Schlagwort: Glauben

Schaubrote

Und nun, was ist unter deiner Hand? Gib fünf Brote in meine Hand, oder was sich vorfindet. Und der Priester antwortete David und sprach: Es ist kein gemeines Brot unter meiner Hand, sondern nur heiliges Brot ist da; wenn sich nur die Knaben der Weiber enthalten haben! Und David antwortete dem Priester und sprach zu ihm: Ja, denn Weiber sind uns versagt seit gestern und vorgestern, als ich auszog, und die Gefäße der Knaben sind heilig. Und es ist einigermaßen gemeines Brot, und das um so mehr, als heute neues in den Gefäßen geheiligt wird.
Elberfelder 1871 – 1.Samuel 21,4–6

Und nun, was hast du bei der Hand? gib fünf Brode in meine Hand, oder was du findest. Und der Priester antwortete David und sprach: Gemeines Brod habe ich nicht bei der Hand, sondern nur heiliges Brod ist da. Wenn nur die Knaben sich von Weibern enthalten haben! Und David antwortete dem Priester, und sprach zu ihm: Allerdings! die Weiber sind uns vorenthalten schon seit gestern, und ehegestern, als ich wegging, und die Geräthe der Knaben waren heilig; sollte aber der Weg auch unheilig seyn, so wird er doch heute geheiliget durch die Geräthe.
van Ess 1858 – 1.Samuel 21,3–5

Und nun, wenn du fünf Brote zur Hand hast, dann gib in meine Hand, was sich findet. Und der Priester antwortete David und sprach: Ich habe keine gewöhnlichen Brote zur Hand, sondern nur geweihte Brote. Wenn sich die jungen Leute vor Frauen in Acht genommen haben, kann gegessen werden. Und David antwortete dem Priester und sprach zu ihm: Von einer Frau haben wir uns gestern und vorgestern ferngehalten. Als ich mich auf den Weg machte, wurden alle jungen Leute geheiligt – und dabei ist dies eine gewöhnliche Reise –, weil er (der Weg) wegen meiner Geräte ( – Unklar ist, ob der Sack, in den die geweihten Brote kommen, oder die Waffen gemeint sind; vgl. aber V.9. Oder das Wort ist als Umschreibung für die Enthaltsamkeit Davids zu verstehen. – ) geheiligt werden wird
Septuaginta Deutsch – 1.Könige 21:3-6

Und nun, was hast du zur Hand? Fünf Brote gib mir oder was sich findet.» Da antwortete der Priester Dawid und sprach: «Es ist kein ungeheiligtes Brot zu meiner Verfügung, sondern nur geheiligtes Brot vorhanden, wenn sich die Burschen nur des Weibs enthalten haben.»  Und Dawid antwortete dem Priester und sagte ihm: «Wo doch ein Weib uns verwehrt ist seit gestern und ehegestern, da ich auszog und die Geräte der Burschen geheiligt waren!» – Das war aber unheiliger Weg, geschweige, daß jenes jetzt geheiligt bliebe im Gerät. –
Neftali-Herz-Tur-Sinai – 1.Samuel 21:4–6

Schaubrot. Das S. (im Grundtext steht immer die Einzahl, während Luther, der griech. Übers. folgend, die Mehrzahl setzt), wörtlich „Brot des Angesichts“, bestand aus zwölf fingerdicken Kuchen (challoth) aus feinem Weizenmehl nach der Zahl der Stämme Israels; zu jedem Kuchen wurden 2/10 Epha Mehl genommen. Nach der Überlieferung waren dieselben ungesäuert. Leviten vom Geschlecht Kahaths waren nach 1 Chr. 9, 32 mit der Zubereitung derselben beauftragt. Die Kuchen wurden an jedem Sabbat frisch u. noch warm auf den Schaubrottisch gelegt in zwei Schichten, je sechs aufeinander, 3 Mo. 24, 5–9; 1 Sa. 21, 7. Die abgenommenen Brote fielen den Priestern zu und mußten als etwas Hochheiliges von diesen allein — mit Ausschluß der weibl. Familienglieder an heiliger Stätte, d. h. irgendwo im Vorhof, verzehrt werden, 3 Mo. 24, 9; 6, 9. Daß der Priester Ahimelech in Nob die abgetragenen Brote David und seinen Begleitern gab, war durch die Not gerechtfertigt, 1 Sa. 21, 2–7, vgl. Mt. 12, 4; Lu. 6, 4. Oben auf die S. mußte Weihrauch gelegt werden, der nach dem Abnehmen der Brote auf dem Räucheraltar verbrannt wurde als „Gedenkteil“, 3 Mo. 24, 7. Die S. sind anzusehen als eine Darbringung des Volkes an Jahveh. Sie heißen „Brot des Angesichts“, weil sie vor Gottes Angesicht gelegt wurden zum Zeichen, daß Israel sein täglich Brot ganz der Güte seines Gottes verdanke. Weil in den S. die tägliche Nahrung durch Danksagung geweiht wurde, mußten sie beständig aufliegen und heißen deshalb 4 Mo. 4, 7 Brot der Beständigkeit. Der Gedanke, daß hier Jahveh eine Mahlzeit vorgesetzt werde, ist als durchaus heidnische Vorstellung (Jes. 65, 11; Jer. 7, 18; 44, 17 ff.) ferne zu halten.

Calwer Bibellexikon

Der Tisch mit zwei Ellen Länge und einer Elle Breite sollte aus Akazienholz (wie die Lade, V. 10 ) gemacht, mit Gold überzogen und mit goldüberzogenen Stangen in der selben Weise wie die Lade getragen werden. Eine Leiste von einer Handbreit Höhe um die Ecken des Tisches sollte die Dinge auf dem Tisch vor dem Herabfallen bewahren. Auf dem Tisch, der an der Nordseite des Heiligtums aufgestellt werden sollte ( 2Mo 26,35; 40,22 ), sollten 12 Brotlaibe in zwei Reihen zu je 6 aufgestellt und an jedem Sabbat ersetzt werden ( 3Mo 24,5-9 ). Auf dem Tisch sollten auch goldene Schüsseln (vielleicht um die Brotlaibe zu tragen) und Schalen, Kannen und Becher für Trankopfer aufgestellt werden. Die Brote wurden Brote des Angesichts ( Schaubrote ) genannt, weil sie in der Gegenwart Gottes ( vor mir ) lagen. Dieser Tisch mit seinen 12 Brotlaiben, die möglicherweise die 12 Stämme Israels darstellten, war ein Bild für die Gemeinschaft Gottes mit seinem Volk. Wenn die Priester die Brote aßen ( 3Mo 24,9 ), wurde damit deutlich, daß geistliche Gemeinschaft das geistliches Leben stärkte.


Das Brot auf dem goldenen Tisch vor dem Herrn wurde »Schaubrot« oder »Brot der Gegenwart« (Gottes) ( 2Mo 25,30 ) genannt. Dieser Abschnitt ergänzt die Anweisungen in 2Mo 25,23-30 (vgl. 2Mo 37,10-16 ), die wenig über das Brot selbst aussagen. Das Brot bestand aus 12 Laib Brot, die nach der Menge Mehl ( 3Mo 24,5 ) zu urteilen sehr groß gewesen sein müssen und in zwei Reihen auf den Tisch gelegt wurden. Neben die Brote wurde Weihrauch auf den Tisch gelegt, das an jedem Sabbat, wenn die Brote erneuert wurden und die Priester die Brote als ihren Anteil erhielten, auf dem Altar als Gedenkopfer (Erinnerungsanteil) verbrannt wurde.


Hungrig von seiner Flucht, bat David den Priester um Brot (V. 4 ). Der Priester antwortete, daß es dort kein normales Brot gäbe (V. 5 ), sondern nur das heilige Schaubrot ( 2Mo 25,30 ), das entweiht worden wäre, wenn man es durch frisches Brot ersetzt hätte ( 1Sam 21,7; vgl. 3Mo 24,5-9 ). Dies konnte gegessen werden, wie Jesus später erklärte ( Mt 12,3-4 ), aber normalerweise nur von den Priestern, und sicherlich nur von solchen, die kultisch rein waren ( 1Sam 21,3-6; 3Mo 15,18 ). Daß David diese Brote gegessen hat, illustriert ein Zugeständnis, das das Gesetz erlaubte – Leben ist heiliger als Brot ( Mt 12,7-8 ).

Walvoord Bibelkommentar

War es nicht ein ernstes Vergehen, als David das Schaubrot oder das heilige Brot aus dem Heiligtum nahm, um seinen Hunger zu stillen?
Um Licht über diese Frage zu erhalten, ist es nötig, verschiedene Berichte zu betrachten. Erstens einmal den Befehl über das Brot selbst: „Du sollst Feinmehl nehmen und daraus zwölf Kuchen backen: Von zwei Zehnteln soll ein Kuchen sein. Und du sollst sie in zwei Schichten legen, sechs in eine Schicht, auf den reinen Tisch vor Jehova. Und du sollst auf jede Schicht reinen Weihrauch legen, und er soll dem Brote zum Gedächtnis [ein Gedächtnisbrot, Darby, engl.] sein, ein Feueropfer dem Jehova. Sabbattag für Sabbattag soll er es beständig vor Jehova zurichten: ein ewiger Bund von seiten der Kinder Israel. Und es soll Aaron und seinen Söhnen gehören, und sie sollen es essen an heiligem Orte.“ — 3. Mose 24:5-9.
Nun zum Geschichtsbericht, der die Grundlage zur Frage bildet: „David kam nach Nob, zu Ahimelech, dem Priester. Und Ahimelech kam David ängstlich entgegen und sprach zu ihm: Warum bist du allein, und niemand ist bei dir? Und David sprach zu dem Priester Ahimelech: Der König hat mir eine Sache geboten; und er sprach zu mir: Niemand soll irgendwie um die Sache wissen, in der ich dich sende, und die ich dir geboten habe! und die Knaben [jungen Männer, Darby, engl.] habe ich an den und den Ort beschieden. Und nun, was ist unter deiner Hand? Gib fünf Brote in meine Hand, oder was sich vorfindet. Und der Priester antwortete David und sprach: Es ist kein gemeines Brot unter meiner Hand, sondern nur heiliges Brot ist da; wenn sich nur die Knaben der Weiber enthalten haben! Und David antwortete dem Priester und sprach zu ihm: Ja, denn Weiber sind uns versagt seit gestern und vorgestern, als ich auszog, und die Gefäße der Knaben sind heilig. Und es ist einigermaßen gemeines Brot, und das um so mehr, als heute neues in den Gefäßen geheiligt wird. Da gab ihm der Priester heiliges Brot; denn es war daselbst kein anderes Brot, als nur das Schaubrot, das vor Jehova weggenommen worden war, um warmes Brot aufzulegen am Tage seiner Wegnahme. — 1 Samuel 21:1-6.
Aus diesen zwei Zitaten ersehen wir, daß das Brot am Sabbattage gewechselt, also das alte Brot durch das frischgebackene, warme Brot ersetzt werden mußte, und da David, als er nach Nob kam und mit dem Hohenpriester Ahimelech redete, die Aufmerksamkeit auf die Tatsache lenkte, daß das Brot an jenem Tage gewechselt werde, muß es ein Sabbattag gewesen sein, als David diese Unterredung hatte und an Ahimelech diese Bitte stellte. Jesus zog aus diesem Verhalten Davids einen interessanten Schluß, wie wir dies in Matthäus 12:1-4, NW aufgezeichnet finden: „Zu jener Zeit ging Jesus am Sabbat durch die Getreidefelder. Seine Jünger wurden hungrig und fingen an, Ähren abzupflücken und zu essen. Als aber die Pharisäer es sahen, sprachen sie zu ihm: ‚Siehe! deine Jünger tun, was am Sabbat zu tun nicht erlaubt ist.‘ Er sprach zu ihnen: ‚Habt ihr nicht gelesen, was David tat, als er und die Männer bei ihm hungrig wurden? wie er in das Haus Gottes ging und wie sie die Brote der Darbringung aßen, Speise, die ihm zu essen nicht erlaubt war, noch denen bei ihm, sondern nur den Priestern?‘ “ In diesen und den nachfolgenden Versen lenkte Jesus die Aufmerksamkeit auf Taten der Barmherzigkeit am Sabbattage, wonach es absolut erlaubt war, einem Bedürftigen auch am Sabbattage Barmherzigkeit zu erweisen, und daß in der Tat eine solche Handlungsweise keine Verletzung des Sabbats bedeutet. Jesus rügte Davids Verhalten nicht.
Während andere Übersetzungen der Bibel die Stelle etwas anders wiedergeben, zeigt jene, die wir zum Zitieren des Textes aus 1. Samuel 21:5 angeführt haben, daß David den Ahimelech daran erinnerte, daß das fragliche Brot „einigermaßen gemein“ sei. Hiermit stimmen die Übersetzungen in der King-James- und Rotherham-Bibel überein, indem die letztere den Vers wie folgt wiedergibt: „Das Brot selbst ist gewissermaßen gewöhnlich, und dies um so mehr, da von heute an andere Brotlaibe im Gefäß geheiligt werden müssen.“ In welcher Weise gewöhnlich? War es nicht Jehova Gott geweiht und im Heiligen der Stiftshütte auf den Tisch gelegt worden? Jawohl. Doch sieht man, daß dieses besondere Brot, womit David und seine Männer gespeist wurden, Brot war, das durch frischgebackenes Brot ersetzt wurde, und es wurde aus dem Heiligtum weggenommen, nicht nur um Davids Hunger zu stillen, sondern auch, weil es Sabbattag, also die rechte Zeit war, da es auf die Seite getan, hinausgenommen werden mußte, um eine neue Reihe frischer Brote auf den heiligen Tisch zu stellen. So war denn dieses weggenommene Brot nun zum Gebrauch außerhalb des Heiligen der Stiftshütte verfügbar und war, von diesem Standpunkte aus gesehen, in einem gewissen Sinne „gewöhnliches“ Brot.

