus dem Wort des Messias. Der Glaube (ἡ πίστις [hē pistis]) kommt aus der Botschaft (ἀκοή [akoē]), in der das Evangelium vom Messias Jesus zu Gehör gebracht wird.

Manche, vor allem englische Übersetzungen geben ἀκοή V. 17 mit „Hören“ wieder (NASB: „So faith comes from hearing, and hearing by the word of Christ“; vgl. ESV, NLT); GN und NGÜ übersetzen das erste ἀκοή mit „Hören der Botschaft“, GN das zweite ἀκοή mit „Botschaft“, während NGÜ beide Satzhälften zu einer Aussage verschmilzt („Wie wir gesehen haben, setzt der Glaube das Hören der Botschaft von Christus voraus“; in einer Anm. werden mehrere Übersetzungsvarianten angeboten). Dunn argumentiert, dass die Bedeutung von ῥήμα („das Wort, das wir predigen“) für ἀκοή die Bedeutung „Hören“ geradezu erfordert; er meint, die damit notwendige Unterschiedlichkeit der Bedeutung von ἀκοή in V. 16.17 erkläre sich durch die Ausnutzung der semantischen Breite des Wortes. Die meisten Ausleger verstehen ἀκοή V. 17 wie in V. 16 im Sinn von „das Gehörte, die Botschaft“. Paulus formuliert allgemein; es ist nicht notwendig, die Verbindung von πίστις und ἀκοή V. 17 mit der Verbindung von πιστεύω und ἀκούω zu koordinieren. Die Zuordnung von ῥήμα und ἀκοή in V. 17 ist kein Problem, wenn man ῥήμα nicht als „Botschaft“ versteht, mehr oder weniger identisch mit ἀκοή, sondern als Vokabel, die „Wort“ und „Sache“, „das Gesagte“ und „die Angelegenheit“ gleichzeitig bedeutet und hier das Evangelium selbst bezeichnet.

Und die Botschaft kommt „aus dem Wort des Messias“ (διὰ ῥήματος Χριστοῦ [dia rhēmatos tou Christou]; zu ῥήμα s. 10,8). Wenn man den Genitiv als gen. subjectivus interpretiert, spricht Paulus vom Reden und Handeln des Messias im Wort des Glaubens, vom Wort des erhöhten Herrn, das sich in der apostolischen Predigt manifestiert. Möglich, aber eher unwahrscheinlich ist die Auslegung im Sinn des Auftragsworts Jesu, der seine Jünger aussendet und so den Prozess der Verkündigung der Botschaft in Gang setzt, der im Glauben zur Vollendung kommt. Im Anschluss an V. 8, wo das Wort ῥήμα dem Zitat Deut 30,13 LXX entnommen wurde, ist ein Verständnis im Sinn eines gen. objectivus plausibler: Paulus spricht von dem Wort, das den Messias zum Inhalt hat. Das „Wort des Messias“ ist das Evangelium von der Heil schaffenden Offenbarung Gottes, der durch den Sühnetod und die Auferstehung und Erhöhung des Messias Jesus den Sündern aus Juden und Heiden Gerechtigkeit erweist und Rettung schafft. Dieses „Wort“ wird in der Botschaft verkündigt, die die Boten des Messias in das jüdische Volk getragen haben. Auch bei dieser Interpretation kommt dem Messias Priorität zu: Der Messias hat das Heil erwirkt – die Boten tragen die Botschaft, in der es um den Messias geht, zu den Menschen – die Menschen hören die Botschaft und kommen zum Glauben an den Messias.

Historisch-Theologische Auslegung Neues Testament

Ein klarer Verweis auf Jahwe wäre eine große Hilfe, denn bei allen Versen, die sich auf „den Herrn“ beziehen, ist unklar, ob Christus oder Gott (Jahwe) gemeint ist. So ist z. B. das Zitat von Petrus (in Apostelgeschichte 2,34) von David: „Der Herr sprach zu meinem Herrn“, unklar, bis man das hebräische Original (Ps. 110,1) liest: „Jahwe sagt zu meinem Adonai.“ Solche Verse, die das Alte Testament zitieren, würden klarer werden, wenn JHWH (das Tetragramm) im Neuen Testament verwendet würde.
Ein weiteres Beispiel ist Römer 10,16, wo Jesaja 53,1 zitiert wird: „Herr, wer hat unserem Bericht geglaubt?“ „Herr“ scheint sich auf Christus zu beziehen, denn „das Wort Christi“ ist eine Lesart, die in den jüngsten neutestamentlichen Texten von Vers 17 auftaucht, obwohl viele der alten Zeugen „das Wort Gottes“ haben. Tatsächlich kommt das Wort Herr im hebräischen Text von Jesaja 53,1 nicht vor, obwohl es im griechischen Text, den Paulus zitiert, als κυριε auftaucht. Da dieses Wort in den christlichen Kopien der Septuaginta zu einem Ersatz für JHWH wurde, ist es naheliegend anzunehmen, dass sich κυριε in der Septuaginta von Jesaja 53,1 auf JHWH bezieht. Es hat sich zweifellos von einem frühen hebräischen Lemma (in Kommentaren die Darstellung eines Textes vor seiner Erörterung) in die Septuaginta eingeschlichen, was zu dem Schluss führte, dass der im zweiten Teil von Jesaja 53,1 erwähnte JHWH die Person ist, die im ersten Teil des Verses angesprochen wird. Da es sich bei diesem Vers um eine Schrift und nicht um einen Kommentar handelt, hätte die jüdische Schreiberpraxis die Verwendung von „Jahwe“ und nicht von „Adonai“ vorgeschrieben. Der Vers hätte dann gelautet: „Jahwe, wer hat unserem Bericht geglaubt?“ So hätte Paulus die Septuaginta verstanden. Entgegen der gängigen Textkritik müsste die Lesart in Römer 10:17 also wahrscheinlich „das Wort Gottes“ und nicht „das Wort Christi“ sein. Rudolf Bultmanns Argument, dass „der unveränderte Ausdruck ‚der Herr‘ im jüdischen Sprachgebrauch (und damit auch in Jes 53,1a) nicht denkbar“ sei wird nun durch mehrere palästinensisch-aramäische Texte widerlegt, die das Wort Mare oder Marya („Herr“) als Titel für Gott verwenden. Die vorchristlichen Juden bezeichneten Gott also in einem absoluten Sinn als „den Herrn“.

Überprüfung der neuen Weltübersetzung 2013 der Zeugen Jehovas: Untersuchung der Geschichte der Wachtturm-Übersetzung und der neuesten Revision

wie kam / wie kommt Jesus?

Denn viele Verführer sind in die Welt ausgegangen, die nicht Jesum Christum im Fleische kommend bekennen; dies ist der Verführer und der Antichrist.
Elberfelder 1871 – 2.Johannes 7

Warum schreibe ich euch das? Nun, in dieser Welt verbreiten jetzt zahlreiche Verführer ihre falschen Lehren (- oder Nun, inzwischen haben zahlreiche Verführer die Gemeinde verlassen und sind in die Welt gegangen. wörtlich Denn zahlreiche Verführer sind in die Welt hinausgegangen. -). Sie bekennen sich nicht zu Jesus Christus als zu dem, der als ein Mensch von Fleisch und Blut zu uns gekommen ist (- wörtlich Sie bekennen nicht Jesus Christus als im Fleisch kommend -), und wer das leugnet, ist der Verführer schlechthin; er ist der Antichrist.
Neue Genfer Übersetzung 2013 – 2. Johannes 7

denn / viele Irreführer sind hin aus gekommen / gezogen in die Welt, die nicht wollen bekennen Jesus Christus als ehemals und zukünftig Kommen den im Fleisch; dieser ist der Irreführer und der Antichristus. sind -hin ein gekommen iSv. leiblich, leibhaftig, z R2,28; 2K10,3; G4,14; K2,5; 1P4,6. Art. vll. iSv. der typische.
Berd Fischer -Grundtextnahe Übersetzung des Neuen Testaments – 2. Johannes 7

Wie ist dieser Vers zu verstehen?
Schauen wir uns verschiedene Kommentare an!

