Tag: 7. Dezember 2023

Der Mensch im Mittelpunkt ??

und wieder einer der vielen Höhepunkte bei Johannes Hartl:

Jetzt kann man sagen: „Was ist denn, wenn das alles so wichtig und so wunderbar ist, was ist denn in unserer Zeit ein Feind? Was ist etwas, das dem entgegensteht?“ Und mir scheint, selbst wenn man auf die christliche Kirche schaut, ein Wort wahr zu sein, das aus einer vergangenen Epoche stammt, nämlich aus dem Sozialismus. Ein Slogan der DDR war: „Der Mensch steht im Mittelpunkt der sozialistischen Gesellschaft.“ Der Satz „Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt“ steht bei der Krankenkasse, steht bei manchen Firmen, das sagen auch manche Kirchen. Damit ist erst mal was Schönes gemeint. Damit ist gemeint: Wir kümmern uns um den Einzelnen. Das ist gut. Man muss niemanden verurteilen, der so einen Satz sagt. Und er ist doch zutiefst falsch, weil wir Menschen nicht dafür gemacht sind, nur um Menschen zu kreisen, so wie das Auge nicht dafür gemacht ist, immer Augen anzuschauen. Wenn mein Auge offen ist, dann sieht mein Auge nicht Auge, sondern mein Auge sieht Stuhl, Mensch, Wand. Das heißt, das Auge ist nicht bei sich selbst. Das Auge ist dann gesund, wenn es sich gar nicht selbst sieht, sondern es ist offen für das, was da ist. Wenn das Auge sich selbst sieht, würde ich sagen: „Oh, ich sehe mein Auge gerade.“ Wenn du dein Auge siehst, dann hast du einen grünen Star. Oder eine Trübung in der Linse. Dann siehst du dein Auge. Und dann ist dein Auge mit dir selbst beschäftigt und du denkst: „Was ist denn mit meinem Auge schon wieder los?“ Wenn der Mensch sich die ganze Zeit mit Menschen beschäftigt, verliert er seine Pointe.

Der Mensch ist geschaffen auf ein Du hin. Das trifft schon auf Menschen zu. Menschen sind dann gesund, wenn sie nicht nur an sich denken. Ehepaare sind dann gesund, wenn nicht die erste Frage die ist: Wie kriege ich alles, was ich brauche? Sondern die: Wie kann ich den anderen beschenken? Wenn beide das im Sinne haben, wird ein Paar gesund. Ein menschliches Leben wird gesund, wenn ich nicht nur schaue: „Wie bekomme ich meins, wie werde ich glücklich?“ Sondern wenn ich die Frage stelle: „Wie kann ich mich geben?“ So sagt Jesus: „Wer versucht, sein Leben zu retten, der verliert es. Wer sein Leben hingibt, wird es gewinnen.“ Wie das Auge dafür gemacht ist, sich hinzugeben für diese Farben, die da daherkommen.

Und ich möchte es so deutlich sagen, eine Kirche, die um Menschen kreist, wird keine Kraft haben und geht an der Mitte vorbei. Eine alte Geschichte, die ich schon oft erzählt habe und die einfach wahr ist: Treffen sich zwei nach dem Gottesdienst, nach dem Lobpreis, unterhalten sich, wie es ihnen gefallen hat, gehen zum Lobpreisleiter und sagen: „Das neue Lied hat mir nicht gefallen. So viele englische Lieder. Die haben mir nicht gefallen.“ Oder in der Kirche: „Heute der Organist, heute mit dem Chor, das hat mir nicht gefallen. Das Lied, das du heute gesungen hast, das hat mir nicht gefallen.“ Weißt du, was der Lobpreisleiter antworten sollte? „Ach, dir hat das Lied nicht gefallen? Ist nicht so schlimm. Wir haben es gar nicht zu dir gesungen.“ Es ist so. Wir stellen die Frage: „Was können wir tun, dass unser Gottesdienst ansprechend ist für die Leute, die kommen? Was können wir tun, das ansprechend für die jungen Familien ist? Was können wir tun, das ansprechend für die alten und auch für die neuen Leute ist?“ Die Fragen sind gut. Aber es gibt eine Frage, die bedeutend wichtiger ist. Und das ist: „Was können wir tun, dass sich Gott in unserem Gottesdienst wohlfühlt?“