Dasselbe kann gesagt werden über die Angelegenheit, die Paulus in 1. Korinther 8:1-13 und 10:25-30 bespricht, wenn Christen auf den Fleischmarkt, in Fleischerläden, Metzgereien oder Wirtschaften gingen, die mit den heidnischen Tempeln von jener Zeit verbunden waren, und dort Fleisch aßen, das Dämonen oder Götzen geweiht worden war. Ein Teil jenes Opfers wurde dem Götzen gegeben, wurde auf dem Altar geopfert, und dann blieb etwas Fleisch übrig, das Metzgereien oder Wirtschaften übergeben wurde; solches diente den Leuten als gewöhnliches Fleisch, und Christen hatten das Recht, dort hinzugehen und von diesem Fleische zu essen. Es hatte seine geheiligte Bedeutung nun, da es im Fleischerladen oder in der Wirtschaft lag, verloren. Es war gewöhnliches Fleisch geworden, obwohl einige Christen, wie Paulus es sagte, in ihrem Gewissen schwach waren und dachten, es sei immer noch geweihtes Fleisch.
Dasselbe ist zu sagen von dem Brote, das ersetzt und aus dem Heiligtum herausgenommen worden war. Es war, wie David sagte, gewissermaßen gewöhnliches Brot, und darum konnte es gebraucht werden. Allerdings sollte es gewöhnlich nur von den Priestern verwendet werden, aber unter außergewöhnlichen Umständen durfte es anscheinend für einen Akt der Barmherzigkeit benutzt werden, wie dies der Fall war bei David, denn Jesus weist laut Matthäus 12:1-4 in seinen Worten über Davids Verhalten auf dies hin. Ferner wurde Jehova durch diese Tat nicht beraubt. Wenn Ahimelech in das Heilige gegangen wäre und das frische Brot genommen hätte (das eine ganze Woche dort bleiben mußte), um es zur Speisung Davids und seiner Männer zu verwenden, so wäre das eine Sünde gegen die Anweisung bezüglich des Brotes gewesen; nun aber war es gemäß dem gewohnten Gang der Dinge weggenommen worden, und so bedeutete diese Handlung keine Beraubung Jehova

Fragen von Lesern aus Der Wachtturm 1.August 1956

Das Volk sollte nicht nur das reine Olivenöl für die Lampe bringen, sondern auch das feine Mehl, aus dem jede Woche zwölf Brote gebacken wurden. Diese wurden an jedem Sabbat auf den goldenen Tisch gelegt, und das alte Brot wurde den Priestern zum Essen gegeben.
Die Größe dieser Brote ist uns ein Rätsel, denn der Text gibt das im Rezept verwendete Maß nicht an. Im Hebräischen heißt es einfach „von zwei Zehnteln soll es sein“, aber zwei Zehntel von was? In der NIV heißt es „mit zwei Zehntel eines Epha“, was etwa vier Quarts Mehl entsprechen würde, aber das Wort „Epha“ steht nicht im hebräischen Text. So viel Mehl würde einen sehr großen Laib ergeben, und es ist zweifelhaft, dass zwölf große Brote alle auf den Tisch passen würden. Es ist wahrscheinlich, dass die Brote übereinander gestapelt wurden, so dass zwei Stapel von sechs Broten entstanden, mit einem kleinen Behälter mit Weihrauch oben auf jedem Stapel.
Diese Brote wurden wie ein „Speiseopfer“ behandelt, einschließlich des Weihrauchs (2:1-11). Am Sabbat, wenn die Brote ausgetauscht wurden, nahm der Priester eine „Gedenkportion“ von einem Brot, fügte den Weihrauch hinzu und verbrannte sie auf dem Altar zusammen mit dem täglichen Brandopfer. Die Priester konnten dann die alten Brote essen, aber sie mussten es an heiliger Stätte tun (24:9).
Was symbolisierte dies? Nur die Priester (der Stamm Levi) durften das Heiligtum betreten, aber die anderen Stämme wurden dort auf zweierlei Weise repräsentiert: durch die Juwelen am Gewand des Hohenpriesters (Ex 28,6-21) und durch die zwölf Brote auf dem Tisch. Der Tisch wurde „Tisch der Schaubrote“ genannt (Num 4,7), und die Brote hießen „Schaubrote“ (Ex 25,30), was mit „Brot der Gegenwart“ übersetzt werden kann. Gott war mit seinem Volk gegenwärtig, und sie waren in der Stiftshütte in seiner Gegenwart. Egal, wo die Juden im Lager waren, mussten sie sich daran erinnern, dass ihr Stamm im Heiligtum auf dem goldenen Tisch vertreten war. Die neutestamentliche Anwendung wäre Kolosser 3,1ff.
Aus der Sicht des Priesters erinnerten die Brote ihn daran, dass sein Dienst für echte Menschen bestimmt war. Da die Priester Tag für Tag in der Stiftshütte in gewisser Weise isoliert waren, konnten sie leicht den Kontakt zu den Menschen verlieren, die sie vor Gott vertraten. Das Öl aus dem Volk speiste die Lampe, die den Priestern Licht spendete, und das Brot, das sie jeden Sabbat aßen, stammte aus dem Mehl, das das Volk gespendet hatte. Die zwölf Brote erinnerten die Priester daran, dass alle Stämme vor Gott vertreten waren und zu seinem Volk gehörten. All dies hätte die Priester dazu veranlassen sollen, die Stämme mehr zu schätzen und ihnen in bester Weise zu dienen.
Wenn es nur ein Brot gäbe, könnte man es als Typus für Jesus Christus, das Brot des Lebens, betrachten (Johannes 6,35), aber in Johannes 6 ist von Manna die Rede und nicht von den Broten in der Stiftshütte. Auch Matthäus 6,11 kommt mir in den Sinn: „Unser tägliches Brot gib uns heute.“ Ob wir nun geistliches Brot für unser Inneres oder physisches Brot für unseren Körper brauchen, wir müssen uns allein an Gott wenden.
Wir erwarten, dass wir im Heiligtum Öl und Weihrauch finden, aber kein Brot. Schließlich ist Brot eine gewöhnliche Speise. Aber die Anwesenheit von Brot in der Stiftshütte versichert uns, dass Gott sich um die praktischen Dinge unseres Lebens kümmert und dass es so etwas wie „weltlich“ und „heilig“ im christlichen Leben nicht gibt. Es war dieses „Gegenwartsbrot“, das David und seine Männer aßen, als David auf der Flucht vor Saul war (1. Sam. 21,1-6; siehe Mt. 12,1-4)

Warren W. Wiersbe – Sei Commentary

Die Stiftshütte des Herrn befand sich zu jener Zeit in Nob, wahrscheinlich dem Ort, der heute einen Namen trägt, den einige als „das Dorf Esaus“ (oder Edom) wiedergeben und der uns an seine verhängnisvolle Berühmtheit im Zusammenhang mit Doeg, dem Edomiter, erinnert. Das Dorf liegt an der Straße vom Norden nach Jerusalem – zwischen Anatot und der Heiligen Stadt und nur etwa eine Stunde nordwestlich von letzterer. Hier amtierte Ahimelech (oder Ahiah, 1 Sam. 14:3), der Urenkel Elis, als Hohepriester – ein Mann in fortgeschrittenem Alter, mit dem sein Sohn Abiathar (der später von David zum Hohepriester ernannt wurde, 1 Sam. 30:7) entweder für diesen Tag oder für immer zusammen den heiligen Dienst versah. Nob lag nur etwa eine Stunde südöstlich von Gibea des Saul. Dennoch erschien David nicht unmittelbar nach dem Abschied von Jonatan an der heiligen Stätte. Wir können leicht verstehen, dass eine Flucht auf dieser Straße bei Tag nicht zu riskieren gewesen wäre – und auch nicht innerhalb der Grenzen des Bezirks, in dem Saul residierte. Daraus schließen wir, dass David sich die ganze Nacht über versteckt hielt. Es war der Morgen eines Sabbats, als er plötzlich allein, unbewaffnet, müde und erschöpft vor Hunger vor dem Hohepriester erschien. So war er noch nie vor Ahimelech erschienen, und der Hohepriester, der zweifellos von früheren Meinungsverschiedenheiten zwischen dem König und seinem Schwiegersohn wusste, fürchtete sich vor dem, was dies bedeuten könnte. Aber David hatte eine fadenscheinige Antwort, um jede Frage zu beantworten und jeden Verdacht zu zerstreuen. Wenn er unbewaffnet gekommen und vor Hunger schwach sei, so seien die Geschäfte des Königs so dringend gewesen und hätten eine solche Geheimhaltung erfordert, dass er es vermieden habe, Proviant mitzunehmen, und nicht einmal Zeit gehabt habe, sich zu bewaffnen. Aus denselben Gründen hatte er sein Gefolge angewiesen, sich mit ihm an einem Treffpunkt zu treffen, anstatt an ihrer Spitze loszuziehen.

In Wahrheit waren Davids Bedürfnisse sehr dringend geworden. Er brauchte Nahrung, um sich zu versorgen, bis er einen sicheren Ort erreichen konnte. Denn er traute sich nicht, sich bei Tag zu zeigen und niemanden um Hilfe zu bitten. Und er brauchte eine Waffe, mit der er im äußersten Notfall sein Leben verteidigen konnte. Wir wissen, dass es der Sabbat war, denn die Schaubrote der vergangenen Woche, die an diesem Tag abgenommen wurden, mussten während ihres Verlaufs gegessen werden. Es ist ein trauriger Beweis für den Verfall des Heiligtums und des Priestertums, dass Ahimelech und Abjatar David keinen anderen Proviant für seine Reise anbieten konnten als diese Schaubrote, die nach dem Buchstaben des Gesetzes nur die Priester essen durften, und zwar innerhalb des Heiligtums (Lev. 24,9). Aber es gab das höhere Gesetz der Nächstenliebe (Lev 19,18), das mit Recht als über jeder noch so feierlichen levitischen Verordnung stehend angesehen wurde (vgl. Mt 12,5; Mk 2,25). Wenn es so war, wie David behauptete, und der königliche Auftrag so wichtig und dringlich war, konnte es nicht richtig sein, denjenigen, die damit beschäftigt waren, die notwendigen Mittel zum Lebensunterhalt zu verweigern, vorausgesetzt, sie hatten sich keine levitische Verunreinigung zugezogen, die ihnen den Zugang zur göttlichen Gegenwart verwehrt hätte (Lev. 15:18). Denn was waren die Priester anderes als die Repräsentanten Israels, das ein Königreich von Priestern sein sollte, wenn man es in seiner höheren Bedeutung betrachtet? Dieser Gedanke scheint in der Tat in der Bemerkung Davids (21,5) enthalten zu sein: „Und wenn auch die Art und Weise“ (die Verwendung) „nicht heilig ist, so wird es doch „heilig gemacht“ (werden) „durch das Werkzeug“ – was sich entweder auf ihn selbst als das göttliche Werkzeug bezieht, das eingesetzt werden soll , oder auf den „Geldbeutel“, in dem das Brot gleichsam im Auftrag Gottes transportiert werden sollte.

Alfred Edersheim – Geschichte der Bibel – altes Testament

Daher wurde das erste Argument unseres Herrn, das von allen Synoptikern aufgezeichnet wurde, der biblischen Geschichte entnommen. Auf seiner Flucht vor Saul hatte David, „als er Hunger hatte“, von den Schaubroten gegessen und sie seinen Anhängern gegeben, obwohl sie nach dem Wortlaut des levitischen Gesetzes nur von den Priestern gegessen werden durften, Die jüdische Überlieferung rechtfertigte sein Verhalten mit dem Argument, dass „Lebensgefahr über dem Sabbatgesetz“ und damit über allen damit zusammenhängenden Gesetzen stehe, während man, um Davids Eifer für das Sabbatgesetz zu zeigen, die Legende hinzufügte, dass er die Priester von Nob getadelt habe, die die Schaubrote am Sabbat gebacken hatten. Zum ersten Argument Christi fügt Matthäus als zweites hinzu, dass die Priester bei ihren Diensten im Tempel notwendigerweise das Sabbatgesetz brachen, ohne sich dadurch schuldig zu machen. Es ist merkwürdig, dass der Talmud genau diesen Punkt erörtert und zur Veranschaulichung ein Argument aus Lev. 22:10 einführt: „Kein Fremder soll von dem, was geweiht ist, essen“. Dies verkörpert natürlich den Grundsatz, der dem Verbot der Schaubrote für alle, die keine Priester sind, zugrunde liegt. Ohne weiter darauf einzugehen, zeigt die Diskussion zumindest, dass die Rabbiner sich keineswegs im Klaren darüber waren, wie die Sabbatarbeit im Tempel zu begründen ist.
In Wahrheit war der Grund, warum David tadellos die Schaubrote aß, derselbe, der die Sabbatarbeit der Priester rechtmäßig machte. Das Sabbatgesetz war nicht nur ein Gesetz der Ruhe, sondern der Ruhe zum Gottesdienst. Der Dienst des Herrn war das Ziel. Die Priester arbeiteten am Sabbat, weil dieser Dienst der Zweck des Sabbats war; und David durfte von den Schaubroten essen, nicht weil Lebensgefahr durch Verhungern bestand, sondern weil er sich darauf berief, dass er im Dienst des Herrn stand und diese Versorgung brauchte. Die Jünger, die dem Herrn folgten, waren in ähnlicher Weise im Dienst des Herrn; ihm zu dienen war mehr als der Dienst im Tempel, denn er war größer als der Tempel. Hätten die Pharisäer dies geglaubt, hätten sie ihr Verhalten nicht in Frage gestellt und damit auch nicht gegen das höhere Gesetz verstoßen, das Barmherzigkeit und nicht Opfer vorschreibt.

Aldred Edersheim – Das Leben und die Zeiten von Jesus dem Gesalbten}

David und die Schaubrote
Erstens berief er sich auf den Bericht von Davids Handlungen in 1.Samuel 21 und wies darauf hin, dass der König auch das pharisäische Gesetz verletzte, als er die Schaubrote aß (Matthäus 12,3-4; Markus 2,25-26; Lukas 6,3-4). Mose sagte nie, dass ein Levit einem Nicht-Leviten die Schaubrote nicht geben dürfe. Das pharisäische Gesetz sagte das jedoch. Im Fall der Pharisäer konnten sie nicht behaupten, dass David vor dem mündlichen Gesetz lebte, denn nach ihrer Theologie gab Gott dieses Gesetz Mose; deshalb ging es der Zeit Davids voraus. David selbst brach also das pharisäische Gesetz, doch die Rabbiner verurteilten den König nie. Wenn er das pharisäische Gesetz brechen konnte, konnte das auch sein Nachkomme, der größer ist als er.

Arnold Fruchtenbaum – Jeschua – Das Leben des Messias aus einer messianisch-jüdischen Perspektive

welcher Wochentag?

Da gab ihm der Priester heiliges Brot; denn es war daselbst kein anderes Brot, als nur das Schaubrot, das vor Jehova weggenommen worden war, um warmes Brot aufzulegen am Tage seiner Wegnahme.
Elberfelder 1871 – 1. Samuel 21,7

Der Priester reichte ihm Dargeheiligtes,
denn Brot war dort nicht, durchaus nur das Brot der Innensicht, das eben von vor SEINEM Angesicht entfernt worden war, um warmes Brot am Tag seiner Fortnahme hinzulegen.
Buber & Rosenzweig – 1. Samuel 21:7

Weil kein anderes Brot zur Verfügung stand, gab der Priester ihm das heilige Brot. Diese Schaubrote, die dem Herrn im Heiligtum geweiht wurden, waren gerade an diesem Tag durch frisches Brot ersetzt worden.
Neues Leben – Bibel 2006 – 1.Samuel 21,7

Der Priester war einverstanden und rückte die besonderen Brote raus. Es handelte sich dabei um die Ration, die gerade von dem Tisch für die besonderen Brote weggeräumt wurde, um frisches Brot nachzulegen.
VolxBibel – 1.Samuel 21:7

Bei der Vorbereitung für den Aktivgottesdienst, bin ich immer wieder erstaunt, wie wenig ich nach fast 50 Jahren Bibellesen wirklich aus der Bibel kenne – aber auch, in welch falsche Richtung so mancher Kommentar die Leser führt.
Wenn ich also Kommentare zu 1.Samuel 21 lese, dann wird die Frage in den meisten Kommentaren diskutiert, ob David gelogen hat, ob David wirklich von diesem heiligen Brot essen durfte und warum er dann in „Feindesland“ weglief und damit angeblich das „verheißene Land“ verließ.
Aber fangen wir mit dem Wochentag an. Die anderen Fragen werd ich in den nächsten Tagen aufgreifen.