Die Liebe, die nicht auf Kosten der Wahrheit gehen darf, bleibt weiter das Thema, jetzt unter der Blickrichtung, wie die Christen den Irrlehrern begegnen. Die Verführung greift gerade in der Gründungszeit der christlichen Gemeinden um sich. Der Satan gibt nicht kampflos auf. Er versucht mit aller Macht, die Ausbreitung des Evangeliums und die Sammlung des Leibes Christi zu verhindern, denn dadurch wird seine Herrschaft in ihrer Ohnmacht aufgezeigt. »Viele Verführer sind in die Welt ausgegangen«, schreibt Johannes. »Verführer« sind (wörtlich) solche, »die in die Irre führen«, »Irrleiter«. Sie preisen ihre Wege als Wege zur vollkommenen Gotteserkenntnis – der Satan verstellt sich zum »Engel des Lichts« (vgl. 2. Kor 11,14) – und führen doch in die Finsternis und Verblendung menschlicher, betrügerischer Weisheit. »Sie sind ausgegangen in die Welt.« »Ausgegangen« (vgl. zu 1. Joh 4,1) ist ein gebräuchlicher Begriff der militärischen Sprache: »Sie tragen ihre Angriffe vor in diesem Äon.« Im Herrschaftsbereich des »Herrn dieser Welt« haben solche Verführer Entfaltungsund Handlungsraum für ihre Angriffe, besonders gegen die Christen, die ja »in dieser Welt« noch leben, wenn sie auch Bürger des neuen Gottesreiches sind (vgl. Joh 15,18f.; 17,11ff.).
Das Kennzeichen, an dem die Verführer erkannt werden, ist ihr Bekenntnis, das dem Evangelium direkt widerspricht: Sie »bekennen nicht, daß Jesus Christus in das Fleisch gekommen ist.« Sie leugnen die Menschwerdung des Sohnes Gottes; sie leugnen die Gottessohnschaft des Jesus von Nazareth. Sie widersprechen also an der zentralsten Stelle dem Evangelium. Ein Christus, Sohn Gottes, der Fleisch und Blut angenommen hat, am Kreuz qualvoll für unsere Sünden stirbt, ist ihnen zu primitiv. Sie bringen einen vergeistigten Christus, der in höhere Erkenntnisse ein weist, die wir dann selber vervollständigen. Einen Erlöser brauchen sie nicht, denn sie sind von sich selbst überzeugt. »Sünde« gibt es für sie gar nicht, höchstens Mangel an Erkenntnis. Daß Gott sich so tief erniedrigt hat, daß er in seinem Sohn Mensch wurde, um uns verdammte und verlorene Sünder zu retten, das verletzt für diese gnostischen Verführer aufs Gröbste ihre Sicht vom Menschen. Mit der Bestreitung der Fleischwerdung des Sohnes Gottes will der Mensch sich immer selbst vergöttlichen.
Dahinter aber steht der Satan selbst, der schon im Paradies der Eva einflüstert: »Ihr werdet sein wie Gott« (1. Mose 3,5). Die »vielen Verführer« sind die vor-geschobenen Hilfstruppen des »Verführers«, des Satans selbst, der in der »letzten Zeit« noch einmal im »Antichristen« (vgl. zu 1. Joh 2,18 und 22) seinen letzten Großangriff vortragen wird. Der wird jetzt schon eingeprobt. Die gnostischen Irrlehrer bestreiten noch mit Worten den Christus; der »Antichrist« wird dann höchstpersönlich sich auf den Thron Christi setzen (vgl. Mt 24,15; Offb 13; Offb 19,17ff.; auch 2. Thess 2,9ff.)

Edition C Bibelkommentar

Der Grund für die vorhergehende Ermahnung des Apostels ist, daß viele Verführer in die Welt ausgegangen (sind), die nicht bekennen, daß Jesus Christus in das Fleisch gekommen ist. Wie in seinem ersten Brief gibt Johannes auch in diesem Schreiben seiner Sorge darüber Ausdruck, daß so viele falsche Lehrer auf dem Plan erschienen sind (vgl. 1Joh 2,18;4,1 ). Diese Lehrer sind „Verführer“ (planoi; vgl. planaO, „irreführen“, in 1Joh 2,26;3,7 ). Schon allein ihre Anzahl (ganz zu schweigen von der vermutlichen Bandbreite der falschen Vorstellungen, die sie den Menschen nahezubringen versuchten) machte sie zu einer ernsten Bedrohung der christlichen Gemeinden. Was diese Häretiker untereinander verband, war ihr Unglaube und die Tatsache, daß sie die Menschwerdung Christi ablehnten.
Das Partizip Perfekt „gekommen“ (in der Wendung „in das Fleisch gekommen“) bezieht sich auf die Menschwerdung: Jesus, der menschliche Gestalt annimmt und als Mensch auf der Erde lebt (vgl. 1Joh 4,2). Diese Wahrheit über „Jesus Christus, der in das Fleisch gekommen ist“, wird von den Verführern bestritten. Manche von ihnen lehrten, daß Jesus kein wahrer Mensch war, sondern nur so erschien. Das stand natürlich im Gegensatz zu der Wahrheit der Inkarnation, daß Jesus Christus beides ganz ist: ganz Gott und ganz Mensch (Kol 2,9).
Das – diese Leugnung – kennzeichnet den, der sich zu ihr bekennt, als Verführer und als Antichrist (vgl. den Kommentar zu 1Joh 2,18). Der Artikel „der“ vor „Verführer“ und „Antichrist“ ist vielleicht etwas mißverständlich. So kann der griechische bestimmte Artikel in manchen Fällen, wenn es um eine ungenannte Person geht, durchaus mit dem unbestimmten Artikel wiedergegeben werden. Johannes meinte also nicht, daß jeder dieser Leute die einmalige Gestalt der Endzeit, die als der Antichrist bekannt ist, verkörpert.

Walvoord Bibelkommentar

Wenn es so ist, wie es der vorige Abschnitt darlegte, warum muß es dann von Johannes so ernst unterstrichen werden? Gibt es nun doch Zweifel an dieser apostolischen Haltung? Ja, „denn viele Verführer gingen aus in die Welt, die nicht bekennen (wollen) Jesus Christus als den im Fleisch Kommenden.“ Hier stehen wir wohl bei dem besonderen Anlaß dieses Briefes. Die geistig-religiöse Bewegung, die wir mit dem Sammelnamen „Gnosis“ bezeichnen, dringt offenbar in einem breiten Strom und nicht ohne Wirkung vor. Es gibt dabei eine „christliche Gnosis“, deren Vertreter aus den apostolischen Gemeinden selber kommen (I, 2, 19) und ein „höheres“ Christentum in die Gemeinden hineinbringen wollen. Darin lag ihre Anziehungskraft und ihre Gefahr. Für den „Alten“ sind sie „Verführer“. Sie sind nicht vereinzelte Erscheinungen, die man unbeachtet lassen könnte; ihre Zahl ist groß. Der Apostel spricht von „vielen Verführern“. Sie haben ein ausgesprochenes Sendungsbewußtsein. Das liegt in dem Ausdruck: „sie gingen aus in die Welt“. Ihre eifrige Werbetätigkeit ist nicht auf einen kleinen Raum beschränkt.
Warum kann und warum muß der Apostel sie so schroff abweisen und so ernst vor ihnen warnen? Sollte nicht die „Liebe“, zu der Johannes aufrief, auch ihnen gelten? Aber Johannes verband sofort im Eingang des Briefes die „Liebe“ unlöslich mit der „Wahrheit“. Die „Verführer“ haben nicht einzelne, besondere Ansichten, die man als solche dulden könnte. Ihre Verkündigung greift das Zentrum der apostolischen Botschaft an, verletzt „die Wahrheit“ tödlich. Sie „bekennen nicht Jesus Christus als den im Fleisch Kommenden“. Ihr geistiger Christus“ ist nicht der Retter der Sünder durch den blutigen Tod am Kreuz. Sie meinen einen größeren und vollkommeneren Christus zu bringen und sehen nicht, wie sie die eigentliche und unentbehrliche Sendung des Sohnes Gottes „im Fleisch“ gerade verfehlen. Wir vergleichen, was wir uns schon zu I, 4, 1 ff klar machten. Sie verkennen und verleugnen damit die eigentliche Liebe Gottes, die gerade darin „steht“, daß Gott seinen Sohn zur Versöhnung für unsere Sünden gesandt hat (I, 4, 10). Dadurch verliert auch das Liebesgebot an uns seine Tiefe und die Kraft zu seiner Erfüllung. Nur als die „zuerst Geliebten“ können wir unserseits lieben (I, 4, 19).
Es fällt auf, daß Johannes hier Jesus Christus nicht als den „im Fleisch Gekommenen“ bezeichnet, sondern das Präsens: „den im Fleisch Kommenden“ wählt. Schlatter meint darum, der Apostel spräche hier von der Wiederkunft Jesu, die für die gnostische Heilslehre unwichtig war oder „vergeistigt“ aufgefaßt wurde. Aber bei seiner Parusie kommt Jesus nicht mehr als der Leidensfähige und zum Leiden Berufene „im Fleisch“, sondern als der Heilsvollender „in Herrlichkeit“. Das Präsens wird gewählt sein, weil es sich bei Jesu „Kommen“ um einen bleibenden und gegenwärtigen wirksamen Tatbestand handelt. Auch mag die im Johannesevangelium häufige Bezeichnung „ho erchomenos = der Kommende“ (Jo 1, 15; 3, 31; 11, 27) hier eingewirkt haben. Jesus ist „der Kommende“, aber gerade der „im Fleisch“ Kommende. Das gehört zu seinem Wesen als „Retter der Welt“ (I, 4, 14).
Johannes kann da, wo dieses „Kommen im Fleisch“ geleugnet wird, nicht einen tragbaren theologischen Irrtum sehen. Nein, „dies ist der Verführer und der Antichrist“. Die „vielen Verführer“ müssen endzeitlich gesehen werden. In ihnen kommt „der Verführer“, also der Teufel, zur Wirkung, genauso wie – auch nach I, 2, 18 – „der Antichrist“ in den vielen „Antichristen“. Johannes will damit nicht die urchristliche Eschatologie entmythologisieren und in bloße gegenwärtige Erscheinungen auflösen. Er sagt nur das gleiche wie der Apostel Paulus in 2 Th 3, 7: „Der Gesetzlose“ kommt erst noch, aber „das Geheimnis der Gesetzlosigkeit“ ist bereits wirksam. Darum sind die „Irreführer“ jetzt so ernst zu nehmen.

Wuppertaler Studienbibel

Johannes heißt sie auf die Liebe bedacht sein,
2 Joh 7 …weil viele Verführer in die Welt ausgegangen sind

Wo sie Gehör und Geltung finden, wird die Liebe verdrängt durch den Stolz eines leeren Wissens, und durch den Zank eines fleischlichen Eifers und durch die Versündigungen am Heiligen, die das Gewissen beflecken und den Geist von Gott, dem Grund aller lebendigen Liebe, trennen.