Gott im Mittelpunkt

Das ist die wirklich entscheidende und wichtige Sache. Die Kirche ist die Versammlung des Herrn. Gottesdienst ist der Dienst an Gott. Das ist die Mitte von unserem christlichen Glauben. Es ist nicht, dass wir Menschen bespaßen. Ich kann es nicht anders bezeichnen. Der Mensch steht im Mittelpunkt, das ist der Feind der Furcht des Herrn. Ich nenne diesen Feind Anthropozentrik. Ich übersetze das kurz. Zentrik heißt, dass etwas im Mittelpunkt steht. Anthropos ist der Mensch. Der Feind, dass der Mensch im Mittelpunkt steht, zieht sich überall durch. Ich kann gar nicht aufzählen, wie viele theologische Irrtümer einfach nur von dem kommen, wenn wir nur vom Menschen her denken. Wie kann ein guter und gerechter Gott zulassen, dass Menschen verlorengehen? Wenn du erstmal das Dogma setzt, dass es alles nur aus menschlicher Perspektive Sinn machen muss und es nur um Menschen geht, dann macht all sowas nicht mehr Sinn. Aber es ist verkehrtherum gedacht. Warum sollte ein Gott es nötig haben, dass jemand am Kreuz stirbt? Das ist doch so grausam. Es ist vom Menschen her gedacht. Wie kann einer Kirche es einfallen, Leuten zu sagen, was sie im Bett miteinander tun dürfen? Es ist vom Menschen her gedacht. Es ist gedacht: „Ich will im Bett tun dürfen, was ich will. Und dann schauen wir mal, wie Religion und Glaube da irgendwie reinpasst.“ Die Denkweise ist: „Ich richte mir meine Welt erst mal selbst ein. Und jetzt schaue ich, wie viel Gott ich da ertragen kann. Dass es mich nicht zu sehr stört.“

Und Gott ist gnädig, der spielt da sogar ein bisschen mit. Gott lässt sich sogar manchmal verwenden. Selbst Menschen, die ihm nur so einen kleinen Spalt öffnen, Gott kommt da sogar schon rein. Aber es macht nicht frei. Es ist nicht deine letzte Berufung. Es ist wie das Auge, das sich selbst sieht. Und Gott sagt: „Furcht des Herrn! Erkenn‘erst mal an: Du bist ein Geschöpf. Es gibt einen, der millionenmal größer ist als du.“ Die entscheidende Frage ist: „Wie ist er und was will er von dir? Was ist sein Plan für dein Leben?“ Dein Glück findest du, indem du dich reinnehmen lässt in diesen Plan. Nicht, indem er in deine kleinen Pläne kommt. Nicht, indem er deine kleinen Pläne absegnet. Das tut er nämlich in seiner Gnade oft nicht. Die kleinen Boxen sagen: „Gott, wenn du wirklich gut wärst, würdest du die kleine Box füllen. Die kleine Box meiner Erwartungen.“ Und Gott sagt: „Ich bin viel besser und viel größer als du denkst. Meine Box ist 400 mal 400 Meter. Solang du deine kleine Box festhältst, wirst du in diese große Box gar nicht reingehen wollen, weil meine Perspektive größer und besser ist als alles, was du überhaupt je im Sinn hattest.“

Johannes Hartl – Lebensfragen und Herausforderungen
Bibelausstellung in Wasbüttel

Ich beeile mich und zögere nicht, deine Gebote zu halten

Ich habe meine Wege überdacht, und meine Füße gekehrt zu deinen Zeugnissen.
Ich habe geeilt und nicht gesäumt, deine Gebote zu halten.
Elberfelder 1871 – Psalm 119,59–60

Ich überdenke alle meine Wege
und lenke meine Schritte zurück zu dem, was du als richtig bezeugst.
Entschlossen und ohne zu zögern bemühe ich mich,
deine Gebote zu halten.
Neue Genfer Übersetzung 2013 – Psalm 119:59–60