Also an welchem Wochentag befinden wir uns? WAS steht in DEINER Bibel?

Es ist schwierig, die Geschichte der Stiftshütte nach dem Raub der Bundeslade 1104 v. Chr. auszumachen. Die Bundeslade selbst blieb seit dieser Zeit in Kirjat-Jearim ( 1Sam 7,2; 2Sam 6,3-4 ), aber die Stiftshütte wird nicht erwähnt bzw. werden nur Andeutungen darüber gemacht, bis 1Sam 21 ,wo vorausgesetzt wird, daß die Stiftshütte in Nob, der Stadt der Priester, war, wohin David floh, als er sich endgültig von Saul getrennt hatte. Gerade so wie David mit Samuel früher die heilige Stätte in Rama aufgesucht hatte ( 1Sam 19,18 ), zog er jetzt los, um die heilige Stätte bei Ahimelech (auch als Ahia bekannt), dem Priester in Nob ( 1Sam 21,2 ), auf halber Strecke zwischen Jerusalem und Gibea zu finden. Hungrig von seiner Flucht, bat David den Priester um Brot (V. 4 ). Der Priester antwortete, daß es dort kein normales Brot gäbe (V. 5 ), sondern nur das heilige Schaubrot ( 2Mo 25,30 ), das entweiht worden wäre, wenn man es durch frisches Brot ersetzt hätte ( 1Sam 21,7; vgl. 3Mo 24,5-9 ). Dies konnte gegessen werden, wie Jesus später erklärte ( Mt 12,3-4 ), aber normalerweise nur von den Priestern, und sicherlich nur von solchen, die kultisch rein waren ( 1Sam 21,3-6; 3Mo 15,18 ). Daß David diese Brote gegessen hat, illustriert ein Zugeständnis, das das Gesetz erlaubte – Leben ist heiliger als Brot ( Mt 12,7-8 ).

Walvoord Bibelkommentar

Heiliges Brot. Siehe den Kommentar zu Vers 4. Dieses Brot wird auch das Brot der Gegenwart genannt, wörtlich „das Brot des Antlitzes“, d.h. das Brot, das vor das Antlitz Gottes gestellt wurde. Jeden Sabbat wurde frisches Brot auf den Tisch gelegt (siehe Lev 24:5-9). In englischen Übersetzungen wird dies oft mit „Brot der Gegenwart“ (RSV, NRSV, REB, NIV) oder „shewbread“ (KJV, NAB) übersetzt. Andere Übersetzungen sind „das Brot der Zurschaustellung“ (NJPS), „die Brote der ständigen Zurschaustellung“ (NJB) und „das Brot der Opfergabe“ (TOB). Wenn es nicht als etwas anderes als das heilige Brot angesehen wird, sollte hier derselbe Begriff verwendet werden, mit dem dieser Ausdruck auch an anderen Stellen im hebräischen Text (z. B. Exo 25:30; 35:13; Num 4:7; 1 Kön 7:48) und im Neuen Testament (Markus 2:26) übersetzt wird.

Obwohl der Wortlaut des Hebräischen etwas zweideutig ist, scheint es wahrscheinlich, dass es sich bei dem Brot, das David gegeben wurde, nicht um das Brot handelte, das zu diesem Zeitpunkt auf dem Tisch lag, wie RSV vermuten lässt, sondern um das Brot, das vor kurzem entfernt und durch frisches Brot ersetzt worden war, wie es das Gesetz vorschrieb (so TEV; REB und NAB sind ähnlich zu TEV). Die passive Formulierung ist entfernt (TEV „war entfernt worden“) kann aktiv wiedergegeben werden, indem man sagt „die die Priester entfernt hatten“ oder etwas Ähnliches. Das Partizip im MT, das mit „die entfernt wurden“ übersetzt wird, ist der Plural. In einem hebräischen Manuskript aus Qumran steht dieses Partizip jedoch im Singular, und der Singular scheint grammatikalisch besser mit dem Wort Brot übereinzustimmen, das im Hebräischen Singular ist. CTAT bewertet den Plural des MT jedoch mit {B} und merkt an, dass das Wort Brot in seiner Bedeutung Plural ist.

Roger L. Omanson – Ein Handbuch zum ersten Buch Samuel

Das wurde vor dem Herrn weggenommen, um warmes Brot in den Tag zu legen, an dem es weggenommen wurde – Das wurde jeden Sabbat getan (Lev. 24:8, 9), und es ist daher wahrscheinlich, dass dieser Vorfall in Davids Leben am Sabbat stattfand. Unter dieser Annahme hat die Berufung unseres Herrn auf diese Begebenheit als Rechtfertigung dafür, dass er die Ähren am Sabbat rupfte, doppelte Kraft. Siehe Matthäus 12,1-4. Kitto bemerkt: „Da es nicht erlaubt war, am Sabbat zu reisen, scheint es uns, dass er, als er sah, dass es für ihn nicht sicher war, in Gibea zu bleiben, und dass die kurze Zeit, die ihm bis zum Beginn des Sabbats blieb, eine weitere Reise ausschließen würde, beschloss, nach Nob zu gehen, um dort in Sicherheit zu sein, bis das Ende des heiligen Tages es ihm ermöglichen würde, seine Reise fortzusetzen.“

D.Steele – Kommentar das alte Testament

Und aufgefallen? Das Kapitel 21 von 1.Samuel spielt also an einem Sabbat! Wenn wir also die ganze Geschichte auf diesen Wochentag sehen, dann verstehen wir, was Jesus in seinem „Streit“ nur andeutet – nämlich das David eben die erweiterten Sabbath-Gebote auch nicht einhielt….

Schon früh in der Geschichte Israels war das Haus das Zentrum der Erziehung.

Höre, mein Sohn, die Unterweisung deines Vaters, und verlaß (O. verwirf) nicht die Belehrung deiner Mutter!
Elberfelder 1871 – Sprüche 1,8

Höre, mein Sohn, die Zucht deines Vaters, und nimmer mögest aus dem Sinn du lassen die unterweisende Torah deiner Mutter.
Pfleiderer Übersetzung – Sprüche 1:8

Mein Sohn, höre auf die Zurechtweisung deines Vaters und lehne nicht ab, was deine Mutter dich lehrt.
Neues Leben Bibel – Sprüche 1,8

Der moralische Ästhetizismus und seine Ergebnisse sind natürlich vor allem in Gemeinschaften zu finden, die der moralischen Kultur einen hohen Stellenwert einräumen. Die Verfeinerung der Gefühle, der Respekt vor den Zuneigungen und die Schnelligkeit des Mitgefühls sind selten Gegenstand historischer Aufzeichnungen. Was wir darüber finden oder was darauf hindeutet, müssen wir vor allem in den Schriften der Monotheisten oder derer, die vom Monotheismus beeinflusst wurden, suchen. In solchen Schriften wird den häuslichen Beziehungen eine herausragende Bedeutung beigemessen und ein Feingefühl vermittelt( -„Der Herr hat den Vater über seine Kinder erhoben und die Mutter über ihre Söhne eingesetzt…. Wer dem Herrn gehorsam ist, wird seine Mutter trösten…. Ehre deinen Vater und deine Mutter in Wort und Tat…. Mein Sohn, hilf deinem Vater in seinem Alter und betrübe ihn nicht, solange er lebt. Und wenn sein Verstand versagt, habe Geduld mit ihm, und verachte ihn nicht, wenn du in deiner vollen Kraft bist. Denn die Erleichterung deines Vaters wird nicht vergessen werden…. Wer seinen Vater verlässt, ist ein Lästerer, und wer seine Mutter erzürnt, ist von Gott verflucht.“-Sirach, 3:2-16. – )  , das in heidnischen Aufzeichnungen nicht oder kaum vorkommt. Die höhere Verehrung der Frau und des mütterlichen Einflusses, die unter den Monotheisten im Vergleich zu den Heiden vorherrschte, ist ein sicherer Beweis dafür, dass in ihrer Gesellschaft eine höhere Verfeinerung der Gefühle und Zuneigungen als anderswo existierte. Dio Chrysostomus, obwohl nominell ein Heide, wuchs umgeben vom Monotheismus auf. Sein verfeinernder Einfluss ist in seinen Schriften offensichtlich.

Das Judentum in Rom 76 v.Chr. bis 140 n.Chr. – Frederic Huidekoper

Schon früh in der Geschichte Israels war das Haus das Zentrum der Erziehung. Beide Elternteile waren an dieser Aufgabe beteiligt (Spr 1,8; 6,20), doch trug der Vater die Hauptverantwortung für die Unterweisung der Kinder (Dtn 11,19). Abraham Heschel hat die aktuelle Relevanz dieses Punktes scharfsinnig unterstrichen: „Erziehung ist eine Angelegenheit, die in erster Linie bei den Eltern, beim Vater liegt. Der Lehrer ist nach der jüdischen Tradition nur ein Vertreter des Vaters. Du sollst sie fleißig unterrichten, nicht stellvertretend. Heute tun die Eltern, was sie wollen, Kommerz und Vulgarität dröhnen aus den Lautsprechern – und von kleinen Kindern wird erwartet, dass sie auf die Stimme des Geistes hören. Religiöse Erziehung beginnt, wie die Nächstenliebe, zu Hause.

Die Verbindung von Vater und Lehrer lässt sich zumindest bis in die sumerische Zivilisation zurückverfolgen. Der Schulleiter der sumerischen Schule wurde als „Schulvater“ bezeichnet, der Schüler als „Schulsohn“.5 Sowohl in Ägypten als auch in Mesopotamien fand der Unterricht häufig in dieser „Vater-Sohn“-Form statt. Auch in der hebräischen Bibel werden Lehrer (Priester) als „Vater“ bezeichnet (Judg. 17:10; 18:19), und die Beziehung zwischen Lehrer und Schüler (z. B. Elia und Elisa) wird durch „Vater“ und „Sohn“ ausgedrückt (2. Kön. 2:3, 12). Darüber hinaus spricht der Weise in den ersten Kapiteln des Buches der Sprüche seinen Schüler regelmäßig als „mein Sohn“ an. Wenn ein Kind heute in einem traditionellen jüdischen Haushalt für seine Eltern betet, spricht es sie mit „mein Vater, mein Lehrer“ und „meine Mutter, meine Lehrerin“ an.

In biblischen Zeiten war der Vater – und nicht Lehrbücher, audiovisuelle Medien oder bunte Klassenzimmer – das wichtigste Instrument im Lernprozess. Als Lehrer seiner Kinder diente der Vater als lebendiger und dynamischer Vermittler der göttlichen Wahrheit. Er konnte nicht durch eine Bibel ersetzt werden – es gab keine Bibeln. In Anwendung dieses Prinzips auf die heutige Herausforderung der biblischen Erziehung hat Heschel festgestellt, dass „wir mehr als alles andere keine Lehrbücher, sondern Lehrpersonen brauchen. Es ist die Persönlichkeit des Lehrers, die der Text ist, den die Schüler lesen; der Text, den sie nie vergessen werden.“

Das grundlegende Ziel der jüdischen elterlichen Erziehung war die Weitergabe eines historischen und ethischen Erbes. Der Talmud hebt diese Verpflichtung des Vaters, seine Kinder zu unterrichten, besonders hervor: „Der Vater ist verpflichtet, seinen Sohn zu beschneiden, … ihn die Tora zu lehren, ihm eine Frau zu nehmen und ihn ein Handwerk zu lehren“ (Kidduschin 29a). Für einen Großvater war es der Inbegriff persönlicher religiöser Befriedigung, einen Enkel einen Teil der Tora rezitieren zu hören (siehe Jerusalemer Talmud, Schabbat 1:2). Von allen 613 Geboten in der Tora war also keines wichtiger für das Verständnis des jüdischen Erbes des Lernens als diese Worte: „Lehre sie deine Kinder und ihre Kinder nach ihnen“ (Dtn 4,9; vgl. Ps 78,1-8).

Zur häuslichen Erziehung gehörte auch der Erwerb einer geeigneten Fertigkeit, eines Handwerks oder eines Handels, um den Lebensunterhalt zu verdienen. Ein Sohn lernte oft als Lehrling seines Vaters (Mischna, Kidduschin 4:14). Söhne wurden auch in den Fertigkeiten des Ackerbaus und der Schafspflege unterrichtet (1 Sam. 16:11). Eine Tochter blieb in der Regel bei ihrer Mutter, um verschiedene häusliche Tätigkeiten wie Weben und Kochen zu erlernen (Spr 31:13ff.). Da Musik und Tanz bei den Hebräern weit verbreitet waren, müssen viele Eltern ihre Kinder auch in diesen Bereichen unterrichtet haben (vgl. Exodus 15,1-21; 32,19; Dtn 31,30-32,47; Lk 15,25 usw.).

Im alten Israel gab es kein formelles Schulsystem oder -netz, und eine professionelle Ausbildung war für die breite Masse nicht ohne weiteres zugänglich. Infolgedessen war die Bildung recht vielfältig und hauptsächlich informell. Das Elternhaus blieb die Hauptquelle des Lernens, aber auch andere wichtige Bildungsinstanzen beeinflussten die Gesellschaft. Dazu gehörten der Priester, der Prophet und der weise Mann (vgl. Jer 18,18).

Marvin R. Wilson – Unser Vater Abraham – Jüdische Wurzeln des christlichen Glaubens

Wenn Eltern ihr Familienleben gemäß dem Wort Gottes strukturieren, dann lernen die Kinder, negative oder destruktive Impulse in konstruktive Problemlösungen zu verwandeln. Die folgenden Strategien können deinem Kind helfen, ein barmherziger, liebevoller und selbstsicherer Erwachsener zu werden.
• Höre deinem Kind aufmerksam zu, nicht nur mit deinen Ohren, sondern auch mit deinem Herzen. Bemühe dich, das Herz jedes Kindes kennen zu lernen. Frage es nach seinen Träumen und Wünschen, Gefühlen und Ängsten, Vorlieben und Abneigungen. Höre zu, ohne das Kind zu verurteilen, in der Hoffnung, es zu verstehen (Jakobus 1,19).
• Gestalte dein Familienleben nach Gottes Vorstellungen. Wenn die Familie von frommen Eltern kontrolliert wird, dann werden viele Einflüsse, die in Kindern negatives Verhalten und Zorn bewirken, von vornherein ausgeschaltet (Sprüche 1,8).
• Liebe deinen Ehepartner offen und bedingungslos. Die Beziehung der Eltern zueinander spiegelt sich häufig in der Beziehung ihrer Kinder zu anderen Menschen wider. Die beste Möglichkeit, einem Kind Geborgenheit zu vermitteln, besteht darin, deinen Ehepartner zu lieben (Epheser 5,33).