Als das Merkmal der Verführer nennt Johannes wie im ersten Briefe dies, dass sie sich nicht zu Jesus bekennen, und auch hier zeigt er auf Jesu „Fleisch“ hin, auf seine echte, wahre menschliche Natürlichkeit, deren wir uns nicht schämen dürfen, zu der wir uns vielmehr bekennen sollen, weil durch sie Gottes Gnade, Geist und Leben zu uns kommt. Ein solcher bekennt sich nicht zu Jesus Christus, der da kommt im Fleisch (V 7). Im ersten Brief sagte er: der gekommen ist im Fleisch. {1 Johannes 4,2} Dort sah er auf Jesu irdische Lebenszeit zurück; hier sieht er hinaus zu seiner neuen Gegenwart, und auch dann kommt er im Fleisch, freilich nicht mehr als der Sterblichkeit und Schwachheit unterworfen, sondern in Gottes Herrlichkeit und Macht gekleidet, und doch auch dann als der, der an unserer Art teil hat, Mensch war und bleibt wie wir und sich ernst und ganz in die Gemeinsamkeit des Wesens mit uns stellt.

Wem Jesu menschliche Art anstößig ist, wer eine Offenbarung Gottes wünscht und träumt, die nicht im Fleisch ihr Werkzeug haben darf, der will vollends dann, wenn das Himmelreich mit Macht anbricht und die Herrlichkeit Gottes sich offenbart, vom Fleische Christi nichts mehr wissen. Johannes dagegen richtet auch den hoffenden Blick der Gemeinde auf den Menschen Jesus hin, der nicht nur für eine kurze Frist und zum Schein uns gleich geworden ist, sondern in unserer Art die unzerstörbare, ewige Gestalt seines Sohnes hat. Er, der Mensch wie wir ist, und darum wie wir im Fleische sein Leben hat, er, kein anderer ist’s, der uns in Gottes Macht verklären und die Welt mit Gottes Herrlichkeit erfüllen wird.

Schlatter – Erläuterungen zum Neuen Testament

Vor seiner Verhaftung und Kreuzigung betet Jesus: „Ich bin nicht mehr in der Welt, sie aber sind in der Welt, und ich komme zu dir. Heiliger Vater, erhalte sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins seien, wie auch wir eins sind“ (Joh 17,11). Die Evangelien sind sich darüber im Klaren, dass der Name, der dem Kind der Maria gegeben wurde, Jesus war – und das ist nicht der Name Gottes. Die Idee ist, dass die Essenz des Vaters in Jesus war. Sie waren eins.
Für Johannes bedeutete das Dienen „um des Namens willen“, die Nachricht von Jesus zu verbreiten. Indem er diesen einfachen Satz benutzte, verband er Jesus mit dem Namen des Alten Testaments – der eigentlichen Gegenwart Gottes selbst. Der Name Gottes war „im Fleisch“ gekommen (Johannes 1,1-3.14; 1 Johannes 4,2; 2 Johannes 7). Jetzt wohnt er in uns – den Kindern Gottes in der Gestalt des Geistes (1 Johannes 3,24; 4,4).

Michael S. Heiser – Ich fordere Sie auf, mich nicht mit der Bibel zu langweilen

So war „Gott in Christus“ (2. Kor. 5, 19), so war er das in die Welt kommende, wahrhaftige Licht (Joh. 1, 9): ἐφανερώθη ἐν σαρκί (1. Tim. 3, 16), ἐρχόμενος ἐν σαρκί (1. Joh. 4, 2; 2. Joh. 7). Wer das leugnet, der ist nach 2. Joh. 7 der Verführer und der Antichrist! Denn was die Bibel Offenbarung nennt, das steht und fällt mit diesem „Kommen im Fleische“. Jeder Vorbehalt: sei es dagegen, daß hier Gottes Wort in Person handelnd gegenwärtig ist — sei es dagegen, daß dieses handelnde Gegenwärtigsein Gottes in Person wirklich hier, im Fleische, in Menschengleichheit stattfindet — jeder solche Vorbehalt macht die Offenbarung und die Versöhnung unverständlich. Und umgekehrt: je bestimmter man beides zusammensieht als eines: das Wort Gottes — Fleisch, Gott selbst in Person — in Menschengleichheit, desto besser versteht man, was die Bibel Offenbarung nennt.
Die Menschheit Christi und nur sie ist die Offenbarung des ewigen Wortes: das Zelt des Logos nach Joh. 1, 14, in welchem seine Herrlichkeit gesehen wird

Karl Barth – Die Kirchliche Dogmatik

Welcher Zusammenhang mit dem Liebesgebot, das von Anfang an und wie immer gilt, und dem christologischen Bekenntnis bestehen soll, das wird hier nicht deutlich. Das holt 1 Joh nach. In dem Gebot soll die Gemeinde leben, »denn«, so beginnt V. 7, »es gibt viele Irrgeister in der Welt«. Im Zentrum des Briefes steht ganz klar die Irrlehrerwarnung von V. 7–8. Auch noch in V. 9–10 geht es um »diese Lehre«. So kann man dem Brief dieses entnehmen: Wer die Plattform der gemeinsamen Lehre verlässt, der gibt das gemeinsame Haus auf und verstößt damit gegen das Zusammenleben in Liebe.
Damit aber sieht der Verfasser zugleich das Verhältnis zu Gott gefährdet. Denn wer falsch über Jesus Christus denkt, wird den entscheidenden Kontakt zum Vater nicht haben können. Hier steht bereits Wesentliches zur johanneischen Gesandtenchristologie: Wer den Sohn ablehnt, lehnt auch den Vater ab. Das Grundschema ist: Wer mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat; wer mich sieht, sieht den Vater usw. – Denn der Gesandte trägt etwas von dem Sendenden in sich; insofern passen Sendungschristologie und Sohn-Gotteschristologie (vgl. dazu die Sendungsformeln 1 Joh 4,9 etc.) gut zusammen.
Die Überlegungen zu 1 Joh ergaben bereits: Die Gegner vertreten wohl eine Auffassung von Jesus, nach welcher dieser nur ein gewöhnlicher Mensch ist. Er ist weder Gottes Sohn (durch den Geist) noch Messias/Christus (durch den Geist).

Berger 2020 – Kommentar zum Neuen Testament

Jesus ist im Himmel immer noch der Spross Davids, der als solcher zurückkehrt. Wie gefährlich es ist, das wahre Menschsein Jesu aus dem Auge zu verlieren, belegt 2. Johannes 7:
«Denn viele Verführer sind in die Welt hineingekommen, die nicht bekennen, dass Jesus Christus im Fleisch gekommen ist – das ist der Verführer und der Antichrist.»
Diese Bibelstelle wird verschieden übersetzt. Die Zürcher-Bibel schreibt:
«Denn viele Verführer sind hinausgegangen in die Welt, die sich nicht zu dem im Fleisch kommenden Jesus Christus bekennen; das ist der Verführer und der Antichrist.»
Menge übersetzt:
«… die Jesus Christus nicht als den im Fleisch erscheinenden Messias bekennen.»
Und in der unrevidierten Elberfelderübersetzung heisst es:
«… die nicht Jesum Christum im Fleische kommend bekennen.»

Es geht nicht «nur» darum, zu leugnen, dass Jesus als wahrer und ewiger Gott ganz und gar Mensch geworden ist, sondern auch um die Verleugnung Seines Wiederkommens als Mensch. Kürzlich hörte ich jemanden sagen:
Wer denkt, dass Jesus wirklich wiederkommt, steht nicht im Glauben.
Es ist eine antichristliche Haltung, Jesu leibliche Wiederkunft infrage zu stellen, sie zu vergeistigen oder sogar ganz zu verneinen. Heute geschieht das in manchen theologischen Anstalten und in sektiererischen Vereinigungen, und es wäre nicht verwunderlich, wenn der Antichrist darin den Höhepunkt findet. Es ist möglich, dass er die leibliche Wiederkunft Jesu leugnen und sich selbst anstelle des wiederkommenden Christus stellen wird.
Auch Petrus weist auf die endzeitliche Gefahr hin, die Wiederkunft Jesu zu leugnen:
«Dabei sollt ihr vor allem das erkennen, dass am Ende der Tage Spötter kommen werden, die nach ihren eigenen Lüsten wandeln und sagen: Wo ist die Verheissung seiner Wiederkunft? Denn seitdem die Väter entschlafen sind, bleibt alles so, wie es von Anfang der Schöpfung an gewesen ist!» (2. Petr 3,3–4)
Der zweite Petrusbrief war, wie bereits der erste, an gläubige Juden gerichtet (1. Petr 1,1; 2. Petr 3,1). Der Ausdruck «die Väter» bezieht sich demnach auf die jüdischen Glaubensväter, die eine buchstäbliche Erscheinung des Messias erwarteten. Diese Wahrheit wird am Ende der Zeit angezweifelt werden und man wird sich sogar darüber lustig machen. Wird sich der Antichrist das zunutze machen, wird er vielleicht sogar der Initiator einer solchen Blasphemie sein, um das jüdische Volk zu verführen und sich dann selbst auf den Thron zu setzen? Wie dem auch sei, wir leben in einer Zeit, in der man immer weniger mit der leiblichen Wiederkunft des Herrn Jesus Christus rechnet. Warum? Weil wir in den letzten Tagen leben!