Ich denke über alle meine Wege nach und richte sie aus nach deinen Zeugnissen.
Ich beeile mich ohne Zögern, deinen Geboten gehorsam zu sein.
Bruns – Psalm 119,59–60

Ich betrachte meine Wege. Nachdem der Prophet – dies ist in kurzem der Gedanke – über den Sinn seines Lebens nachgedacht, fasst er allein den Vorsatz, der Lehre des Gesetzes zu folgen. Dabei wirft er einen stillen Seitenblick auf die Irrwege der Menschen, die sich jämmerlich hierhin und dorthin umtreiben und in ihrer Gedankenlosigkeit völlig gehen lassen. Zwar hält ein jeder scharfen Ausblick und wendet allen Eifer an, zu erreichen, was ihm gut dünkt; aber eben in dieser Wahl zeigen sich alle blind. Mit geschlossen Augen stürzen sie kopfüber vorwärts oder verlieren sich sorglos in Eitelkeiten. Sicherlich betrachtet niemand klüglich seine Wege. Darum erklärt sich der Prophet mit gutem Grunde für den richtigen Lebensgrundsatz, dass man aus der Gedankenlosigkeit aufwache, seine Wege bedenke und endlich einmal nüchtern erwäge, was es eigentlich heißt, sein Leben richtig zu ordnen. Zweitens lehrt er dann, dass ein Mensch, der ernstlich sein Leben regeln will, nichts Besseres ergreifen kann, als dass er dem Herrn folge, wohin er ihn ruft. Wären die Menschen in ihrer Gedankenlosigkeit nicht stumpf, so würden sie sicherlich um die Wette darnach laufen, Gott allein zum Lebensführer zu erwählen.
V. 60. Ich eile usw. Jetzt berichtet der Prophet, mit welchem Eifer er dem Herrn seinen Gehorsam angeboten hat. Denn dass er eilt, ist ein Ausdruck für einen glühenden Eifer. Erläuternd und erweiternd fügt er hinzu: uns säume nicht. Wie der Hebräer sagt: „Ich rede und schweige nicht“, – um ein offenes und rückhaltloses Reden zu beschreiben, so besagt auch dieser Doppelausdruck: „Ich eile und säume nicht“, – dass David ohne jeden Verzug und Aufenthalt vorwärts strebt. Und wenn wir unsere Trägheit uns vergegenwärtigen und auf der andern Seite alle Hemmungen, die Satan unaufhörlich auf unsern Weg wirft, so werden wir schließen dürfen, dass David diesen Zusatz nicht ohne Grund gemacht hat. Denn wenn man auch wahrhaftig und von Herzen sich der Gerechtigkeit Gottes zur Verfügung zu stellen wünscht, so wissen wir doch, was Paulus sagt (Röm. 7, 15. 18 f.), dass er nicht leisten konnte, was er wollte. Wenn also auch kein äußeres Hindernis uns aufhalten sollte, sind wir doch innerlich in so viele Widerstände verstrickt, dass nichts schwerer ist, als ungesäumt zur Erfüllung des göttlichen Gesetzes zu eilen. Im Übrigen wollen wir festhalten, dass der Prophet hier vergleichsweise redet im Blick auf solche Leute, die während des größten Teils ihres Lebens im Rückstand bleiben und nicht bloß zögernd und langsam dem Herrn nahen, sondern voller Bedenken überhaupt stehen bleiben, oder die durch viel verschlungene Umwege sich am Vorwärtskommen hindern. Der Prophet war also in der Verehrung Gottes nicht etwa eifriger als Paulus, sondern will mit diesen Worten nur dartun, dass er wacker darnach ringt, seinen Lauf unbehindert zu vollenden. Sein Beispiel lehrt, dass es ein hohles Gerede ist, wenn wir unsere Trägheit mit den Hindernissen, welche die Welt uns bereitet, oder mit der eignen Schwachheit entschuldigen.