Hunt – Handbuch für biblische Seelsorge

weitere Bibelübersetzungen und Kommentare 2020

Pfingsten – I

Und wie hören wir sie, ein jeder in unserer eigenen Mundart, in der wir geboren sind:
Parther und Meder und Elamiter, und die Bewohner von Mesopotamien und von Judäa und Kappadocien, Pontus und Asien, und Phrygien und Pamphylien, Ägypten und den Gegenden von Libyen gegen Kyrene hin, und die hier weilenden Römer, sowohl Juden als Proselyten, Kreter und Araber-wie hören wir sie die großen Taten Gottes in unseren Sprachen reden?
Apg 2,8–11

Außer sich vor Staunen riefen sie: »Wie kann das sein? Diese Leute stammen alle aus Galiläa, und doch hören wir sie in den Sprachen der Länder sprechen, in denen wir geboren wurden! Da stehen wir — Parther, Meder, Elamiter, Leute aus Mesopotamien, Judäa, Kappadozien, Pontus, der Provinz Asien, Phrygien, Pamphylien, Ägypten und den Gebieten von Libyen aus der Gegend von Kyrene, Besucher aus Rom, Juden sowie zum Judentum Übergetretene, Kreter und Araber — und wir alle hören diese Leute in unseren eigenen Sprachen über die Taten Gottes reden.«
Neues Leben – Bibel 2006 -Apg 2:7–11

 Wie kommt es, dass jeder von uns sie in seiner Muttersprache reden hört? Wir kommen aus Persien, Medien und Elam, aus Mesopotamien, aus Judäa und Kappadokien, aus Pontus und aus der Provinz Asien, aus Phrygien und Pamphylien, aus Ägypten, aus der Gegend von Kyrene in Libyen und sogar aus Rom. Wir sind geborene Juden und Fremde, die sich der jüdischen Gemeinde angeschlossen haben, Und wir alle hören sie in unserer eigenen Sprache die großen Taten Gottes verkünden!«
Gute Nachricht Bibel 2018 – Apostelgeschichte 2,8–11

Wo kamen alle diese Personen her? Waren es „Ungläubige“ oder „jüdische Gläubige“ die an Jehovah, den Gott Abraham, Isaaks und Jakobs glaubten?
Richtig – die Antwort finden wir im AT: zuerst kamen die Assyrer, und haben das „10-Stämme-Reich“ vertrieben – in dem Gebiet des assyrischen Reiches angesiedelt. Dann, ein paar Jahrzehnte später, als die Babylonier die Weltmacht übernommen hatten, wurde auch der „Rest“ also das sogenannte „Zwei-Stämme Reich“ noch „umgesiedelt“ – in das nun größere Gebiet von Babylon. Ein kleiner Rest – so auch zum Beispiel Jeremia – flüchteten nach Ägypten.

In den Versen 9-11 werden die Regionen genannt, aus denen die frommen Männer kamen. Die ersten vier Volksgruppen waren die Parther, die Meder, die Elamiter und diejenigen, die in Mesopotamien wohnten (V. 9a). Diese Juden kamen aus dem Osten von Judäa, sprachen Aramäisch und waren Nachkommen der zehn Stämme. Die fünfte erwähnte Region ist Judäa (V. 9b), das Galiläa und Syrien einschließt. Die hier gesprochene Sprache war Hebräisch. Die nächsten fünf Namen sind Kappadozien, Pontus, Asien (V. 9c), Phrygien und Pamphylien (V. 10a). Diese Regionen liegen alle in Kleinasien (der heutigen Türkei), und die Menschen, die von dort kamen, sprachen Griechisch. Die nächsten beiden Gebiete sind Ägypten und Teile von Libyen, die an Kyrene grenzen (V. 10b). Diese Regionen lagen in Nordafrika, wo die Menschen ebenfalls Griechisch sprachen. Als nächstes erwähnt Lukas Besucher aus Rom (V. 10c). Es war also auch Europa vertreten, und diese Menschen sprachen Latein. Die Zusammensetzung dieses Kontingents bestand aus zwei verschiedenen Gruppen: Juden nach ihrer Staatsangehörigkeit und Proselyten, d. h. Heiden, die zum Judentum übergetreten waren. Als Nächstes erwähnt Lukas Kreter, die Griechisch sprachen, und Araber (oder Araber), die Nabatäisch, einen aramäischen Dialekt, sprachen (V. 11).
Diese Menschen aus der Diaspora hörten, wie die Apostel in ihren eigenen Sprachen sprachen, und was gesagt wurde, steht in Vers 11: Die Apostel sprachen von den mächtigen Taten Gottes.

Ariel’s Bibelkommentar: Apostelgeschichte

Juden von Geburt und Proselyten; Juden aus Kreta und aus Arabien…!, wörtlich: „sowohl Juden als auch Proselyten“. Heiden, die zum Judentum übergetreten waren, bildeten zu Jeschuas Zeiten einen beträchtlichen Teil des jüdischen Volkes, vielleicht sogar die Mehrheit (siehe Mt 23,15&N); deshalb taucht in der Apostelgeschichte das Thema, die Heiden zum Glauben an den jüdischen Messias zu bringen (1,8), in gewisser Weise bereits auf. Die versammelte Menge bestand jedoch nicht aus Heiden aus diesen Ländern, denn in den Versen 5-6 heißt es, dass sie sich aus religiösen Juden zusammensetzte, d. h. aus Juden, die die jüdischen religiösen Vorschriften ausreichend beachteten, um von weit her zu kommen und in Jerusalem das Pilgerfest Schawu˓ot zu feiern (V. 1&N, 20:16&N).
Araber. Nicht die Vorfahren der heutigen Araber, sondern Juden aus Arabien. Heiden werden erst mit den Samaritern in Kapitel 8 zur messianischen Gemeinde hinzugefügt

Jewish New Testament Commentary : a companion volume to the Jewish New Testament

DIE DISPERSION

Die verstreuten jüdischen Gemeinden werden in der Bibel als „Die Gefangenschaft“ bezeichnet, das spätgriechische Äquivalent ist διασπορά, Dispersion; aber das Wort „Gast“ galt immer mit besonderer Kraft für die Nation Israel. Die Patriarchen waren Wanderer, und selbst in ihren wohlhabendsten Tagen besaßen ihre Nachkommen nur einen Teil Palästinas in unsicherer Pacht. Das Königreich dauerte von der Thronbesteigung Sauls bis zum Fall Samarias im Jahr 722 v. Chr. kaum mehr als dreihundertfünfzig Jahre. Selbst in dieser Zeit besaß das israelitische Volk nie einen großen Teil des Landes, das es als sein Erbe beanspruchte, und Galiläa wurde „der Kreis“ (Galîl) der Heiden genannt. Nach 722 v. Chr. bewohnten diejenigen, die behaupteten, echte Söhne Jakobs zu sein, nur noch das Hochland von Juda und Benjamin und ein paar Dörfer rund um Jerusalem. Schon früh waren die Außenbezirke des israelitischen Territoriums häufigen Überfällen ausgesetzt, und das Auftauchen der assyrischen Heere war nicht nur durch eine, sondern durch viele Eroberungen gekennzeichnet. So verschleppte Tiglath-Pileser zur Zeit Pekas eine große Zahl von Gefangenen aus Nordpalästina, Galiläa und Gilead. Als Sargon Samaria einnahm, wurden die Bewohner des Bezirks verpflanzt, einige sogar bis nach Medien. Sein Sohn Sennacherib rühmt sich, nicht weniger als zweihunderttausend Judäer gefangen genommen zu haben. Soweit wir beurteilen können, behielten diese Exilanten weder ihre Bräuche noch ihre Religion bei, sondern verschmolzen mit den umliegenden Völkern. Dennoch gibt es keinen Grund, warum die späteren Gefangenen aus Juda nicht den Boden einer religiösen Siedlung vorgefunden haben sollten, den ihre Landsleute für sie vorbereitet hatten. Im sechsten Jahrhundert v. Chr. wurden die Deportationen durch den Babylonier Nebukadnezar fortgesetzt, vielleicht sogar systematischer. Jedenfalls wurden die Verbindungen mit dem alten Land nicht völlig abgebrochen, und die jüdischen Siedlungen behielten ihre charakteristischen Merkmale. Aus den späteren Büchern des Alten Testaments geht jedoch hervor, dass der Tempel in Jerusalem, selbst als er in Trümmern lag, Pilger anzog und als besonders heiliger Ort galt. Die Politik des Großkönigs bestand darin, die Deportationen nicht im großen Stil durchzuführen, sondern die Besten und Reichsten für den Abtransport auszuwählen und das gemeine Volk zur Bewirtschaftung des Landes zurückzulassen. Seit den Tagen der babylonischen Gefangenschaft lag die Stärke des Judentums eher im Osten als in Judäa.
Aber wenn die Juden nach Osten deportiert wurden, gab es eine freiwillige Wanderung nach Süden. Zumindest seit den Tagen Jesajas hatte Ägypten eine Anziehungskraft auf die Israeliten ausgeübt. Als Jerusalem in die Hände der Babylonier fiel, gründeten die jüdischen Exilanten eine Kolonie in Tahpanes (Daphne). Unter der persischen Herrschaft in Ägypten genossen sie offensichtlich den Schutz der Eroberer und ließen sich bis zum ersten Katarakt bei Yeb (Elephantine) nieder. Durch die Entdeckung der Mond-Cecil-Papyri, einer Reihe von Familientiteln, von denen eines möglicherweise auf das Jahr 494 v. Chr. datiert wird, wurde ein neues Licht auf diese jüdische Siedlung geworfen. Die Gemeinde hatte jahrelang das Recht auf einen eigenen Tempel mit Altar und Opfern genossen und stand unter dem Schutz des persischen Vizekönigs. Sie setzte sich offensichtlich aus wohlhabenden Händlern zusammen, und obwohl sie sich die Feindschaft der ägyptischen Priesterschaft zuzog, war sie mit dem Volk befreundet. Diese ägyptischen Juden standen in Verbindung mit dem Tempel in Jerusalem und dem Hohepriester.
Das Alte Testament liefert Beweise dafür, dass die Juden im persischen Reich zahlreich und einflussreich waren. Dessen Gründer, Kyros, galt als ihr besonderer Beschützer, und sein Sohn Kambyses billigte ihre Anbetung in Ägypten, als er die einheimische Religion unterdrückte. Nehemia erhielt seine Ernennung zum Gouverneur von Judäa in Susa (Schuschan) in Persien, und der Schauplatz des Buches Esther befindet sich am selben Ort. Zu Beginn des vierten Jahrhunderts vor Christus gab es also jüdische Gemeinden in Oberägypten, Mesopotamien, Persien und Medien.
Mit dem Auftauchen von Alexander dem Großen in Syrien trat das Judentum in eine neue Phase ein. Hatte es bis dahin zum Osten gehört, sollte es sich nun auch dem Westen anpassen. Als Hebräisch nicht mehr gebräuchlich war, übernahmen die Juden das Aramäische, eine verwandte Sprache, die ursprünglich von den Stämmen östlich von Palästina gesprochen wurde und deren Dialekte im fünften Jahrhundert v. Chr. vom Nil bis zum Tigris verbreitet waren; aber von nun an sollte auch das Griechische ein Träger des jüdischen Denkens sein. Für den Besuch Alexanders in Jerusalem ist Josephus die einzige Autorität , und seine Schilderung ist weder mit dem kanonischen Buch Nehemia noch mit den Mond-Papyri in Einklang zu bringen, da die Ereignisse des fünften und vierten Jahrhunderts v. Chr. unentwirrbar durcheinander geraten sind.
Laut Josephus wurde Alexander nach der Eroberung von Tyrus von Sanballat, einem Kuthaer, besucht, der von Darius Codomannus als Statthalter von Samaria gesandt worden war. Manasse, der Bruder des Hohepriesters Jaddua, hatte entgegen dem Gesetz Nikaso, Sanballats Tochter, geheiratet und Sanballat hatte ihm ein wertvolleres Priesteramt als das des Tempels sowie die Verwaltung des fruchtbaren Gebiets von Samaria versprochen. Sanballat nutzte einen Aufruhr in Jerusalem und die Tatsache, dass Jaddua Alexander durch seine starrsinnige Treue zu Dareios, dem er die Treue geschworen hatte, provoziert hatte, um die Erlaubnis zu erhalten, einen Tempel auf dem Berg Gerizim zu errichten und Manasse und seine Anhänger, die Jaddua verlassen hatten, einzusetzen. Alexander marschierte in der Zwischenzeit nach Jerusalem, um den Hohepriester zu bestrafen. Doch als das Heer Sapha (Mizpah, heute Nebi-Samwil) erreichte, trat der Hohepriester in seinen heiligen Gewändern an die Spitze des Volkes. Zur Überraschung aller fiel Alexander vor Jaddua in Anbetung nieder, und als Parmenio, sein General, nach dem Grund fragte, erklärte er, dass er nicht den Priester, sondern den Gott der Juden anbetete; denn er hatte eine Vision von einem Mann wie Jaddua gehabt, als er in Makedonien war, der versprach, dass Gott sein Heer führen und ihm die Herrschaft über die Perser geben würde. Dementsprechend erfüllte er alle Bitten, die der Hohepriester an ihn richtete, gestattete den Juden die freie Ausübung ihrer Religion in Judäa und auch in Babylon und Medien, befreite sie alle sieben Jahre von der Steuer und bot denjenigen, die sich in seine Armee einreihten, das Recht an, an ihren angestammten Bräuchen festzuhalten. Alexander, so Josephus, war umso eher bereit, die Juden zu begünstigen, als ihm das Buch Daniel gezeigt worden war und er wusste, dass seine Eroberung Persiens vorausgesagt worden war. Die Samariter beanspruchten dieselben Privilegien für sich, indem sie erklärten, sie seien ebenfalls Israeliten und führten ihren Stammbaum auf Josef zurück. Sie gaben zu, dass sie keine Juden waren, und Alexander gab ihrer Bitte weder nach noch lehnte er sie ab. Er befahl Sanballats Truppen, ihm nach Ägypten zu folgen, und gewährte ihnen Land in der Thebaide. Der Tempel auf dem Gerizim blieb bestehen und wurde zum Zufluchtsort nicht nur der Samariter, sondern aller unzufriedenen Juden. Im Jahr 331 v. Chr. zog Alexander nach Ägypten hinunter und legte im Winter den Grundstein für Alexandria, wo er eine Reihe von Juden ansiedelte.
Wie bereits erwähnt, gibt es einen verblüffenden Anachronismus zwischen Josephus und dem kanonischen Buch Nehemia, dessen Schauplatz Jerusalem im zwanzigsten Jahr des Artaxerxes, 445 v. Chr., ist. Er war ein Horoniter, dessen Tochter mit einem Enkel des Hohepriesters Eljaschib verheiratet war. Auch in den Mond-Papyri beschweren sich die Juden in Ägypten bei den Söhnen Sanballats über die Zerstörung ihres Tempels in Yeb im vierzehnten Jahr des Darius Nothus, 411 v. Chr., und bestätigen damit die Aussage in Nehemia, dass Sanballat ein Jahrhundert vor Alexander dem Großen lebte. Dennoch hat Josephus wahrscheinlich recht, wenn er andeutet, dass Alexander sowohl die Juden als auch die Samariter versöhnen wollte, und es ist bemerkenswert, dass er zugibt, dass letztere durch jüdische Schismatiker verstärkt wurden. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass der ständige Austausch zwischen den Juden Jerusalems und ihren Brüdern im Osten sie zu unschätzbaren Führern für ein Heer wie das Alexanders gemacht haben muss, dem es an Landkarten und topografischen Kenntnissen fehlte.1 Außerdem besaßen sie viele Eigenschaften, die für Siedler in einer neuen Handelsstadt wie Alexandria nützlich waren. Die Hellenisierung des Judentums lässt sich also gut bis in die Zeit Alexanders des Großen zurückverfolgen.
Die frühe Zerstreuung erfolgte zweifellos nach Osten, und bei der Aufzählung derer, die am Pfingsttag in Jerusalem waren, werden in der Apostelgeschichte als erstes die Parther, Meder, Elamiter und die Bewohner Mesopotamiens genannt, allesamt Bewohner von Ländern, die damals außerhalb der Grenzen des Römischen Reiches lagen. Von dieser Zerstreuung erfahren wir in der Apostelgeschichte nichts weiter, aber ihre Bedeutung für die Erforschung der christlichen Ursprünge ist nicht unerheblich, denn durch die jüdischen Siedlungen verbreitete sich das Christentum sowohl nach Osten als auch nach Westen. Über die Ausbreitung des Christentums im Osten haben wir jedoch keine genauen Informationen. Die Apostelgeschichte, unsere einzige zeitgenössische Autorität, schweigt sich aus und berichtet von keiner Missionsarbeit außerhalb Palästinas, außer der von Paulus und Barnabas. Dennoch zeigt die frühe und weit verbreitete christliche Legende, dass die Zwölf einige Jahre nach der Himmelfahrt die bekannte Welt unter sich in Missionsgebiete aufgeteilt haben, dass die Christen von Anfang an weit gereist sind, um das Evangelium zu verkünden, und dass die weit verstreuten Juden für diese Arbeit eine wertvolle, wenn nicht sogar unverzichtbare Hilfe waren. Doch obwohl diese Legende bis ins zweite Jahrhundert zurückreicht, sind die Schauplätze der Arbeit der Apostel bei Eusebius ebenso unbekannt wie bei uns. Für ihre Reisen nach Osten hat er nichts als die Abgar-Legende, die besagt, dass Thomas Thaddäus (Addai) nach Edessa schickte, um das Versprechen des Heilands zu erfüllen. Bei der Aufzählung der Teile der Welt, in denen die Apostel Christus gepredigt haben, muss er sich ausschließlich auf das Neue Testament und eine Aussage in Origenes‘ Kommentar zur Genesis stützen, die darauf hinweist, dass Thomas in Parthien gepredigt hat.
Das Partherreich, das während des Verfalls der Seleukiden entstand, war eine der kriegerischsten, wenn auch die am wenigsten zivilisierte der großen Monarchien des Alten Ostens. Auch wenn die Überreste seiner Bauten und Skulpturen im Vergleich zu dem, was die Assyrer, Babylonier, Perser und Griechen in diesem Teil der Welt hinterlassen haben, grob und barbarisch sind, hatten die Parther doch genug militärische Fähigkeiten, um die Römer in den Tagen der späteren Republik und des früheren Imperiums in Schach zu halten, und außer unter Marcus Aurelius, als Avidius Cassius in das Land einfiel, war kein Feldzug gegen sie erfolgreich. Das Herrschaftsgebiet der Parther, das sich vom Euphrat bis fast an die Grenzen von Hindostan erstreckte, teilte die zivilisierte Welt des klassischen Altertums mit der römischen. Selbst Palästina war vor den parthischen Armeen nicht sicher, und Josephus hat wiederholt auf ihre Bedeutung für die jüdische Politik hingewiesen. Die vernichtende Niederlage von Crassus im Jahr 54 v. Chr. wird nur am Rande erwähnt; aber ein paar Jahre später wurde das Land von den Parthern überrannt, die Jerusalem einnahmen und Antigonus, den Sohn von Hyrkanus‘ Bruder Aristobulus, auf den Thron setzten. Josephus zeigt in den späteren Büchern der Altertümer weiteres Interesse an den Angelegenheiten der Parther. Er erwähnt, dass um 36 v. Chr. Tiberius Vitellius, der kaiserliche Statthalter von Syrien, einen Vertrag mit Artabanus III. schloss, dem König von Parthien, der zwar abgesetzt worden war, aber sein Königreich wiedererlangt hatte. Bei dieser Gelegenheit spielte Herodes Antipas eine wichtige Rolle. Vitellius und Artabanus trafen sich in der Mitte einer über den Euphrat gebauten Brücke und wurden von Antipas prächtig bewirtet. Zu den Geschenken der Parther an die Römer gehörte auch ein jüdischer Riese namens Eleazar, der sieben Ellen groß war. Bei dieser Gelegenheit zog Antipas die Feindschaft des Vitellius auf sich, weil er die Nachricht vom Abschluss des Vertrages schneller an Tiberius schickte, was zeigt, dass der Tetrarch tief in die parthische Politik verstrickt war und in engerem Kontakt mit dem Kaiser stand als selbst der Statthalter einer kaiserlichen Provinz wie Syrien.