Norbert Lieth – Leben in der Naherwartung: Biblische Theologie im Licht der Wiederkunft Jesu

7 Mit dem begründenden ὅτι verrät der Verf., daß er auch vorher schon die Irrlehrer im Auge hatte. Jetzt kommt er ausdrücklich auf sie zu sprechen und kennzeichnet sie als solche, die das Christusbekenntnis der rechtgläubigen Gemeinde leugnen. Er nennt sie hier zunächst allgemein „Verführer“ und sagt von ihnen — ähnlich wie von den „Pseudopropheten“ 1 Joh 4, 1 —, daß sie „in die Welt ausgezogen sind“ (s. zu 1 Joh 4, l). Sie sind zahlreich (πολλοί) und entfalten überall (κόσμος) eine rührige Propaganda (ἐξῆλθον). Das Erkennungs- und Unterscheidungszeichen besteht fast in derselben Bekenntnisformel wie 1 Joh 4, 2 (s. dort).
Auffällig ist nur das Part. Präs. im Unterschied zu dem Part. Perf. 1 Joh 4, 2. Auf keinen Fall kann der Parusiechristus gemeint sein; denn dieser kommt nach allgemein urchristlicher Sprachweise nicht ἐν σαρκί, sondern ἐν δόξῃ1. Seine σάρξ-Gestalt ist dann durch das πνεῦμα verklärt (vgl. Joh 6, 63a) und könnte nicht gerade als charakteristisch hervorgehoben werden. Die Formel, die mit der in 1 Joh 4, 2 sachlich gleichbedeutend ist, unterstreicht (wie auch das Part. Perf. in 1 Joh 4, 2, s. dort) die überzeitliche Bedeutung der Inkarnation. Auch Ignatius von Ant. legt gegenüber den Irrlehrern, die er im Brief an die Smyrnäer bekämpft, ganz allgemein auf die Befindlichkeit Jesu ἐν σαρκί Wert, nicht nur für den Zeitpunkt der Kreuzigung (1, 2), sondern auch für die Zeit nach der Auferstehung (3, 1; vgl. 3, 2f). Es kommt ihm darauf an, daß Jesus Christus als σαρκοφόρος bekannt wird (5, 2); den gleichen Sinn dürfte die in 2 Joh 7 stehende Formel haben. Das Part. Präs. ist vielleicht auch durch die Wendungen im Joh-Ev beeinflußt, die Jesus als einen ἐρχόμενος in vielfachen Verbindungen bezeichnen. Es kann sich aber auch einfach um eine „lehrsatzmäßige Formulierung“ (Windisch) handeln.
Der Übergang zum Singular zeigt vielleicht an, daß οὗτος das Prädikat ist; gedeutet wird dann ὁ πλάνος und ὁ ἀντίχριστος. Falls aber die letzten beiden Ausdrücke Prädikat sein sollen, dann verrät der Artikel3, daß es sich um eine oder zwei bekannte Figuren der Endzeit handelt. Den für die letzte Zeit vor der Parusie erwarteten Antichrist sieht der „Alte“ wie 1 Joh 2, 18; 4, 3 (s. zu ds. St.) in diesen Christusleugnern gekommen. Der „Verführer“ könnte unter anderem Namen dieselbe Gestalt sein; er wäre dann zuerst ὁ πλάνος genannt wegen der Bezeichnung der Häretiker als πολλοὶ πλάνοι am Anfang des Verses und danach als „Antichrist“ verdeutlicht — die wahrscheinliche Erklärung. An zwei eschatologische Figuren zu denken, liegt kein Grund vor. Die Tätigkeit des zweiten Tieres (vom Lande) in Apk 13, 11ff würde an sich zu dem πλάνος passen (vgl. πλανᾷ V 14); indessen verführt es nicht durch falsche Lehre, sondern durch zauberische Wunderzeichen. Die „Antichriste“ in 1 Joh 2, 18ff werden am Ende auch als „Verführende“ (πλανῶντες V 26) bezeichnet. Als sichere Tradition für die Endzeit kennt der Verf. wahrscheinlich nur den Antichrist (2, 18; 4, 3), den er auf seine zeitgenössischen Irrlehrer deutet. Die Worte bekommen jetzt wieder eschatologisches Gewicht.

Herders Theologischer Kommentar zum Neuen Testament


Johannes kannte die Tatsache, daß es verschiedenartige Wanderprediger gab: solche, die aufrichtig und diejenigen, die falsch waren, wahre Diener Gottes und Knechte Satans, wahre Apostel und falsche Apostel. Damit würde er sie vertraut machen. „Verführer“ ist von einem Verb mit der Bedeutung umherwandern bzw. -ziehen, irreleiten und in die Irre führen abgeleitet. Verführer sind Betrüger und Schwindler. Sie sind „in die Welt ausgezogen“ (Menge; ‚ausgingen‘, Aorist), so wie Schädlinge ausschwärmen, denn falsche Lehrer suchen die Heiligen plötzlich heim. „Die Bedeutung besteht vielleicht darin, daß so, wie die Apostel zur Verkündigung in die Welt hinausgesandt wurden, diese falschen Lehrer ausgezogen waren, um als Abgesandte des Teufels als dem Vater der Lüge Lügen zu lehren“ (Stott). „Diesen Menschen reicht es nicht, selbst verführt zu werden – sie können nicht ruhen, bis sie andere verführt haben … Sie kümmern sich nicht um Heiden, sondern suchen wahre Christen als ihre Beute“ (Lenski). Einige davon mögen zum Haus dieser Herrin gekommen sein (vielleicht war sie im Ort als „gastfrei“ bekannt; vgl. Tit 1,8), indem sie als Diener Gottes Nahrung und Unterkunft suchten. Daher muß sie vor ihnen gewarnt werden. Doch wie sollte sie diese herausfinden? Sie würden sich nicht mit den Worten vorstellen: „Ich bin ein Diener Satans und mit der Aufgabe unterwegs, die Heiligen zu verführen.“ Sie sind Betrüger: „Denn solche sind falsche Apostel, betrügerische Arbeiter, welche die Gestalt von Aposteln Christi annehmen. Und kein Wunder, denn der Satan selbst nimmt die Gestalt eines Engels des Lichts an; es ist daher nichts Großes, wenn auch seine Diener die Gestalt als Diener der Gerechtigkeit annehmen, deren Ende nach ihren Werken sein wird“ (2Kor 11,13-15). Waren diese Menschen nicht diejenigen, die „sich in die Häuser schleichen und Weiblein gefangen nehmen“ (2Tim 3,6)? Wie wird sie die wahren unter den falschen ausfindig machen? Der Geist Gottes belehrt sie, in erster Linie nicht darauf zu hören, was sie sagen, sondern darauf, was sie nicht sagen: „die nicht … bekennen“. Hören wir darauf, was diese Verführer nicht bekennen. „Nicht … bekennen“ bedeutet in Wirklichkeit verleugnen (1Jo 2,22).

Eine Glaubensaussage
Beachten wir diese Aussage (Luther ’56): „die nicht bekennen, daß Jesus Christus im Fleisch gekommen ist“ (kommend; Elberf. Konkordante). Sie sollte dem besondere Beachtung schenken, was sie bei diesen entscheidenden Themen nicht sagten:
„Jesus“ Sein Menschsein, Sein Retterdienst: Glaubten sie, daß Er wahrer Mensch war? Glaubten sie, daß er der Sohn Josephs durch natürliche Zeugung war?
„Christus“ Seine Gottheit, Seine Messianität (als der Gesalbte Gottes): Was bekannten sie in Bezug auf Jesus Christus? Cerinth und seine Anhänger lehrten, daß Jesus ein gewöhnlicher Mensch gewesen und seine Herkunft menschlich sei und daß der Christus bei Seiner Taufe aufgrund Seiner Frömmigkeit auf Ihn herabkam und Ihn in Gethsemane verließ. Aber Jesus Christus war nicht der Jesus, dem der Christus übergestülpt wurde (Dualismus), sondern eine Person, absolute Gottheit und vollkommenes Menschsein von Geburt an. „kommend“ beinhaltet zwangsläufig Seine Präexistenz vor und außerhalb dieser unserer Welt: „Ich bin von dem Vater ausgegangen und bin in die Welt gekommen; wiederum verlasse ich die Welt und gehe zum Vater“ (Joh 16,28).
Das Präsenspartizip ( erchomenon, „kommend“) kann sich auf Sein zukünftiges Kommen bei der Entrückung der Seinen oder auf Seine Erscheinung beziehen, wenn jedes Auge Ihn sehen wird. Es ist offensichtlich, daß Er bei der Entrückung einen wirklichen Leib haben wird, denn unser Körper wird in Seinen Herrlichkeitsleib umgestaltet werden. Und bei Seiner Erscheinung (nach der Trübsal) werden Seine Füße auf dem Ölberg stehen (Sach 14,4). Nun besitzt Er einen wirklichen Leib, womit ein wahrer Mensch den reinen Thron Gottes eingenommen hat. In der Gegenwart gilt: „In ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig“ (Kol 2,9). Er nahm bei der Menschwerdung einen wirklichen Leib an: „Es war das Wohlgefallen der ganzen Fülle, in ihm zu wohnen“ (Kol 1,19). Daher umfaßt der Ausdruck die Tatsache Seines Kommens, Erdenlebens und der Wiederkunft. „In den Briefen geht es um die Bekräftigung, daß Er beim ersten Mal im Fleisch kam, wobei hier mit ziemlicher Sicherheit an das zweite (Kommen) gedacht ist. In diesem Fall ist das Präsens (kommend) ‚vollkommen zeitlos'“ (Alford). „Die Menschwerdung ist nicht nur ein Ereignis in der Geschichte, sondern eine bleibende Wahrheit“ (Brooke). Jesus wurde bei Seiner Taufe nicht zum Christus oder Sohn, sondern war der Christus im Fleisch. „Die beiden Naturen, die menschliche und göttliche, verbanden sich bereits bei Seiner Geburt und werden sich nie mehr trennen“ (Stott). „Euch ist heute, in Davids Stadt, ein Erretter geboren, welcher ist Christus, der Herr“ (Lk 2,11). „Darum wird auch das Heilige, das von dir geboren wird, Gottes Sohn genannt werden“ ( Lk 1,35 Luther ’56).
  Diese Menschen waren Diener Satans, Verführer ihrer Mitmenschen und Antichristen in Bezug auf den Heiland.
  Beachten wir die zur Verurteilung der falschen Lehrer benutzten Namen: Lügner (1Jo 2,22); die, welche irreführen (2,26 Menge); falsche Propheten (4,1); Verführer (2Jo 1,7); Antichristen (1Jo 2,18.22; 4,3; 2Jo 1,7). Die Häresie, wovon der 2. Johannesbrief spricht, ist mit dem in 1Jo 4,2.3 widerlegten Irrtum identisch. „Falsche Lehrer wie Cerinth wollten nicht glauben, daß der göttliche Christus tatsächlich in Menschengestalt kam“ (Burdick).