Jean Calvin – Aus dem Psalmenkommentar

In Vers 59 spricht der Dichter von einer Selbstprüfung. Als Ergebnis seiner Selbstkritik erwähnt er, dass er seine Füße vermehrt den Zeugnissen des Wortes zugewandt habe. Er möchte die dort vorgegebenen Richtlinien unbedingt einhalten. Nun sollte sich niemand vor der kritischen Prüfung seiner eigenen Wege scheuen. Der Herr möchte, dass man zum Ersten die Überlegungen des eigenen Herzens und zum Zweiten jeden Schritt der täglichen Praxis im Licht des Wortes und vor Seinen Augen überdenkt, wobei das Gewissen in Übung kommen muss (Klgl 3,40; Hag 1,4–7). Um Selbstvorwürfe zu umgehen, könnte man versucht sein, das Schuldbewusstsein infolge eines falschen Weges zu verdrängen. Der Aufrichtige hingegen wird mit dem Bekennen des Verwerflichen vor dem Herrn nicht zögern, damit das Denken und Handeln wieder mit Gottes Willen übereinstimmt. Sonst müsste der Herr, um Schaden abzuwenden, gegebenenfalls züchtigend eingreifen, wie es einst bei dem unentschiedenen Lot geschah (Vers 60; 1 Mose 19,15.16). Der Psalmdichter aber zögerte nicht, sondern beeilte sich, das als richtig Erkannte in die Tat umzusetzen. Er wartete nicht ab, bis die Zeit die Eindrücke seines Gewissens verblassen ließ. Er schob auch keine Hinderungsgründe vor, sondern gehorchte dem Wort sofort. Noch weniger ließ er sich durch Bedrohung seitens der Gottlosen davon abhalten, das zu tun, was Gott wohlgefällig war. Ihr Ränkespiel und ihre Fallen konnten ihn nicht zu unbedachter Gegenwehr veranlassen und erst recht nicht vom Befolgen des Gesetzes ablenken. Er

Karl Mebus – Die Psalmen – Eine Auslegung für die Praxis

»Die große Wende, die im Herzen und im Leben geschehen muss, ist die Abkehr von allen anderen Dingen hin zu Gottes Wort. Die Bekehrung kehrt uns zum Wort Gottes als unserem Prüfstein, der unseren Zustand, unsere Wege, unser Gemüt, unsere Lehre, unseren Gottesdienst und unsere Werke prüft; es ist wie unser Spiegel, damit wir uns gehörig kleiden, Jak 1; wie unsere Richtschnur, nach der wir wandeln und wirken, Gal 6,16; wie das Wasser, mit dem wir uns waschen, Ps 119,9; wie unser Feuer, uns zu erwärmen, Lk 24; wie unsere Speisen, uns zu nähren, Hi 23,12; wie unser Schwert zum Kämpfen, Eph 6; wie unser Erbe, uns reich zu machen« (Philip Henry).

Benedikt Peters – Die Psalmen

Gott ist unser Herr (V. 59-61). Das Land, das die Israeliten geerbt hatten, gehörte eigentlich dem Herrn (Lev 25,23), und er sorgte für es (Dtn 11,8-17). Wenn das Volk den Bedingungen des Bundes gehorchte, würde Gott das Volk und seine Arbeit im Land segnen, aber wenn es sich den Götzen zuwandte, würde er es züchtigen, zuerst im Land und dann in anderen Ländern. Liebevoller Gehorsam war die Voraussetzung für Gottes Segen, so wie es auch heute der Fall ist. Unser Verstand gehört Ihm („Ich habe meine Wege bedacht“) und unsere Füße gehören Ihm („Ich habe meine Schritte gewendet“). Unsere Zeit gehört ihm, und wir dürfen nicht zögern, seinem Willen zu gehorchen (V. 60). In alten Zeiten konnte kein Diener „Nein“ sagen, kein Diener konnte zögern oder den Willen des Herrn aufschieben, und kein Diener konnte sich entschuldigen oder sagen: „Ich habe es vergessen.“ Die Verantwortung des Dieners besteht darin, die Befehle seines Herrn zu hören, sich an sie zu erinnern und ihnen sofort zu gehorchen.

Warren W. Wiersbe – Sei Commentary