Dass die Juden ihren Einfluss ausweiteten, indem sie Proselyten machten, zeigt der Fall von Izates, dem König von Adiabene, und seiner Mutter Helena. Die Bekehrung dieses mächtigen und erfolgreichen Monarchen wurde von einem jüdischen Kaufmann namens Ananias eingeleitet, der sich jedoch weigerte, Izates zu raten, das Risiko einzugehen, seine Untertanen durch die Beschneidung zu beleidigen. Ein ernsthafterer Jude namens Eleasar überredete den König jedoch, sich dem Ritus zu unterziehen. Trotz der Feindseligkeit seiner Brüder, von denen er einige als Geiseln zu Claudius nach Rom und andere nach Parthien schickte, hielt er sich auf dem Thron eines Reiches, das man heute als „Pufferreich“ zwischen den rivalisierenden Reichen bezeichnen würde. Nachdem er viele Gefahren überstanden und Artabanus wieder auf den Thron gebracht hatte, starb Izates, und sein Leichnam und der seiner Mutter Helena wurden von seinem Nachfolger Monobazus nach Jerusalem gebracht und dort beigesetzt.
Die Zerstreuung unter den Parthern war in den Augen von Josephus so wichtig, dass seine erste literarische Arbeit eine Geschichte des jüdischen Krieges war, die er speziell für die Juden des Ostens schrieb. Über die Juden in Parthien selbst oder in dem Gebiet, das angeblich die Heimat der Parther war, ist in der Chronik von Eusebius, George Syncellus und Orosius überliefert, dass Artaxerxes Ochus um 350 v. Chr. einige rebellische Juden aus Ägypten nach Hyrkanien am Kaspischen Meer transportierte, wo es noch im fünften Jahrhundert n. Chr. Juden gab. In Medien gab es eine jüdische Gemeinde an einem Ort namens Gazaca, die so unwissend war, dass sie noch nie etwas von der Halaka (Regeln zur Einhaltung des Gesetzes) gehört hatte; und als Akiba ihnen die Geschichten von der Sintflut und von Hiob erzählte, waren sie ihnen ganz neu. In Elam oder Persien gab es, wie gezeigt wurde, schon lange Juden in Susa oder Schuschan, aber es gibt keine Beweise für ihre Anwesenheit anderswo. Im Katalog der Apostelgeschichte 2 bleibt nur Mesopotamien übrig, das zweifellos eines der größten jüdischen Zentren der Welt war. Zwei Städte, Pumbeditha und Nahardea, waren später im Talmud als Akademien für rabbinische Gelehrsamkeit berühmt. Das einzige andere östliche Land, das in der Apostelgeschichte erwähnt wird, ist Arabien, das laut Josephus unmittelbar an Palästina angrenzte. Aus Galater 1,17, wo Paulus sagt, dass er nach Arabien ging und nach Damaskus zurückkehrte (ὑπέστρεψα), könnte man schließen, dass Damaskus außerhalb seiner Grenzen lag. Auf der arabischen Halbinsel gab es zweifellos jüdische Siedlungen, aber nur vier Städte werden als solche erwähnt, und die Belege für einige von ihnen stammen tatsächlich erst aus der mohammedanischen Ära.
In Palästina waren die Juden eher eine Dispersion als Bewohner ihres eigenen Landes. Zur Zeit der Makkabäer gab es zum Beispiel in Galiläa so wenige Juden, dass sie von Judas zusammengetrieben und um Jerusalem herum angesiedelt werden konnten. Baschan und Gilead, später die Dekapolis und Peräa, waren mit Städten mit griechischen oder mazedonischen Namen übersät, ebenso wie die Küste. Die große Schweineherde am Ufer des Sees Genezareth kann als Beweis für eine große hellenische oder nicht-jüdische Bevölkerung angeführt werden. In Cäsarea provozierten die jüdischen Einwohner die griechische Mehrheit durch ihre Ansprüche auf die Kontrolle der Stadt, und der jüdische Krieg begann mit einer Beleidigung ihrer Synagoge. Sebaste war praktisch eine heidnische Stadt und feierte zusammen mit Cäsarea den Tod von Agrippa mit unanständigen Freudenbekundungen. Tiberias in Galiläa war größtenteils heidnisch, da es von den Juden als unrein angesehen wurde, da es über einer alten Begräbnisstätte erbaut wurde. Als Jesus seine Jünger in die Städte und Dörfer Galiläas schickte, warnte er sie: „Geht nicht auf den Weg der Heiden, und in eine Stadt der Samariter geht nicht hinein. Dies ist ein schlüssiger Beweis dafür, dass es zur Zeit Christi für einen Israeliten, der in Palästina unterwegs war, notwendig war, zwischen einer eigenen Stadt und einer fremden Stadt zu unterscheiden.
Syrien war sowohl nach Josephus als auch nach Philo ein großes Zentrum der Dispersion. Möglicherweise ist es mit „Judäa“ in Apostelgeschichte 2 gemeint, das von Hieronymus durch Armenien ersetzt wird. Syrien umfasste die römische Provinz und Palästina, Kommagene, Emesa, Abilene und das Königreich Chalkis. In diesem Gebiet wurden einundvierzig Städte mit jüdischen Einwohnern aufgezählt, mehr als die Hälfte davon in Palästina. Sie erstrecken sich von Samosata im Norden bis Raphia im Süden. Die Städte außerhalb des Heiligen Landes, von denen man sagen kann, dass es Spuren jüdischer Siedlungen vor 100 n. Chr. gibt, sind Antiochia, Seleucia, Apamaea, Arados, das Königreich Chalcis, die von den Herodiern regierte Tetrarchie von Abilene und Damaskus.
In Antiochia, das in der frühen Geschichte und der Entwicklung des Christentums eine so wichtige Rolle spielte, lebten offensichtlich viele Juden, die sich dort ständig aufgehalten haben müssen, seit Palästina 198 v. Chr. unter die syrische Monarchie fiel. Josephus berichtet, dass Seleukus Nikator den Juden das Bürgerrecht verlieh und alle ihre Rechte nach dem Tod ihres Feindes, Antiochus Epiphanes, wiederhergestellt wurden. Als Titus 70 n. Chr. die Stadt besuchte, waren die Juden sowohl zahlreich als auch unbeliebt. Vier der fünf Namen, die in Apostelgeschichte 13:1 als Initiatoren der Heidenmission genannt werden – Barnabas, Simeon, Manahem, der Ziehbruder von Herodes dem Tetrarchen, und Saulus – sind eindeutig jüdisch. Die häufigen Warnungen von Ignatius, dem Bischof von Antiochia, Anfang des zweiten Jahrhunderts, vor der Judaisierung deuten darauf hin, dass er einer christlichen Gemeinde vorstand, die von Juden umgeben war , und Johannes Chrysostomus predigte drei Jahrhunderte später in Antiochia häufig gegen sie.
Damaskus war auch ein wichtiges jüdisches Zentrum, obwohl die Beweise für das Vorhandensein einer Dispersion hauptsächlich auf dem Neuen Testament und Josephus beruhen. Letzterem zufolge müssen die Juden sehr zahlreich gewesen sein, da 10.000 oder sogar 18.000 von ihnen im Jüdischen Krieg massakriert wurden. Die Kommentatoren gehen im Allgemeinen davon aus, dass Damaskus unter der Gerichtsbarkeit von Aretas stand, aber das könnte auf ein Missverständnis der Worte des Paulus in 2 Kor 11,32 zurückzuführen sein. Damaskus war eine der Städte in der Dekapolis, zumindest laut Plinius dem Älteren, der 79 n. Chr. starb. Diese Städte waren eine Konföderation griechischer Städte, die durch gemeinsame Sympathie und Interessen miteinander verbunden waren. Wahrscheinlich wurde er gegründet, als Pompejus die hellenischen Städte von der jüdischen Herrschaft befreite, in die sie von Alexander Jannaeus gebracht worden waren. Trotz der großen jüdischen Kolonie war Damaskus zur Zeit der Apostelgeschichte im Wesentlichen griechisch, und die Münzen aus der Zeit, als die Stadt autonom war, tragen alle die Namen griechischer Gottheiten, vor allem von Zeus. Unter Augustus und Tiberius gab es kaiserliche Münzen der Stadt, aber danach klafft eine Lücke bis zur Zeit von Nero. Aus 2. Korinther 11,32 wurde gefolgert, dass die Regierung von Damaskus während der Herrschaft von Caligula und Claudius in die Hände von Aretas überging. Angesichts der Tatsache, dass Damaskus im Wesentlichen eine hellenische Stadt war und daher seit der Zeit des Pompejus höchstwahrscheinlich nicht mehr von einem semitischen Herrscher regiert wurde, ist es möglich, dass ὁὁ eine semitische Stadt war, ist es möglich, dass ὁ ἐθνάρχης Ἀρέτα τοῦ βασιλέως ἐφρούρει τὴν πόλιν τῶν Δαμασκηνῶν bedeutet, dass der Offizier des Aretas außerhalb und nicht innerhalb der Mauern Wache hielt, um Paulus an der Flucht zu hindern.
Die Provinzen Kleinasiens, die in Apostelgeschichte 2 aufgezählt werden, sind Kappadozien, Pontus, Asien und Bithynien. In Apostelgeschichte 6 finden wir eine Synagoge der kilikischen Juden; und 1 Petrus ist zusätzlich zu den oben genannten Provinzen auch an Galatien und Bithynien gerichtet. Phrygien, das in Apostelgeschichte 2 vorkommt, war keine Provinz, sondern ein Bezirk, der teilweise in Asien und teilweise in Galatien lag. Von diesen sieben Provinzen, in die die Halbinsel mit abhängigen Königreichen aufgeteilt war, werden im Neuen Testament keine Städte in Kappadozien, Pontus oder Bithynien genannt, aber in allen anderen Städten, die erwähnt werden, wird von jüdischen Gemeinden ausgegangen. Über Paulus‘ Arbeit in Perga in Pamphylien, wo er landete, wird nichts gesagt, aber im pisidischen Antiochia fanden er und Barnabas eine Synagoge, in der Paulus seine Ansprache hielt. Ebenso verhält es sich mit Ikonium im Süden der römischen Provinz Galatien. Ephesus in Asien war offensichtlich ein wichtiges jüdisches Zentrum. Die Juden Asiens in Jerusalem beschuldigten Paulus, Griechen in den Bereich des Tempels gebracht zu haben. Aber es ist nicht nötig, sich die Mühe zu machen, die weite Verbreitung der jüdischen Gemeinde in diesem Teil des römischen Reiches zu beweisen.
Ohne die Apostelgeschichte wüsste man kaum etwas über die Juden in Mazedonien und Griechenland, denn abgesehen von einer Aussage bei Philo gibt es keine weiteren frühen Belege für ihre Präsenz auf der Balkanhalbinsel. Doch aus der Apostelgeschichte erfahren wir nicht nur, dass es in allen Städten, die Paulus besucht hat, jüdische Kolonien gab, sondern auch, dass in großen Handelszentren wie Thessaloniki und Korinth der jüdische Mob den Frieden empfindlich störte. Sogar in Athen, dem Zentrum der hellenischen Kultur, einer Stadt, die von Gelehrten besucht wurde, konnte Paulus eine Synagoge finden, in der er mit den Juden stritt. Zypern, das antike Kittim oder Chittim, war den alten Hebräern als Insel im Großen Meer bekannt, und in Salamis, an ihrem östlichen Ende, gab es offensichtlich eine jüdische Bevölkerung, da das Wort Synagoge nicht in der Einzahl, sondern im Plural vorkommt. Paphos, auf der westlichen Seite, war der Sitz der Regierung, wo Paulus und seine Gefährten Sergius Paulus und seinen Wahrsager, den Juden Elymas, trafen. Der Aufstand der Juden auf Zypern war einer der gewaltigsten Aufstände in den Tagen von Trajan und Hadrian.
Kyrene war größtenteils von Juden bewohnt, die angeblich von Ptolemäus Lagus angesiedelt worden waren. Seit den Tagen von Sulla zeigten sie sich äußerst unruhig, und Lucullus musste bei seinem Besuch des Landes ihre Unruhen beschwichtigen. Strabo, der die weite Zerstreuung des Volkes bezeugt, sagt, dass die Juden in der Stadt Kyrene die vierte Abteilung der Bevölkerung bildeten, die sich aus Bürgern, Eheleuten, Fremden (μέτοικοι) und Juden zusammensetzte. Jüdische Siedlungen werden im Neuen Testament häufig erwähnt, doch kein Missionar soll das Land besucht haben, obwohl die ersten Prediger der Heiden in Antiochia Männer aus Zypern und Kyrene waren.
In Ägypten gibt es zahlreiche Hinweise auf jüdische Siedlungen in Papyri, Inschriften usw., und Philo schätzt in seinem Buch gegen Flaccus, dass seine Landsleute eine Million Menschen waren, die vom Abstieg nach Libyen bis zur Grenze Äthiopiens lebten.
Die jüdische Gemeinde in Alexandria war eine der zahlreichsten, wohlhabendsten und privilegiertesten der Welt. Gegründet von Alexander dem Großen, um den Osten mit dem Westen zu verbinden, ging sie nach seinem Tod in die Hände seines Generals Ptolemäus Lagus über, dessen Haus sich fast ausnahmslos als judenfreundlich erwies. Die Ptolemäer verzichteten auf alle ehrgeizigen Pläne zur Weltherrschaft und widmeten ihre Energie der Verwaltung des Landes, das ihnen zugefallen war.