Benedikt Peters – Was die Bibel lehrt – Johannesbriefe & Judas

und DU? Glaubst du dass Jesus buchstäblich wiederkommt – oder glaubst du dass Jesus „geistig schon wiedergekommen ist“???

Schaubrote

Und nun, was ist unter deiner Hand? Gib fünf Brote in meine Hand, oder was sich vorfindet. Und der Priester antwortete David und sprach: Es ist kein gemeines Brot unter meiner Hand, sondern nur heiliges Brot ist da; wenn sich nur die Knaben der Weiber enthalten haben! Und David antwortete dem Priester und sprach zu ihm: Ja, denn Weiber sind uns versagt seit gestern und vorgestern, als ich auszog, und die Gefäße der Knaben sind heilig. Und es ist einigermaßen gemeines Brot, und das um so mehr, als heute neues in den Gefäßen geheiligt wird.
Elberfelder 1871 – 1.Samuel 21,4–6

Und nun, was hast du bei der Hand? gib fünf Brode in meine Hand, oder was du findest. Und der Priester antwortete David und sprach: Gemeines Brod habe ich nicht bei der Hand, sondern nur heiliges Brod ist da. Wenn nur die Knaben sich von Weibern enthalten haben! Und David antwortete dem Priester, und sprach zu ihm: Allerdings! die Weiber sind uns vorenthalten schon seit gestern, und ehegestern, als ich wegging, und die Geräthe der Knaben waren heilig; sollte aber der Weg auch unheilig seyn, so wird er doch heute geheiliget durch die Geräthe.
van Ess 1858 – 1.Samuel 21,3–5

Und nun, wenn du fünf Brote zur Hand hast, dann gib in meine Hand, was sich findet. Und der Priester antwortete David und sprach: Ich habe keine gewöhnlichen Brote zur Hand, sondern nur geweihte Brote. Wenn sich die jungen Leute vor Frauen in Acht genommen haben, kann gegessen werden. Und David antwortete dem Priester und sprach zu ihm: Von einer Frau haben wir uns gestern und vorgestern ferngehalten. Als ich mich auf den Weg machte, wurden alle jungen Leute geheiligt – und dabei ist dies eine gewöhnliche Reise –, weil er (der Weg) wegen meiner Geräte ( – Unklar ist, ob der Sack, in den die geweihten Brote kommen, oder die Waffen gemeint sind; vgl. aber V.9. Oder das Wort ist als Umschreibung für die Enthaltsamkeit Davids zu verstehen. – ) geheiligt werden wird
Septuaginta Deutsch – 1.Könige 21:3-6

Und nun, was hast du zur Hand? Fünf Brote gib mir oder was sich findet.» Da antwortete der Priester Dawid und sprach: «Es ist kein ungeheiligtes Brot zu meiner Verfügung, sondern nur geheiligtes Brot vorhanden, wenn sich die Burschen nur des Weibs enthalten haben.»  Und Dawid antwortete dem Priester und sagte ihm: «Wo doch ein Weib uns verwehrt ist seit gestern und ehegestern, da ich auszog und die Geräte der Burschen geheiligt waren!» – Das war aber unheiliger Weg, geschweige, daß jenes jetzt geheiligt bliebe im Gerät. –
Neftali-Herz-Tur-Sinai – 1.Samuel 21:4–6

Schaubrot. Das S. (im Grundtext steht immer die Einzahl, während Luther, der griech. Übers. folgend, die Mehrzahl setzt), wörtlich „Brot des Angesichts“, bestand aus zwölf fingerdicken Kuchen (challoth) aus feinem Weizenmehl nach der Zahl der Stämme Israels; zu jedem Kuchen wurden 2/10 Epha Mehl genommen. Nach der Überlieferung waren dieselben ungesäuert. Leviten vom Geschlecht Kahaths waren nach 1 Chr. 9, 32 mit der Zubereitung derselben beauftragt. Die Kuchen wurden an jedem Sabbat frisch u. noch warm auf den Schaubrottisch gelegt in zwei Schichten, je sechs aufeinander, 3 Mo. 24, 5–9; 1 Sa. 21, 7. Die abgenommenen Brote fielen den Priestern zu und mußten als etwas Hochheiliges von diesen allein — mit Ausschluß der weibl. Familienglieder an heiliger Stätte, d. h. irgendwo im Vorhof, verzehrt werden, 3 Mo. 24, 9; 6, 9. Daß der Priester Ahimelech in Nob die abgetragenen Brote David und seinen Begleitern gab, war durch die Not gerechtfertigt, 1 Sa. 21, 2–7, vgl. Mt. 12, 4; Lu. 6, 4. Oben auf die S. mußte Weihrauch gelegt werden, der nach dem Abnehmen der Brote auf dem Räucheraltar verbrannt wurde als „Gedenkteil“, 3 Mo. 24, 7. Die S. sind anzusehen als eine Darbringung des Volkes an Jahveh. Sie heißen „Brot des Angesichts“, weil sie vor Gottes Angesicht gelegt wurden zum Zeichen, daß Israel sein täglich Brot ganz der Güte seines Gottes verdanke. Weil in den S. die tägliche Nahrung durch Danksagung geweiht wurde, mußten sie beständig aufliegen und heißen deshalb 4 Mo. 4, 7 Brot der Beständigkeit. Der Gedanke, daß hier Jahveh eine Mahlzeit vorgesetzt werde, ist als durchaus heidnische Vorstellung (Jes. 65, 11; Jer. 7, 18; 44, 17 ff.) ferne zu halten.

Calwer Bibellexikon

Der Tisch mit zwei Ellen Länge und einer Elle Breite sollte aus Akazienholz (wie die Lade, V. 10 ) gemacht, mit Gold überzogen und mit goldüberzogenen Stangen in der selben Weise wie die Lade getragen werden. Eine Leiste von einer Handbreit Höhe um die Ecken des Tisches sollte die Dinge auf dem Tisch vor dem Herabfallen bewahren. Auf dem Tisch, der an der Nordseite des Heiligtums aufgestellt werden sollte ( 2Mo 26,35; 40,22 ), sollten 12 Brotlaibe in zwei Reihen zu je 6 aufgestellt und an jedem Sabbat ersetzt werden ( 3Mo 24,5-9 ). Auf dem Tisch sollten auch goldene Schüsseln (vielleicht um die Brotlaibe zu tragen) und Schalen, Kannen und Becher für Trankopfer aufgestellt werden. Die Brote wurden Brote des Angesichts ( Schaubrote ) genannt, weil sie in der Gegenwart Gottes ( vor mir ) lagen. Dieser Tisch mit seinen 12 Brotlaiben, die möglicherweise die 12 Stämme Israels darstellten, war ein Bild für die Gemeinschaft Gottes mit seinem Volk. Wenn die Priester die Brote aßen ( 3Mo 24,9 ), wurde damit deutlich, daß geistliche Gemeinschaft das geistliches Leben stärkte.


Das Brot auf dem goldenen Tisch vor dem Herrn wurde »Schaubrot« oder »Brot der Gegenwart« (Gottes) ( 2Mo 25,30 ) genannt. Dieser Abschnitt ergänzt die Anweisungen in 2Mo 25,23-30 (vgl. 2Mo 37,10-16 ), die wenig über das Brot selbst aussagen. Das Brot bestand aus 12 Laib Brot, die nach der Menge Mehl ( 3Mo 24,5 ) zu urteilen sehr groß gewesen sein müssen und in zwei Reihen auf den Tisch gelegt wurden. Neben die Brote wurde Weihrauch auf den Tisch gelegt, das an jedem Sabbat, wenn die Brote erneuert wurden und die Priester die Brote als ihren Anteil erhielten, auf dem Altar als Gedenkopfer (Erinnerungsanteil) verbrannt wurde.


