Da meine Frau mal wieder Einladungen verschickt, um bibelinteressierte Menschen zu motivieren, mit uns die Bibel in einem Jahr zu lesen – hier einmal die Geschichte zitiert von Johannes Hartl.
(Der Bibelleseplan ist übrigens: einmal im Jahr die Bibel lesen – und zwar in chronologischer Reihenfolge)
Dann – wie gehst du am besten überhaupt mit der Schrift um? Das wichtigste Auslegungsprinzip für die Bibel ist: Die Bibel legt sich selber aus. Es ist so lustig – ich sage es immer wieder, aber es hat sich noch nicht so herumgesprochen. Ich habe mit Büchern relativ viel Erfahrung. Und ich habe mit Büchern eine Sache herausgefunden, und die lautet: Sie funktionieren am besten, wenn man sie von vorne bis hinten liest. Ich habe Romane auch anders versucht. Mal in der Mitte aufgeschlagen – die letzte Seite gelesen oder die erste Seite – und dann gesagt, „So ein blöder Roman. Ergibt keinen Sinn. Versteht kein Mensch. Habe ich nicht studiert.“ Und dann habe ich etwas anderes gemacht. Dann habe ich mal bei der Seite 1 angefangen und mich dann mit der numerisch aufsteigenden Zahlenfolge, links oder rechts unten am Seitenende, empor gehangelt. Auf einmal dachte ich, „Boah, ein super Roman! Der ergibt voll Sinn!“ So.
Johannes Hartl – Lebensfragen und Herausforderungen
Bei der Bibel ist es auch so. Die Bibel ist ein gesamt zusammenhängendes Buch, weil die einzelnen Bücher ständig aufeinander Bezug nehmen. Ja, ihr lacht. Aber wir sind ja so! Wir gehen am Sonntag in den Gottesdienst, hören irgendetwas über den guten Hirten. Dann, am Montag, Losungen oder Bibelkalender. Da steht dann irgendetwas über Auszug aus Ägypten. Und am Abend liest du die Bibel und sagst: Herr, sprich zu mir! Dann schlägst du irgendwo auf – ja, und Judas ging und erhängte sich. Dann denkst du: Oh Gott! Du versuchst es nochmal: Und nun geh und handle ebenso! Dann bist du total fertig mit den Nerven. Dritter Versuch: Und sie schlachteten die Kühe von soundso und brieten sie in kleinen Töpfen. Und du denkst dir…
Versuch mal, Herr der Ringe so zu lesen! Das findest du auch blöd! So. Es gibt ein ganz einfaches, biblisches Auslegungsprinzip, und das heißt „Context is King!“ Allein der Kontext bringt dir mindestens achtzig Prozent der Probleme weg. Ich mache ein Beispiel – echt ein hartes Beispiel: Wir hatten Religionsunterricht, neuntes Schuljahr. War krasse Theorie C Problematik, weil – wie kann ein guter Gott von Abraham verlangen, in Genesis 17, dass er seinen Sohn umbringt? Einhellig – also, alle waren sich klar: Die Bibel ist echt nicht moralisch. Und historisch wahrscheinlich auch nicht. Und – ganz schlimm – kann nicht sein. Wenn du die Bibel selber lesen würdest, fändest du im Hebräerbrief eine Auslegung dieser Stelle. Das heißt, wie die Bibel selber sich versteht. Und zwar so: Wir lesen im Hebräer 10, dass Abraham von vorne herein davon ausging, dass Gott die Toten zum Leben erweckt. Das heißt, Abraham wusste, dass Gott nicht will, dass sein Sohn stirbt. Abraham wusste, dass Gott ihn nur prüft, weil er sogar die Macht hat, Tote zum Leben zu erwecken. Und die ganze Narrative ist ja, dass Isaak nicht sterben muss, sondern dass es ein Vorbild dafür ist, dass Gott, der liebende Vater, seinen Sohn aus Liebe hingibt. Das heißt, Gott tut selber das, was er von seinem Geschöpf nicht verlangt. Verstehst du?