The Beginnings of Christianity, Part I: The Acts of the Apostles – 1920

Siehe hierzu auch den Gedanken ob das NT sich nur an einem Ort verbreitet hat….

Warum blieben Joseph und Maria nach Jesu Geburt in Bethlehem, statt nach Nazareth zurückzukehren?

Eine „internationale Zeitschrift“ stellte die oben genannte Frage.
Als Antwort heißt es dann:

Darauf gibt die Bibel keine Antwort. Sie nennt aber mögliche Gründe für diese Entscheidung.
Ein Engel sagte zu Maria, sie würde schwanger werden und einen Sohn zur Welt bringen. Als er ihr die Nachricht überbrachte, lebten Maria und Joseph in Nazareth, Josephs Heimatort in Galiläa (Lukas 1:26-31; 2:4). Nachdem sie später aus Ägypten zurückgekehrt waren, nahmen sie wieder Wohnsitz in Nazareth. Jesus wuchs dort auf und wurde ein Nazarener (Matthäus 2:19-23). Es liegt daher auf der Hand, warum wir alle drei mit Nazareth in Verbindung bringen.
Maria hatte eine Verwandte namens Elisabeth, die in Juda lebte. Sie war die Frau des Priesters Sacharja und wurde die Mutter von Johannes dem Täufer (Lukas 1:5, 9, 13, 36). Maria hatte Elisabeth in Juda besucht und war drei Monate lang bei ihr geblieben. Dann kehrte sie nach Nazareth zurück (Lukas 1:39, 40, 56). Das Gebiet Juda war ihr also nicht unbekannt.
….
Da Joseph eine göttliche Warnung erhalten hatte, floh er mit Maria und Jesus nach Ägypten, wo sie bis zum Tod von Herodes blieben. Anschließend zog er mit seiner Familie ins nördlich gelegene Nazareth. Warum gingen sie nicht nach Bethlehem zurück? In Judäa war jetzt Archelaus, der tyrannische Sohn von Herodes, an der Macht. Außerdem hatte Joseph wieder eine Warnung von Gott erhalten. In Nazareth konnte Jesus gefahrlos aufwachsen (Matthäus 2:19-22; 13:55; Lukas 2:39, 52).

Wachtturm Studienausgaben Juni 2023

Schade, Chance verpasst, tiefer in diese Frage einzutauchen! – oder war es nur Mangel an Platz in der Zeitschrift? Schauen wir uns also näher an, was die Bibel nicht dazu sagt:

Was erfahren wir über Nazareth?

Nazareth, Nazarener. Nazareth ist weder im A. T. erwähnt, noch von Josephus, welcher manche der benachbarten Dörfer anführt, war also jedenfalls ein kleines, politisch unbedeutendes Dorf des unteren Galiläa, abseits von den Verkehrswegen, in einem Talkessel rings von Hügeln eingeschlossen, an dessen steil ansteigender Bergwand es angebaut ist, die von der Weisheit Gottes erkorene, stille, verborgene Heimat Jesu bis zu seiner Taufe. Nach derselben scheint Jesus wiederholt in N. aufgetreten zu sein, teils unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Judäa, Lu. 4, 16ff., ehe er nach Kapernaum zog, teils auf einer späteren Wanderung durch Galiläa, Mk. 6, 1 ff.; Mt. 13, 54 ff. Er hatte in dem Orte Verwandte, da zwar seine Mutter und Brüder mit ihm nach Kapernaum zogen, Joh. 2, 12, aber seine Schwestern wahrscheinlich verheiratet in N. zurückblieben, Mk. 6, 3. Aber gerade diese genaue Bekanntschaft der Leute von N. mit ihm und seiner Familie wurde ihnen zum Glaubenshindernis; sie vermochten in dem, der ihnen so nahe stand, nicht den von Gott zu ihrem Herrn und König Gesalbten zu erkennen, und Jesu Strafwort über ihren Unglauben reizte sie bis zum Mordversuch. Nachdem das Dorf seit den Kreuzzügen Bischofssitz geworden ist, wuchs seine Bedeutung allmählich, zum Teil wegen der Verödung der Jesreelebene infolge der Einfälle der Araber, und jetzt ist es die größte Stadt des Distrikts mit einer Bevölkerung von über 3000 Seelen, auch mit einer evangel. Gemeinde u. einer hübschen evangel.Kirche. Ins alte N. reicht vom jetzigen Städtchen kaum irgend etwas zurück als der einzige Brunnen desselben, auf den der ganze Ort von jeher angewiesen war (Tafel 18). — Nazarener er, der von Nazareth, hieß Jesus nach der Weise der Zeit, da man zur Unterscheidung gleichnamiger Personen die Herkunft derselben dem Namen beifügte. Diese Benennung gehört mit zu seiner Verborgenheit und Niedrigkeit; sie enthielt für den Juden ein Ärgernis. Das Christusamt und Herkunst aus Nazareth konnte er nicht zusammenbringen ohne einen kräftigen Glaubensgehorsam, der sich der Gottesherrlichkeit in Jesu ergab, vgl. Joh. 1, 45 ff. Darum bezeichnet Matthäus den Namen Nazarener als der Weissagung der Propheten gemäß, Mt. 2, 23. Der Entschluß der Eltern, aus Furcht vor Archelaus nicht in Judäa, sondern in Nazareth sich niederzulassen, gab Jesus jene Verborgenheit, die durch die Weissagung dem Kommenden zugeschrieben war. Matthäus wird dabei besonders an Jes. 11, 1 denken, wo das hebr. Wort für Zweig (nezer) an den Namen Nazareth erinnert. Später hat jüdischer Spott für die Gemeinde den Namen „die Nazarener“ aufgebracht, Ap. 24, 5. Damit war in den Augen der Juden die Torheit der Glaubenden hinlänglich gekennzeichnet, daß sie dem als dem Christus anhingen, der aus Nazareth kam.

Calwer Bibellexikon 1912

Nazareth Vielleicht »Wächterin«
Heimatort Jesu in Galiläa (Mt 2,23; Mk 1,9; Lk 2,39; Joh 1,46). Das Wort »Vaterstadt« in Mk 3,1 muss nicht notwendig einen Geburtsort bezeichnen, sondern kann auch einfach einen Heimatort angeben. Im AT ist N. nicht genannt, heute ist es En-Nazira bzw. Nazareth (32.701,35.303), in einer Höhe von 350–400 m am Südhang des Dschebel es-Sih gelegen, von dem aus man die gesamte Ebene Jesreel überblickt. Der in ntl. Zeit unbedeutende Ort (vgl. Joh 1,46) lag nahe der großen Handelsstraße von Damaskus nach Ägypten. Jesus ist also nahe dem Leben und Treiben des großen Verkehrsweges aufgewachsen. Er fand später keinen Glauben in seiner Vaterstadt (Mk 6,1–6), die er zu Beginn seines öffentlichen Wirkens verlassen hatte (Mt 4,13; Joh 2,12).
N. war in der Eisenzeit, nicht aber in babylon.-persischer Zeit besiedelt. Die Wiedergründung erfolgte in späthellenistischer Zeit, wahrscheinlich durch aus Babylon zugewanderte Glieder der Davidsfamilie, die dem Ort den Hoffnungsnamen »Sprossdorf« (Jes 11,1; vgl. Mt 2,23; → Spross) gaben. Unter der Verkündigungskirche wurden ein jüd. Ritualbad, ntl. Siedlungsreste und spätere judenchristliche Kultbauten gefunden. 2009 grub man in der Nähe dieser Kirche ein Wohnhaus aus dem 1. Jh. n. Chr mit zwei Räumen, einem Hof und einer steinernen Zisterne zum Auffangen von Regenwasser aus. Unter einem Kloster befindet sich ein eindrucksvolles Rollsteingrab. Eine Synagogeninschrift des 3./4. Jhs. aus Cäsarea am Meer bezeugt N. als jüd. Priestersiedlung. Die sog. N.inschrift aus dem 1. Jh. n.Chr. enthält ein kaiserliches Edikt mit Androhung der Todesstrafe für Leichendiebe. Es wird diskutiert, ob das mit der Auferstehung Jesu und den daraus resultierenden Gerüchten (Mt 28,20) in Zusammenhang steht.

Lexikon zur Bibel: Personen, Geschichte, Archäologie, Geografie und Theologie der Bibel

Nazareth. Ein Dorf in der römischen Provinz Galiläa, die Heimat von Josef, Maria und Jesus. Nazareth war schon immer klein und abgelegen und wird weder im Alten Testament noch in den Apokryphen, in den jüdischen Schriften des Intertestaments oder in den Geschichten von Josephus erwähnt. Die Stadt liegt nördlich der Ebene von Esdraelon in den Kalksteinhügeln des südlichen Libanongebirges. Sie liegt in süd-südlicher Richtung auf 3 Seiten eines Hügels. Diese Lage bildet ein geschütztes Tal mit einem gemäßigten Klima, das Früchte und Wildblumen begünstigt. In der Nähe von Nazareth führten Handelswege und Straßen vorbei, aber das Dorf selbst lag nicht an einer Hauptstraße. Nazareth liegt etwa 15 Meilen westlich vom See Genezareth und 20 Meilen östlich vom Mittelmeer. Jerusalem liegt etwa 70 Meilen südlich. Archäologische Funde deuten darauf hin, dass die antike Stadt höher auf dem westlichen Hügel lag als das heutige Dorf (vgl. Lk 4,29). Zur Zeit Christi lag Nazareth, wie die gesamte Region Südgaliläa, außerhalb des jüdischen Lebens, was den Hintergrund für Nathanaels ironische Bemerkung an Philippus bildete: „Kann aus Nazareth etwas Gutes kommen?“ (Joh 1,46).
Nazareth wird im Neuen Testament erstmals als Wohnort von Maria und Josef erwähnt (Lk 1:26, 27). Einige Zeit nachdem Jesus in der Heimatstadt seiner Eltern, Bethlehem, etwa 80 Meilen südlich, geboren wurde, kehrten Maria und Josef nach Nazareth zurück (Mt 2,23; Lk 2,39). Jesus wuchs dort auf (Lk 2:39, 40, 51) und verließ das Dorf, um sich von Johannes im Jordan taufen zu lassen (Mk 1:9). Als Johannes verhaftet wurde, zog Jesus nach Kapernaum (Mt 4,13). Obwohl Jesus in seiner Jugendstadt oft als „Jesus von Nazareth“ bezeichnet wurde (siehe Mk 10:47; Joh 18:5, 7; Apg 2:22), berichtet das NT nur von einem weiteren Besuch Jesu in Nazareth. Bei dieser Gelegenheit predigte Jesus in der Synagoge und wurde von den Stadtbewohnern abgelehnt (Lk 4,16-30; vgl. Mt 13,54-58; Mk 6,1-6). Die Anhänger Jesu wurden auch spöttisch „Nazarener“ genannt (Apg 24,5).
Nazareth blieb eine jüdische Stadt bis zur Zeit des Kaisers Konstantin (gest. 327 n. Chr.), als sie zu einem heiligen Ort für christliche Pilger wurde. Um 600 n. Chr. wurde in Nazareth eine große Basilika gebaut. Araber und Kreuzfahrer kontrollierten den Ort abwechselnd bis 1517, als er an die Türken fiel, die alle Christen zwangen, ihn zu verlassen. Die Christen kehrten 1620 zurück, und die Stadt ist heute ein wichtiges christliches Zentrum im heutigen Israel.