Hungrig von seiner Flucht, bat David den Priester um Brot (V. 4 ). Der Priester antwortete, daß es dort kein normales Brot gäbe (V. 5 ), sondern nur das heilige Schaubrot ( 2Mo 25,30 ), das entweiht worden wäre, wenn man es durch frisches Brot ersetzt hätte ( 1Sam 21,7; vgl. 3Mo 24,5-9 ). Dies konnte gegessen werden, wie Jesus später erklärte ( Mt 12,3-4 ), aber normalerweise nur von den Priestern, und sicherlich nur von solchen, die kultisch rein waren ( 1Sam 21,3-6; 3Mo 15,18 ). Daß David diese Brote gegessen hat, illustriert ein Zugeständnis, das das Gesetz erlaubte – Leben ist heiliger als Brot ( Mt 12,7-8 ).

Walvoord Bibelkommentar

War es nicht ein ernstes Vergehen, als David das Schaubrot oder das heilige Brot aus dem Heiligtum nahm, um seinen Hunger zu stillen?
Um Licht über diese Frage zu erhalten, ist es nötig, verschiedene Berichte zu betrachten. Erstens einmal den Befehl über das Brot selbst: „Du sollst Feinmehl nehmen und daraus zwölf Kuchen backen: Von zwei Zehnteln soll ein Kuchen sein. Und du sollst sie in zwei Schichten legen, sechs in eine Schicht, auf den reinen Tisch vor Jehova. Und du sollst auf jede Schicht reinen Weihrauch legen, und er soll dem Brote zum Gedächtnis [ein Gedächtnisbrot, Darby, engl.] sein, ein Feueropfer dem Jehova. Sabbattag für Sabbattag soll er es beständig vor Jehova zurichten: ein ewiger Bund von seiten der Kinder Israel. Und es soll Aaron und seinen Söhnen gehören, und sie sollen es essen an heiligem Orte.“ — 3. Mose 24:5-9.
Nun zum Geschichtsbericht, der die Grundlage zur Frage bildet: „David kam nach Nob, zu Ahimelech, dem Priester. Und Ahimelech kam David ängstlich entgegen und sprach zu ihm: Warum bist du allein, und niemand ist bei dir? Und David sprach zu dem Priester Ahimelech: Der König hat mir eine Sache geboten; und er sprach zu mir: Niemand soll irgendwie um die Sache wissen, in der ich dich sende, und die ich dir geboten habe! und die Knaben [jungen Männer, Darby, engl.] habe ich an den und den Ort beschieden. Und nun, was ist unter deiner Hand? Gib fünf Brote in meine Hand, oder was sich vorfindet. Und der Priester antwortete David und sprach: Es ist kein gemeines Brot unter meiner Hand, sondern nur heiliges Brot ist da; wenn sich nur die Knaben der Weiber enthalten haben! Und David antwortete dem Priester und sprach zu ihm: Ja, denn Weiber sind uns versagt seit gestern und vorgestern, als ich auszog, und die Gefäße der Knaben sind heilig. Und es ist einigermaßen gemeines Brot, und das um so mehr, als heute neues in den Gefäßen geheiligt wird. Da gab ihm der Priester heiliges Brot; denn es war daselbst kein anderes Brot, als nur das Schaubrot, das vor Jehova weggenommen worden war, um warmes Brot aufzulegen am Tage seiner Wegnahme. — 1 Samuel 21:1-6.
Aus diesen zwei Zitaten ersehen wir, daß das Brot am Sabbattage gewechselt, also das alte Brot durch das frischgebackene, warme Brot ersetzt werden mußte, und da David, als er nach Nob kam und mit dem Hohenpriester Ahimelech redete, die Aufmerksamkeit auf die Tatsache lenkte, daß das Brot an jenem Tage gewechselt werde, muß es ein Sabbattag gewesen sein, als David diese Unterredung hatte und an Ahimelech diese Bitte stellte. Jesus zog aus diesem Verhalten Davids einen interessanten Schluß, wie wir dies in Matthäus 12:1-4, NW aufgezeichnet finden: „Zu jener Zeit ging Jesus am Sabbat durch die Getreidefelder. Seine Jünger wurden hungrig und fingen an, Ähren abzupflücken und zu essen. Als aber die Pharisäer es sahen, sprachen sie zu ihm: ‚Siehe! deine Jünger tun, was am Sabbat zu tun nicht erlaubt ist.‘ Er sprach zu ihnen: ‚Habt ihr nicht gelesen, was David tat, als er und die Männer bei ihm hungrig wurden? wie er in das Haus Gottes ging und wie sie die Brote der Darbringung aßen, Speise, die ihm zu essen nicht erlaubt war, noch denen bei ihm, sondern nur den Priestern?‘ “ In diesen und den nachfolgenden Versen lenkte Jesus die Aufmerksamkeit auf Taten der Barmherzigkeit am Sabbattage, wonach es absolut erlaubt war, einem Bedürftigen auch am Sabbattage Barmherzigkeit zu erweisen, und daß in der Tat eine solche Handlungsweise keine Verletzung des Sabbats bedeutet. Jesus rügte Davids Verhalten nicht.
Während andere Übersetzungen der Bibel die Stelle etwas anders wiedergeben, zeigt jene, die wir zum Zitieren des Textes aus 1. Samuel 21:5 angeführt haben, daß David den Ahimelech daran erinnerte, daß das fragliche Brot „einigermaßen gemein“ sei. Hiermit stimmen die Übersetzungen in der King-James- und Rotherham-Bibel überein, indem die letztere den Vers wie folgt wiedergibt: „Das Brot selbst ist gewissermaßen gewöhnlich, und dies um so mehr, da von heute an andere Brotlaibe im Gefäß geheiligt werden müssen.“ In welcher Weise gewöhnlich? War es nicht Jehova Gott geweiht und im Heiligen der Stiftshütte auf den Tisch gelegt worden? Jawohl. Doch sieht man, daß dieses besondere Brot, womit David und seine Männer gespeist wurden, Brot war, das durch frischgebackenes Brot ersetzt wurde, und es wurde aus dem Heiligtum weggenommen, nicht nur um Davids Hunger zu stillen, sondern auch, weil es Sabbattag, also die rechte Zeit war, da es auf die Seite getan, hinausgenommen werden mußte, um eine neue Reihe frischer Brote auf den heiligen Tisch zu stellen. So war denn dieses weggenommene Brot nun zum Gebrauch außerhalb des Heiligen der Stiftshütte verfügbar und war, von diesem Standpunkte aus gesehen, in einem gewissen Sinne „gewöhnliches“ Brot.

Dasselbe kann gesagt werden über die Angelegenheit, die Paulus in 1. Korinther 8:1-13 und 10:25-30 bespricht, wenn Christen auf den Fleischmarkt, in Fleischerläden, Metzgereien oder Wirtschaften gingen, die mit den heidnischen Tempeln von jener Zeit verbunden waren, und dort Fleisch aßen, das Dämonen oder Götzen geweiht worden war. Ein Teil jenes Opfers wurde dem Götzen gegeben, wurde auf dem Altar geopfert, und dann blieb etwas Fleisch übrig, das Metzgereien oder Wirtschaften übergeben wurde; solches diente den Leuten als gewöhnliches Fleisch, und Christen hatten das Recht, dort hinzugehen und von diesem Fleische zu essen. Es hatte seine geheiligte Bedeutung nun, da es im Fleischerladen oder in der Wirtschaft lag, verloren. Es war gewöhnliches Fleisch geworden, obwohl einige Christen, wie Paulus es sagte, in ihrem Gewissen schwach waren und dachten, es sei immer noch geweihtes Fleisch.
Dasselbe ist zu sagen von dem Brote, das ersetzt und aus dem Heiligtum herausgenommen worden war. Es war, wie David sagte, gewissermaßen gewöhnliches Brot, und darum konnte es gebraucht werden. Allerdings sollte es gewöhnlich nur von den Priestern verwendet werden, aber unter außergewöhnlichen Umständen durfte es anscheinend für einen Akt der Barmherzigkeit benutzt werden, wie dies der Fall war bei David, denn Jesus weist laut Matthäus 12:1-4 in seinen Worten über Davids Verhalten auf dies hin. Ferner wurde Jehova durch diese Tat nicht beraubt. Wenn Ahimelech in das Heilige gegangen wäre und das frische Brot genommen hätte (das eine ganze Woche dort bleiben mußte), um es zur Speisung Davids und seiner Männer zu verwenden, so wäre das eine Sünde gegen die Anweisung bezüglich des Brotes gewesen; nun aber war es gemäß dem gewohnten Gang der Dinge weggenommen worden, und so bedeutete diese Handlung keine Beraubung Jehova