Baker encyclopedia of the Bible 1988

Die Geschichte von Maria und Josef ist eine Geschichte aus Galiläa, mit wichtigen Ausflügen nach Bethlehem, Jerusalem und Ägypten. Im ersten Jahrhundert n. Chr. gab es in Galiläa eine große jüdische Bevölkerung, die in den Städten und Dörfern, die über die fruchtbaren Hügel und Täler der Region verstreut waren, ein reges kulturelles Leben führte. Das war nicht immer so – die israelitische Besiedlung hatte durch die assyrischen Invasionen im späten achten Jahrhundert v. Chr. einen herben Rückschlag erlitten, und ein ständiger Zustrom von Babyloniern, Persern, Griechen und Römern und anderen entlang der großen internationalen Fernstraßen der südlichen Levante stand den jüdischen Bemühungen entgegen, ihre eigene Präsenz in der Region wiederherzustellen. Historiker sprechen oft von einem Versuch der hasmonäischen Könige – insbesondere von Aristobulus in den Jahren 104-103 v. Chr. – Galiläa zu „erobern“ oder zu „judaisieren“, sei es mit Gewalt oder auf andere Weise, als Teil des ehrgeizigen Versuchs der Hasmonäer, das einst vom alten Israel kontrollierte Land wieder in den jüdischen Schoß zurückzuführen. In den schriftlichen Quellen aus dieser Zeit gibt es jedoch keine konkreten Beweise für ein solches Vorhaben. Josephus zitiert den griechisch-alexandrinischen Historiker Timagenes aus dem ersten Jahrhundert v. Chr. (Nr. 81) und spricht nur von der Zwangsbeschneidung der Bewohner von Iturea in und um den Berg Hermon und das Huleh-Becken durch Aristobulus (Ant. xiii.11 .3), und von einem Ereignis, über das keine Einzelheiten bekannt sind, bei dem Aristobulus‘ Bruder Antigonus ruhmreich nach Jerusalem zurückkehrte, nachdem er in Galiläa „eine sehr schöne Rüstung mit feinem Kriegsschmuck“ erworben hatte (Ant. xiii.11.1; War i.3.3). Keine dieser Erwähnungen, die Josephus größtenteils beiläufig macht, deutet auf offizielle Feldzüge in Untergaliläa oder am See Genezareth hin, den Regionen, die zur Zeit Jesu im Norden des Landes am dichtesten von Juden besiedelt waren. Nichtsdestotrotz scheint Galiläa ein wichtiger – wenn auch eher peripherer – Teil des hasmonäischen Reiches gewesen zu sein, mit wachsenden Bemühungen eifriger Juden, die – offiziell oder anderweitig – darauf aus waren, das jüdische religiöse, politische und soziale Leben in der Region wiederherzustellen. Sicherlich können wir auch ein gewisses Maß an jüdischer Einwanderung nach Galiläa in den Jahrzehnten vor der Zeit der Evangelien annehmen und folgern, dass einige der Juden, die nach Norden zogen, von den günstigen wirtschaftlichen Möglichkeiten der Region angezogen wurden, während andere zweifellos von einer Ideologie motiviert waren, die von einem „Rückkehrrecht“ in das Land der Könige Israels geprägt war.

Das Galiläa von Maria und Josef. Maria und Josef waren in den Hügeln von Untergaliläa zu Hause, einer Region, die unter der Kontrolle von Herodes dem Großen stand und nach 4 v. Chr. von seinem Sohn Antipas regiert wurde. In den Augen eines Judäers war das ein bisschen wie ein Grenzland, aber für diejenigen, die mutig und bereit waren, hart zu arbeiten, bot Galiläa ein komfortables Zuhause. Gleichzeitig durchzogen Korridore des Hellenismus die Region, die vor allem durch die fruchtbaren Täler Jesreel und Beth Netofa verliefen. Sie boten den Unerschrockenen Wachstumsmöglichkeiten, wurden aber von den vielen Menschen, die nur versuchten, über die Runden zu kommen, mit Misstrauen betrachtet.

Die geografische Beschaffenheit der Region machte dies sowohl wünschenswert als auch schwierig. Im Gegensatz zu den zerklüfteten Hügeln Judäas, wo die Juden Jerusalems eine energische religiöse und kulturelle Identität in einer Region aufbauen konnten, die weitgehend von den Wellen des Hellenismus abgeschirmt war, die in der darunter liegenden Küstenebene an Land gespült wurden, lag Galiläa offen und exponiert. Breite Täler durchziehen die Region und verbinden das Mittelmeer mit dem Grabenbruch und darüber hinaus und laden den Westen ein, den Osten zu treffen und sich auf den fruchtbaren Ebenen niederzulassen. Das Ergebnis war, dass, obwohl Untergaliläa im ersten Jahrhundert n. Chr. wieder eine große jüdische Bevölkerung hatte, ausgeprägte und einflussreiche Korridore des Hellenismus in der Region verblieben, die Ptolemais und Cäsarea mit Tiberias verbanden und die lokale Kultur und Wirtschaft an Rom banden. Diese Korridore verliefen natürlich auch entlang der Täler, als Rom seine Tentakel in alle wirtschaftlich produktiven Gebiete seines Reiches ausstreckte. Nicht umsonst bezeichnete Matthäus das Galiläa der Evangelien mit einem Zitat des Propheten Jesaja als „Galiläa der Heiden“ (Mt 4,15; vgl. Jes 9,1). Jüdische Großgrundbesitzer in den Tälern Jezreel und Beth Netofa (die Täler, die den Nazareth-Kamm im Süden bzw. im Norden einrahmen) erkannten im Allgemeinen – und verständlicherweise – die persönlichen wirtschaftlichen Vorteile, die sich aus der Teilnahme an dem System ergaben, und wurden dadurch recht wohlhabend. Aber für diejenigen, die in Galiläa angesichts der Versuchungen der Welt eine auf der Tora basierende religiöse Identität wiederherstellen wollten, waren solche Landsleute einfach Kollaborateure. Viele dieser Juden hätten sich wohler gefühlt, wenn sie hoch oben auf den Hügeln über den großen Tälern gelebt hätten oder in Gegenden, die etwas weiter von den Zentren des Hellenismus entfernt waren. Es könnte aber auch sein, dass Juden, die bereits in abgelegeneren Gegenden lebten, es einfach leichter fanden, ihren Platz im Leben zu rechtfertigen, indem sie sich direkter den bewährten Forderungen des Judentums zuwandten.
Auf jeden Fall gibt es unter den jüdischen Dörfern Galiläas im ersten Jahrhundert n. Chr. kaum eines, das näher an den Möglichkeiten dieser „Kollaborateure“ lag als Nazareth, obwohl es im Hinterland lag. Es war ein kleines Dorf mit höchstens ein paar hundert Einwohnern und Häusern, die über nicht mehr als 40 bis 50 Hektar Land verstreut waren. Es war für die Wirtschaft der Region weitgehend unbedeutend und wird außer in den Evangelien in keinem Dokument der ersten Jahrhunderte v. Chr./n. Chr. erwähnt. (Matthäus und Lukas bezeichnen Nazareth gnädigerweise als „Stadt“ [Mt 2,23; Lk 2,4; 4,29], obwohl Hieronymus noch im sechsten Jahrhundert, nachdem der Ort aufgrund seiner Verbindung zu Jesus die Aufmerksamkeit von Pilgern auf sich zog, von einem „Weiler“ sprach; Onomasticon 141). Nazareth lag in einem kleinen Becken aus weichem, kalkhaltigem Gestein hoch auf dem Kamm eines felsigen Bergrückens, der sich 1.100 Fuß aus dem Jesreel-Tal erhob. Das Gefälle in Richtung Norden, nach Sepphoris und dem Beth Netofa Tal, ist sanfter, aber steil genug, um Nazareth von der Hauptroute abzuhalten. Aufgrund der Qualität des weichen Gesteins auf der Spitze des Bergrückens kamen die Bewohner von Nazareth mit relativ schlechten Baumaterialien, einer schwachen, aber ausreichenden Quelle und einem nicht sehr ertragreichen Boden aus. Es war möglich, in Nazareth seinen Lebensunterhalt zu verdienen, aber wenn man die Stadt an die Grenzen ihrer eigenen Ressourcen brachte, würde sie nie sehr wohlhabend werden. Andererseits lieferte der harte Kalksteinrücken hangabwärts gutes Baumaterial und einen reichhaltigen Terra-Rosa-Boden, der sich hervorragend für Oliven, Feigen und Trauben eignete, und einige Dorfbewohner bewirtschafteten diese Gebiete sicherlich. Die wunderbar fruchtbaren Täler am Fuße des Bergrückens von Nazareth dienten dem internationalen Handel in der südlichen Levante. Das Jesreel-Tal im Süden (das der Psalmist „das Weideland Gottes“ nannte; Ps 83,12) und das kleinere, aber ebenso gesegnete Beth-Netofa-Tal im Norden waren der Vergleich zu Nazareths weniger günstiger Lage. Die Einwohner von Nazareth kannten natürlich ihr Schicksal und wussten, dass für diejenigen unter ihnen, die es vorzogen, zu Hause zu bleiben, die Ressourcen unter ihnen nicht in Reichweite lagen. Zu Hause in ihrem kleinen, an ein Becken grenzenden Dorf konnten die Nazarener nur eine schmale Horizontlinie sehen, und obwohl die weite Welt jenseits der Grenze außer Sichtweite war, ging sie ihnen nicht aus dem Kopf. Einige zogen es vor, mit ihr zu interagieren, indem sie in anderen Dörfern der Gegend oder sogar im nahe gelegenen Sepphoris Arbeit, Handel oder soziale Kontakte suchten. Andere klammerten sich an ihre Heimat im Kalksteinbecken und errichteten eine Barriere aus religiösem und politischem Partikularismus gegen die Heiden, die ihnen zu Füßen lagen, wenn man die unverblümte Reaktion der Bewohner von Nazareth auf Jesu wohlwollende Erwähnung der Sidonier und Syrer als Indiz nimmt (vgl. Lk 4,24-29). Das Umfeld von Jesu Heimatdorf hat also in seinen vielen Facetten zu Recht Nathanaels knappen Tadel hervorgerufen: „Kann aus Nazareth etwas Gutes kommen?“ (Joh 1,46).

Rose Then and Now Bibelkartenatlas mit biblischem Hintergrund und Kultur

NAZARETH ist das Dorf, in dem Josef und Maria lebten und in dem Jesus zu Hause war, bis er sein öffentliches Wirken begann. Das Mittelmeer liegt zwanzig Meilen westlich und fünfzehn Meilen östlich liegt der See Genezareth. Die Stadt liegt in der Nähe einer der Hauptverkehrsstraßen zwischen Ägypten und Mesopotamien. Zur Zeit Jesu umfasste das Dorf nicht mehr als sechzig Hektar und die Einwohnerzahl wurde auf etwa fünfhundert geschätzt.
Teile von Nazareth wurden um die Jahrhundertwende von Vlaminek und Viaud und in den 1950er Jahren von B. Bagatti ausgegraben. Unter der Kirche der Verkündigung wurden zwei Höhlen aus dem frühen vierten Jahrhundert nach Christus freigelegt. An den Wänden dieser Höhlen befanden sich eingemeißelte Gebete an Jesus in griechischer Sprache. Bagatti vermutete, dass es sich um eine jüdisch-christliche Synagoge aus dem vierten Jahrhundert mit einem jüdischen Ritualbad handelte, die ebenfalls freigelegt wurde.
Bei Ausgrabungen im Kloster der Damen von Nazareth wurden mehrere Häuser, ein Grab aus der herodianischen Zeit (37 v. Chr. – 53 n. Chr.) und unterirdische Arbeitsräume, die hauptsächlich der Landwirtschaft dienten, freigelegt. Diese Funde vermittelten den meisten Bibelleserinnen und Bibellesern eine Vorstellung von der Kindheit Jesu, die von Szenen des landwirtschaftlichen Lebens in einem kleinen, abgelegenen galiläischen Dorf geprägt war. Spätestens seit 1931, als Leroy Waterman in Sepphoris, nur drei Meilen nordwestlich von Nazareth, grub, weiß man jedoch, dass dieses Bild vom frühen Leben Jesu falsch ist. Josephus nannte Sepphoris die „Zierde von ganz Galiläa“. Die jüngsten Ausgrabungen von F. Strange, E. Netzer und E. Meyers haben unser Wissen über diese geschäftige galiläische Metropole erheblich erweitert.
Sepphoris war seit den Tagen der israelitischen Monarchie bis zum heutigen jüdischen Kibbuz Zippori bewohnt. Herodes der Große eroberte die Stadt während eines Schneesturms im Winter 39 v. Chr. und ernannte sie zu seiner nördlichen Hauptstadt. Nach seinem Tod im Jahr 4 v. Chr. revoltierten die Sepphoren, wurden aber von Varus, dem römischen Statthalter von Syrien, niedergeschlagen und die Stadt zerstört. Herodes Antipas erbte die Stadt und begann sofort mit dem Wiederaufbau in einem atemberaubenden Ausmaß.
Bereits 1926 wurde vermutet, dass Jesus und Josef in Sepphoris reichlich Arbeit als Zimmerleute gefunden haben könnten. Zu den freigelegten Überresten dieser Stadt aus der Zeit Jesu gehören ein Palast, ein Theater mit mindestens dreitausend Sitzplätzen sowie eine Ober- und Unterstadt mit dazugehörigen Märkten und schönen römischen Villen. Mindestens neununddreißig unterirdische Höhlen und Zisternen sind entdeckt worden.