Fragen von Lesern aus Der Wachtturm 1.August 1956

Das Volk sollte nicht nur das reine Olivenöl für die Lampe bringen, sondern auch das feine Mehl, aus dem jede Woche zwölf Brote gebacken wurden. Diese wurden an jedem Sabbat auf den goldenen Tisch gelegt, und das alte Brot wurde den Priestern zum Essen gegeben.
Die Größe dieser Brote ist uns ein Rätsel, denn der Text gibt das im Rezept verwendete Maß nicht an. Im Hebräischen heißt es einfach „von zwei Zehnteln soll es sein“, aber zwei Zehntel von was? In der NIV heißt es „mit zwei Zehntel eines Epha“, was etwa vier Quarts Mehl entsprechen würde, aber das Wort „Epha“ steht nicht im hebräischen Text. So viel Mehl würde einen sehr großen Laib ergeben, und es ist zweifelhaft, dass zwölf große Brote alle auf den Tisch passen würden. Es ist wahrscheinlich, dass die Brote übereinander gestapelt wurden, so dass zwei Stapel von sechs Broten entstanden, mit einem kleinen Behälter mit Weihrauch oben auf jedem Stapel.
Diese Brote wurden wie ein „Speiseopfer“ behandelt, einschließlich des Weihrauchs (2:1-11). Am Sabbat, wenn die Brote ausgetauscht wurden, nahm der Priester eine „Gedenkportion“ von einem Brot, fügte den Weihrauch hinzu und verbrannte sie auf dem Altar zusammen mit dem täglichen Brandopfer. Die Priester konnten dann die alten Brote essen, aber sie mussten es an heiliger Stätte tun (24:9).
Was symbolisierte dies? Nur die Priester (der Stamm Levi) durften das Heiligtum betreten, aber die anderen Stämme wurden dort auf zweierlei Weise repräsentiert: durch die Juwelen am Gewand des Hohenpriesters (Ex 28,6-21) und durch die zwölf Brote auf dem Tisch. Der Tisch wurde „Tisch der Schaubrote“ genannt (Num 4,7), und die Brote hießen „Schaubrote“ (Ex 25,30), was mit „Brot der Gegenwart“ übersetzt werden kann. Gott war mit seinem Volk gegenwärtig, und sie waren in der Stiftshütte in seiner Gegenwart. Egal, wo die Juden im Lager waren, mussten sie sich daran erinnern, dass ihr Stamm im Heiligtum auf dem goldenen Tisch vertreten war. Die neutestamentliche Anwendung wäre Kolosser 3,1ff.
Aus der Sicht des Priesters erinnerten die Brote ihn daran, dass sein Dienst für echte Menschen bestimmt war. Da die Priester Tag für Tag in der Stiftshütte in gewisser Weise isoliert waren, konnten sie leicht den Kontakt zu den Menschen verlieren, die sie vor Gott vertraten. Das Öl aus dem Volk speiste die Lampe, die den Priestern Licht spendete, und das Brot, das sie jeden Sabbat aßen, stammte aus dem Mehl, das das Volk gespendet hatte. Die zwölf Brote erinnerten die Priester daran, dass alle Stämme vor Gott vertreten waren und zu seinem Volk gehörten. All dies hätte die Priester dazu veranlassen sollen, die Stämme mehr zu schätzen und ihnen in bester Weise zu dienen.
Wenn es nur ein Brot gäbe, könnte man es als Typus für Jesus Christus, das Brot des Lebens, betrachten (Johannes 6,35), aber in Johannes 6 ist von Manna die Rede und nicht von den Broten in der Stiftshütte. Auch Matthäus 6,11 kommt mir in den Sinn: „Unser tägliches Brot gib uns heute.“ Ob wir nun geistliches Brot für unser Inneres oder physisches Brot für unseren Körper brauchen, wir müssen uns allein an Gott wenden.
Wir erwarten, dass wir im Heiligtum Öl und Weihrauch finden, aber kein Brot. Schließlich ist Brot eine gewöhnliche Speise. Aber die Anwesenheit von Brot in der Stiftshütte versichert uns, dass Gott sich um die praktischen Dinge unseres Lebens kümmert und dass es so etwas wie „weltlich“ und „heilig“ im christlichen Leben nicht gibt. Es war dieses „Gegenwartsbrot“, das David und seine Männer aßen, als David auf der Flucht vor Saul war (1. Sam. 21,1-6; siehe Mt. 12,1-4)

Warren W. Wiersbe – Sei Commentary

Die Stiftshütte des Herrn befand sich zu jener Zeit in Nob, wahrscheinlich dem Ort, der heute einen Namen trägt, den einige als „das Dorf Esaus“ (oder Edom) wiedergeben und der uns an seine verhängnisvolle Berühmtheit im Zusammenhang mit Doeg, dem Edomiter, erinnert. Das Dorf liegt an der Straße vom Norden nach Jerusalem – zwischen Anatot und der Heiligen Stadt und nur etwa eine Stunde nordwestlich von letzterer. Hier amtierte Ahimelech (oder Ahiah, 1 Sam. 14:3), der Urenkel Elis, als Hohepriester – ein Mann in fortgeschrittenem Alter, mit dem sein Sohn Abiathar (der später von David zum Hohepriester ernannt wurde, 1 Sam. 30:7) entweder für diesen Tag oder für immer zusammen den heiligen Dienst versah. Nob lag nur etwa eine Stunde südöstlich von Gibea des Saul. Dennoch erschien David nicht unmittelbar nach dem Abschied von Jonatan an der heiligen Stätte. Wir können leicht verstehen, dass eine Flucht auf dieser Straße bei Tag nicht zu riskieren gewesen wäre – und auch nicht innerhalb der Grenzen des Bezirks, in dem Saul residierte. Daraus schließen wir, dass David sich die ganze Nacht über versteckt hielt. Es war der Morgen eines Sabbats, als er plötzlich allein, unbewaffnet, müde und erschöpft vor Hunger vor dem Hohepriester erschien. So war er noch nie vor Ahimelech erschienen, und der Hohepriester, der zweifellos von früheren Meinungsverschiedenheiten zwischen dem König und seinem Schwiegersohn wusste, fürchtete sich vor dem, was dies bedeuten könnte. Aber David hatte eine fadenscheinige Antwort, um jede Frage zu beantworten und jeden Verdacht zu zerstreuen. Wenn er unbewaffnet gekommen und vor Hunger schwach sei, so seien die Geschäfte des Königs so dringend gewesen und hätten eine solche Geheimhaltung erfordert, dass er es vermieden habe, Proviant mitzunehmen, und nicht einmal Zeit gehabt habe, sich zu bewaffnen. Aus denselben Gründen hatte er sein Gefolge angewiesen, sich mit ihm an einem Treffpunkt zu treffen, anstatt an ihrer Spitze loszuziehen.

In Wahrheit waren Davids Bedürfnisse sehr dringend geworden. Er brauchte Nahrung, um sich zu versorgen, bis er einen sicheren Ort erreichen konnte. Denn er traute sich nicht, sich bei Tag zu zeigen und niemanden um Hilfe zu bitten. Und er brauchte eine Waffe, mit der er im äußersten Notfall sein Leben verteidigen konnte. Wir wissen, dass es der Sabbat war, denn die Schaubrote der vergangenen Woche, die an diesem Tag abgenommen wurden, mussten während ihres Verlaufs gegessen werden. Es ist ein trauriger Beweis für den Verfall des Heiligtums und des Priestertums, dass Ahimelech und Abjatar David keinen anderen Proviant für seine Reise anbieten konnten als diese Schaubrote, die nach dem Buchstaben des Gesetzes nur die Priester essen durften, und zwar innerhalb des Heiligtums (Lev. 24,9). Aber es gab das höhere Gesetz der Nächstenliebe (Lev 19,18), das mit Recht als über jeder noch so feierlichen levitischen Verordnung stehend angesehen wurde (vgl. Mt 12,5; Mk 2,25). Wenn es so war, wie David behauptete, und der königliche Auftrag so wichtig und dringlich war, konnte es nicht richtig sein, denjenigen, die damit beschäftigt waren, die notwendigen Mittel zum Lebensunterhalt zu verweigern, vorausgesetzt, sie hatten sich keine levitische Verunreinigung zugezogen, die ihnen den Zugang zur göttlichen Gegenwart verwehrt hätte (Lev. 15:18). Denn was waren die Priester anderes als die Repräsentanten Israels, das ein Königreich von Priestern sein sollte, wenn man es in seiner höheren Bedeutung betrachtet? Dieser Gedanke scheint in der Tat in der Bemerkung Davids (21,5) enthalten zu sein: „Und wenn auch die Art und Weise“ (die Verwendung) „nicht heilig ist, so wird es doch „heilig gemacht“ (werden) „durch das Werkzeug“ – was sich entweder auf ihn selbst als das göttliche Werkzeug bezieht, das eingesetzt werden soll , oder auf den „Geldbeutel“, in dem das Brot gleichsam im Auftrag Gottes transportiert werden sollte.

Alfred Edersheim – Geschichte der Bibel – altes Testament

Daher wurde das erste Argument unseres Herrn, das von allen Synoptikern aufgezeichnet wurde, der biblischen Geschichte entnommen. Auf seiner Flucht vor Saul hatte David, „als er Hunger hatte“, von den Schaubroten gegessen und sie seinen Anhängern gegeben, obwohl sie nach dem Wortlaut des levitischen Gesetzes nur von den Priestern gegessen werden durften, Die jüdische Überlieferung rechtfertigte sein Verhalten mit dem Argument, dass „Lebensgefahr über dem Sabbatgesetz“ und damit über allen damit zusammenhängenden Gesetzen stehe, während man, um Davids Eifer für das Sabbatgesetz zu zeigen, die Legende hinzufügte, dass er die Priester von Nob getadelt habe, die die Schaubrote am Sabbat gebacken hatten. Zum ersten Argument Christi fügt Matthäus als zweites hinzu, dass die Priester bei ihren Diensten im Tempel notwendigerweise das Sabbatgesetz brachen, ohne sich dadurch schuldig zu machen. Es ist merkwürdig, dass der Talmud genau diesen Punkt erörtert und zur Veranschaulichung ein Argument aus Lev. 22:10 einführt: „Kein Fremder soll von dem, was geweiht ist, essen“. Dies verkörpert natürlich den Grundsatz, der dem Verbot der Schaubrote für alle, die keine Priester sind, zugrunde liegt. Ohne weiter darauf einzugehen, zeigt die Diskussion zumindest, dass die Rabbiner sich keineswegs im Klaren darüber waren, wie die Sabbatarbeit im Tempel zu begründen ist.
In Wahrheit war der Grund, warum David tadellos die Schaubrote aß, derselbe, der die Sabbatarbeit der Priester rechtmäßig machte. Das Sabbatgesetz war nicht nur ein Gesetz der Ruhe, sondern der Ruhe zum Gottesdienst. Der Dienst des Herrn war das Ziel. Die Priester arbeiteten am Sabbat, weil dieser Dienst der Zweck des Sabbats war; und David durfte von den Schaubroten essen, nicht weil Lebensgefahr durch Verhungern bestand, sondern weil er sich darauf berief, dass er im Dienst des Herrn stand und diese Versorgung brauchte. Die Jünger, die dem Herrn folgten, waren in ähnlicher Weise im Dienst des Herrn; ihm zu dienen war mehr als der Dienst im Tempel, denn er war größer als der Tempel. Hätten die Pharisäer dies geglaubt, hätten sie ihr Verhalten nicht in Frage gestellt und damit auch nicht gegen das höhere Gesetz verstoßen, das Barmherzigkeit und nicht Opfer vorschreibt.

Aldred Edersheim – Das Leben und die Zeiten von Jesus dem Gesalbten}

David und die Schaubrote
Erstens berief er sich auf den Bericht von Davids Handlungen in 1.Samuel 21 und wies darauf hin, dass der König auch das pharisäische Gesetz verletzte, als er die Schaubrote aß (Matthäus 12,3-4; Markus 2,25-26; Lukas 6,3-4). Mose sagte nie, dass ein Levit einem Nicht-Leviten die Schaubrote nicht geben dürfe. Das pharisäische Gesetz sagte das jedoch. Im Fall der Pharisäer konnten sie nicht behaupten, dass David vor dem mündlichen Gesetz lebte, denn nach ihrer Theologie gab Gott dieses Gesetz Mose; deshalb ging es der Zeit Davids voraus. David selbst brach also das pharisäische Gesetz, doch die Rabbiner verurteilten den König nie. Wenn er das pharisäische Gesetz brechen konnte, konnte das auch sein Nachkomme, der größer ist als er.

Arnold Fruchtenbaum – Jeschua – Das Leben des Messias aus einer messianisch-jüdischen Perspektive

welcher Wochentag?

Da gab ihm der Priester heiliges Brot; denn es war daselbst kein anderes Brot, als nur das Schaubrot, das vor Jehova weggenommen worden war, um warmes Brot aufzulegen am Tage seiner Wegnahme.
Elberfelder 1871 – 1. Samuel 21,7

Der Priester reichte ihm Dargeheiligtes,
denn Brot war dort nicht, durchaus nur das Brot der Innensicht, das eben von vor SEINEM Angesicht entfernt worden war, um warmes Brot am Tag seiner Fortnahme hinzulegen.
Buber & Rosenzweig – 1. Samuel 21:7

Weil kein anderes Brot zur Verfügung stand, gab der Priester ihm das heilige Brot. Diese Schaubrote, die dem Herrn im Heiligtum geweiht wurden, waren gerade an diesem Tag durch frisches Brot ersetzt worden.
Neues Leben – Bibel 2006 – 1.Samuel 21,7

Der Priester war einverstanden und rückte die besonderen Brote raus. Es handelte sich dabei um die Ration, die gerade von dem Tisch für die besonderen Brote weggeräumt wurde, um frisches Brot nachzulegen.
VolxBibel – 1.Samuel 21:7

Bei der Vorbereitung für den Aktivgottesdienst, bin ich immer wieder erstaunt, wie wenig ich nach fast 50 Jahren Bibellesen wirklich aus der Bibel kenne – aber auch, in welch falsche Richtung so mancher Kommentar die Leser führt.
Wenn ich also Kommentare zu 1.Samuel 21 lese, dann wird die Frage in den meisten Kommentaren diskutiert, ob David gelogen hat, ob David wirklich von diesem heiligen Brot essen durfte und warum er dann in „Feindesland“ weglief und damit angeblich das „verheißene Land“ verließ.
Aber fangen wir mit dem Wochentag an. Die anderen Fragen werd ich in den nächsten Tagen aufgreifen.

Also an welchem Wochentag befinden wir uns? WAS steht in DEINER Bibel?

Es ist schwierig, die Geschichte der Stiftshütte nach dem Raub der Bundeslade 1104 v. Chr. auszumachen. Die Bundeslade selbst blieb seit dieser Zeit in Kirjat-Jearim ( 1Sam 7,2; 2Sam 6,3-4 ), aber die Stiftshütte wird nicht erwähnt bzw. werden nur Andeutungen darüber gemacht, bis 1Sam 21 ,wo vorausgesetzt wird, daß die Stiftshütte in Nob, der Stadt der Priester, war, wohin David floh, als er sich endgültig von Saul getrennt hatte. Gerade so wie David mit Samuel früher die heilige Stätte in Rama aufgesucht hatte ( 1Sam 19,18 ), zog er jetzt los, um die heilige Stätte bei Ahimelech (auch als Ahia bekannt), dem Priester in Nob ( 1Sam 21,2 ), auf halber Strecke zwischen Jerusalem und Gibea zu finden. Hungrig von seiner Flucht, bat David den Priester um Brot (V. 4 ). Der Priester antwortete, daß es dort kein normales Brot gäbe (V. 5 ), sondern nur das heilige Schaubrot ( 2Mo 25,30 ), das entweiht worden wäre, wenn man es durch frisches Brot ersetzt hätte ( 1Sam 21,7; vgl. 3Mo 24,5-9 ). Dies konnte gegessen werden, wie Jesus später erklärte ( Mt 12,3-4 ), aber normalerweise nur von den Priestern, und sicherlich nur von solchen, die kultisch rein waren ( 1Sam 21,3-6; 3Mo 15,18 ). Daß David diese Brote gegessen hat, illustriert ein Zugeständnis, das das Gesetz erlaubte – Leben ist heiliger als Brot ( Mt 12,7-8 ).

Walvoord Bibelkommentar

Heiliges Brot. Siehe den Kommentar zu Vers 4. Dieses Brot wird auch das Brot der Gegenwart genannt, wörtlich „das Brot des Antlitzes“, d.h. das Brot, das vor das Antlitz Gottes gestellt wurde. Jeden Sabbat wurde frisches Brot auf den Tisch gelegt (siehe Lev 24:5-9). In englischen Übersetzungen wird dies oft mit „Brot der Gegenwart“ (RSV, NRSV, REB, NIV) oder „shewbread“ (KJV, NAB) übersetzt. Andere Übersetzungen sind „das Brot der Zurschaustellung“ (NJPS), „die Brote der ständigen Zurschaustellung“ (NJB) und „das Brot der Opfergabe“ (TOB). Wenn es nicht als etwas anderes als das heilige Brot angesehen wird, sollte hier derselbe Begriff verwendet werden, mit dem dieser Ausdruck auch an anderen Stellen im hebräischen Text (z. B. Exo 25:30; 35:13; Num 4:7; 1 Kön 7:48) und im Neuen Testament (Markus 2:26) übersetzt wird.

Obwohl der Wortlaut des Hebräischen etwas zweideutig ist, scheint es wahrscheinlich, dass es sich bei dem Brot, das David gegeben wurde, nicht um das Brot handelte, das zu diesem Zeitpunkt auf dem Tisch lag, wie RSV vermuten lässt, sondern um das Brot, das vor kurzem entfernt und durch frisches Brot ersetzt worden war, wie es das Gesetz vorschrieb (so TEV; REB und NAB sind ähnlich zu TEV). Die passive Formulierung ist entfernt (TEV „war entfernt worden“) kann aktiv wiedergegeben werden, indem man sagt „die die Priester entfernt hatten“ oder etwas Ähnliches. Das Partizip im MT, das mit „die entfernt wurden“ übersetzt wird, ist der Plural. In einem hebräischen Manuskript aus Qumran steht dieses Partizip jedoch im Singular, und der Singular scheint grammatikalisch besser mit dem Wort Brot übereinzustimmen, das im Hebräischen Singular ist. CTAT bewertet den Plural des MT jedoch mit {B} und merkt an, dass das Wort Brot in seiner Bedeutung Plural ist.

Roger L. Omanson – Ein Handbuch zum ersten Buch Samuel

Das wurde vor dem Herrn weggenommen, um warmes Brot in den Tag zu legen, an dem es weggenommen wurde – Das wurde jeden Sabbat getan (Lev. 24:8, 9), und es ist daher wahrscheinlich, dass dieser Vorfall in Davids Leben am Sabbat stattfand. Unter dieser Annahme hat die Berufung unseres Herrn auf diese Begebenheit als Rechtfertigung dafür, dass er die Ähren am Sabbat rupfte, doppelte Kraft. Siehe Matthäus 12,1-4. Kitto bemerkt: „Da es nicht erlaubt war, am Sabbat zu reisen, scheint es uns, dass er, als er sah, dass es für ihn nicht sicher war, in Gibea zu bleiben, und dass die kurze Zeit, die ihm bis zum Beginn des Sabbats blieb, eine weitere Reise ausschließen würde, beschloss, nach Nob zu gehen, um dort in Sicherheit zu sein, bis das Ende des heiligen Tages es ihm ermöglichen würde, seine Reise fortzusetzen.“

D.Steele – Kommentar das alte Testament

Und aufgefallen? Das Kapitel 21 von 1.Samuel spielt also an einem Sabbat! Wenn wir also die ganze Geschichte auf diesen Wochentag sehen, dann verstehen wir, was Jesus in seinem „Streit“ nur andeutet – nämlich das David eben die erweiterten Sabbath-Gebote auch nicht einhielt….