Thompson Chain Archaeological Supplement 1997

Im 19. Jahrhundert glaubten manche, Nazareth habe zur Zeit von Jesus gar nicht existiert, und andere schlossen daraus weiter, auch Jesus habe nie gelebt. In seiner berühmten „Geschichte der Leben-Jesu-Forschung“ musste Albert Schweitzer solchen Behauptungen zwei ganze Kapitel widmen. Heute werden derartige Ansichten vor allem von radikalen Atheisten in den USA vertreten. Die Archäologie hat diese Frage aber eindeutig geklärt . Die moderne Erforschung von Nazareth durch den Franziskaner-Archäologen Bellarmino Bagatti begann vor der Errichtung der mächtigen Verkündigungskirche in den 50er- und 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Er legte ein System von natürlichen und künstlichen Höhlen, von Silos sowie Wein- und Ölpressen frei, die in den weichen Kalkstein gegraben waren. Bagatti fand keine Hausmauern und das führte manche zur Annahme, die Nazarethaner seien Höhlenbewohner gewesen. Diese Anschauung von den angeblichen Troglodyten Nazareths hält sich immer noch hartnäckig. Aber die archäologische Evidenz lässt sich besser damit erklären, dass seit der byzantinischen Zeit in der von den Christen verehrten Zone frühere Häuser abgerissen wurden, um eine Kirche und Klöster zu errichten. Einige in gerader Linie in den Felsen gehauene Vertiefungen können als Basis von Hausmauern interpretiert werden. Nach der modernen Identifizierung der Reste von zwei Häusern aus neutestamentlicher Zeit kann Nazareth kaum noch als ein gesichtsloses Dorf gelten.
Die Ausgrabungen zeigen, dass Nazareth eine Neugründung des 1. Jahrhunderts v. Chr. war und das steht in Übereinstimmung mit der Ansiedlung einer davidischen Sippe, wie sie die von Julius Africanus weitergegebene Überlieferung bezeugt [1.14]. Diese Gründungsgeschichte erklärt auch, warum Nazareth weder Im Alten Testament noch in der intertestamentarischen Literatur erwähnt wird. Aufgrund der Umgrenzung durch Gräber kann man schätzen, dass der Ort zur Zeit von Jesus nur 200 bis höchstens 500 Einwohner hatte. Angesichts dessen befremdet es, wenn Nazareth in den Evangelien eine polis (πόλις), also eine Stadt, genannt wird (Mt 2,23; Lk 1,26; 2,4.39; 4,29).

Messias Jesus: Seine Geschichte, seine Botschaft und ihre Überlieferung

Wohin ziehen wir? Wenn wir die Möglichkeit haben – ziehen wir eher in ein kleines, neugegründetes Dorf oder eher in eine größere sehr alte Ortschaft? Wenn wir die Bibel ernst nehmen, suchen wir den Kontakt zu anderen jungen Menschen, die erst vor kurzem Christ geworden sind, oder suchen wir den Kontakt zu Menschen, die schon viele Jahrzehnte mit Jehovah „Hand in Hand“ gehen?
Ich würde an Josephs Stelle auch lieber mit meiner Familie in Bethlehem wohnen wollen, wenn es denn dort eine Wohnmöglichkeit ergeben würde! Und du? Würdest du lieber in einer neugegründeten Ortschaft deine kleine Familie wohnen?

Meint nur nicht, ich bin gekommen, das Gesetz und das, was Gott durch die Propheten gesagt hat, aufzuheben.

Wähnet nicht, daß ich gekommen sei, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen, aufzulösen, sondern zu erfüllen. (d. h. in ganzer Fülle darzustellen)
Elberfelder 1871 – Matthäus 5:17

Denkt ja nicht, dass ich gekommen bin, um das umzustoßen, was Gott in seinem Buch festgelegt hat und was die Propheten immer wieder bestätigt haben. Meine Aufgabe ist nicht, Gottes Willen in Frage zu stellen, sondern ihn ganz und gar zu erfüllen.
Roland Werner – Das Buch – Matthäus 5,17

Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz ( – Das Judentum bezeichnete die fünf Mosebücher als „Gesetz“ (Tora = Weisung) und umschrieb das Alte Testament mit „das Gesetz und die Propheten“ (Mt 5,17; 7,12; 22,40). Der Begriff „Gesetz“ konnte aber auch auf das ganze Alte Testament ausgedehnt werden. Seit der Zeit Esras (vgl. Neh 8-10) bestimmte das Mosegesetz das gesamte Leben des jüdischen Volkes und grenzte es streng gegen die übrigen Völker ab. Von besonderer Bedeutung wurden dafür die Gesetze über die → Beschneidung* und den → Sabbat* sowie die Reinheitsvorschriften (→ rein*). Die Frage nach der bleibenden Geltung des Mosegesetzes führte in der Urchristenheit zu ernsten Auseinandersetzungen (Apg 15; Gal 2). – ) und die Weisungen der Propheten ( – (→ Prophetin) (1) Prophetie in Israel: Nach unserem Sprachgebrauch ist ein Prophet jemand, der die Zukunft kennt. Das Wesentliche beim biblischen Prophetentum liegt jedoch nicht in der Zukunftsschau. Der Prophet ist ein Mensch, den Gott (oder der → Geist Gottes) zu seinem Sprecher gemacht hat. Die Propheten verkünden dem Volk Gottes oder einzelnen aus diesem Volk, besonders den führenden Kreisen, was Gott ihnen in einer bestimmten Situation zu sagen hat. Das kann Mahnung, Gerichtsdrohung, aber auch Trost und Ermutigung sein.
In der Frühzeit Israels war das Prophetentum mit ekstatischen Erscheinungen verbunden. Der Geist ergriff vom Propheten Besitz wie eine fremde Macht, die über ihn kam (1Sam 10,5-6. 10-12). Bezeichnend für diese Stufe ist auch, dass die Propheten in der Regel kollektiv auftraten (→ Prophetengemeinschaft). In der Königszeit Israels traten neben dem fortbestehenden Prophetentum der älteren Art Propheten auf, die über diesen Rahmen weit hinauswuchsen. Als Einzelne, die Gott berufen hatte, prangerten sie die herrschenden Zustände an. Sie maßen die Verhältnisse der Gegenwart und das Verhalten der Verantwortlichen am Rechtswillen Gottes, wie er im → Gesetz gegeben war. Ebenso unerbittlich prangerten sie die Entartung des Glaubens (→ Baal) und des Gottesdienstes an. Und sie sahen die nationale Katastrophe kommen, die durch das Verhalten des Volkes und seiner Führer unweigerlich herbeigerufen werden musste (→ Exil). Aber auch die neue Zukunft, die dem Volk danach noch einmal geschenkt werden soll, wird von den Propheten angekündigt. Sie wird geschaut im Bild eines umfassenden Friedens, der auch die anderen Völker umgreift und teilweise mit der Gestalt eines Friedensbringers verknüpft ist (→ Messias). Die Propheten richteten ihre Botschaft in der Regel mündlich aus; erst später wurden ihre Worte (zum Teil von ihnen selbst) aufgeschrieben. Die großen Propheten des 8. bis 6. Jahrhunderts v.Chr. standen oft in heftiger Auseinandersetzung mit dem Berufsprophetentum, das sich sowohl am Jerusalemer → Tempel als auch in Bet-El, dem Reichsheiligtum Nordisraels, herausgebildet hatte. Propheten dieser Art verkündeten in der Regel eher das, was dem Volk, insbesondere dem König, gefiel und was ihnen selbst Gewinn brachte (vgl. 1Kön 20,10-13; Am 7,14). Mit solchen Propheten müssen sich die „echten“ Propheten des Öfteren auseinander setzen (Jes 28,7; Jer 6,13-15; 23,9-32; 28,1-17; Ez 13,1-16). – ) außer Kraft zu setzen. Ich bin nicht gekommen, um sie außer Kraft zu setzen, sondern um sie zu erfüllen und ihnen volle Geltung zu verschaffen. ( – 3,15; 7,12; 22,40; Röm 3,31 – )
Gute Nachricht Bibel – Matthäus 5:17

Nachdem wir die Verse vor Matthäus 5 uns im Laufe der Zeit angeschaut hatten… – nun zu einem Vers der von manchen „Christen“ gern zum Streitthema mißbraucht wird.
Schauen wir uns einige Bibelkommentare an:

Das sinaitische Gesetz hatte Gott seinem Volk Israel nach dessen Befreiung aus Ägypten gegeben. Mit seinen juristischen, zeremoniellen und moralischen Geboten galt es von Anfang an nur für dieses Volk (5. Mo 4,8; Röm 9,4), genau wie auch der alte Bund nur mit Israel geschlossen wurde. Das wird von Christen oft übersehen.

Das Gesetz vom Sinai war ein von Gott gegebenes System von Forderungen und Verheißungen an sein irdisches Volk. Die Moralgesetze waren sozusagen Gottes Minimalforderungen an natürliche, nicht wiedergeborene Menschen. Die Zeremonialgesetze regelten den Gottesdienst des Volkes und waren zugleich Schatten zukünftiger Dinge, die dann in Christus Wirklichkeit geworden sind (Kol 2,17; Heb 10,1).

Da das Gesetz von Gott kam, war es heilig, gerecht und gut (Röm 7,12). Wenn die Israeliten es hätten halten können, hätte es sie zu Leben und Gerechtigkeit geführt (3. Mo 18,5; 5. Mo 5,25). Aber das war unmöglich, da dem natürlichen Menschen die Kraft fehlt, Gottes Forderungen zu erfüllen. So konnte das Gesetz nur Erkenntnis der Sünde bewirken (Röm 3,20). Es machte die Sünde offenbar, gab aber keine Kraft, sie zu meiden, und führte deshalb zum Fluch und zum Tod, obwohl es zum Leben gegeben worden war (Röm 7,10; 8,3).
Der Herr Jesus nahm am Kreuz den Fluch des Gesetzes auf sich. Dadurch hat Er alle, die unter diesem Fluch standen, losgekauft. Jeder Jude, der an Ihn glaubt, steht daher nicht mehr unter dem Fluch des Gesetzes (Gal 3,13). Dadurch ist er auch frei vom Gesetz, denn Christus ist das Ende des Gesetzes (Röm 6,14; 7,4; 10,4; Gal 3,24.25).
Es ist daher falsch und im Widerspruch zu Gottes offenbartem Willen, wenn Christen sich unter das Gesetz stellen. Allerdings verstehen sie darunter dann meistens nicht das ganze Gesetz einschließlich seiner juristischen und zeremoniellen Vorschriften, sondern nur dessen moralische Vorschriften, d.h. die zehn Gebote. Die Beobachtung der Gebote wird damit begründet, dass der Christ doch nicht töten, stehlen usw. dürfe. Aber wenn jemand von neuem geboren ist, meidet er diese und alle anderen Sünden nicht deshalb, weil er das Gesetz beobachtet, sondern weil er neues Leben empfangen hat, den Heiligen Geist als Kraftquelle und Führer und den Herrn Jesus als Vorbild besitzt.
Dennoch wird in der Christenheit immer wieder gelehrt, das Gesetz sei zwar dem Volk Israel gegeben worden, gelte jedoch für alle Völker und deshalb auch für die Christen, denn Gott wende doch nicht zweierlei Maß auf die Menschheit an. Als Begründung dafür werden außer Mt 5,17–48 Stellen wie 5. Mo 4,5–8; Jes 2,2.3 und Röm 3,19 angeführt, wobei jedoch unter anderem Geschichtliches und Prophetisches miteinander verquickt wird. Zwar ist Gott in seinem Wesen unveränderlich, aber seine Beziehungen zu den Menschen sind nicht zu allen Zeiten und in allen Umständen dieselben.

Auflösen – Erfüllen
In Mt 5,17 redet der Herr Jesus zu Angehörigen des irdischen Volkes Gottes. Seine Jünger und die Scharen von Menschen, die Ihn umringten, waren Juden. Das Reich der Himmel war ja ihnen als den „Söhnen des Reiches“ zugesagt. Deshalb wandte Er sich auch zunächst nur an dieses Volk (Mt 15,24). Dass wir seine Worte auch auf die gegenwärtige Zeit der „Geheimnisse des Reiches der Himmel“ anwenden können, haben wir bei der Betrachtung der Seligpreisungen gesehen. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass der Herr Jesus sich zunächst nur seinem eigenen Volk zuwandte, dem Gott einst am sinai Sein Gesetz gegeben hatte.

„Denkt nicht, dass ich gekommen sei, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen, aufzulösen, sondern zu erfüllen“ (Mt 5,17). Die Predigt Johannes’ des Täufers, des Vorläufers Christi, und sein Aufruf zur Buße, aber auch die Reden des Herrn Jesus selbst kündigten etwas völlig Neues an. Nur bedeutete das nicht, dass alles Bisherige ungültig geworden wäre. Gesetz und Propheten (das ganze Alte Testament) wurden durch Christus nicht aufgelöst, d.h. für ungültig erklärt (vgl. Joh 10,35). Im Gegenteil, Er war gekommen, um sie zu erfüllen. Mit dem Erfüllen ist nicht nur das Befolgen des Wortes Gottes gemeint, denn dies hätte sich zwar auf das Gesetz, nicht aber auf die Propheten beziehen können. Erfüllen bedeutet hier deshalb bestätigen und zur Erfüllung bringen. Das ganze Alte Testament zeugte von Christus, und Er war dessen Erfüllung (Joh 5,39).

Remmers – Die Bergpredigt

Diese Verse geben schwierige Fragen auf. Jesus sagt: Das Gesetz muß bis ins kleinste beobachtet werden. Jedes Jota und Häkchen muß zur Geltung kommen. Und, wenn einer der Jünger eines der kleinsten Gebote nicht beachten würde und als unwichtig erklären würde, dann soll ein solcher der Kleinste heißen im Himmelreich! Aber der Lehrer und »Erfüller« auch des kleinsten Gebotes wird im Himmelreich groß heißen.
Diese Worte im Munde Jesu erscheinen als etwas Unmögliches. Jesus erscheint geradezu als »Freund der Pharisäer«. Man könnte meinen, er sei mit ihnen im Bunde. Denn sie waren ja diejenigen, die das Gesetz bis ins kleinste hin erfüllten!
Und nun fordert der Herr dasselbe?! Das ist undenkbar! Denn ein buchstäbliches Festhalten an den »kleinsten« jüdischen Gesetzesvorschriften wäre doch das genaue Gegenteil von dem gewesen, was der Herr oben in den Seligpreisungen und dann während der ganzen Bergpredigt und darüber hinaus fort und fort gesagt und gelebt hatte.
Wir fragen: Was ist hier mit »Gesetz«, mit »geringsten Geboten« gemeint? Was heißt »erfüllen« usw.?
Wir antworten: Wie Gott seine Verheißungen des AT nicht widerrufen kann, sondern Jesus als das Ja und Amen dieser AT-Verheißungen (2Ko 1,20) gesandt hat, so löst auch Gott sein Gesetz nicht auf, sondern sandte seinen Sohn, um es zu erfüllen. Die AT-Weissagungen gleichen so lange nur einem leeren Gefäß, solange das Geschehen, auf das sie hinweisen, noch nicht Wirklichkeit geworden ist. Erst durch die Wirklichkeit des NT-Geschehens ist das Gefäß gefüllt. Ebenso wie nun die Weissagungen leer sind ohne die Erfüllung, so ist auch das Gesetz solange leer, solange der ihm geltende ganze Gehorsam nicht geleistet wird. In Jesus Christus ist nun Weissagung und Gesetz erfüllt, das heißt »Wirklichkeit« geworden. Mit anderen Worten: Erfüllen heißt: Durch Taten und Worte dafür einstehen, daß alles geschieht, was Weissagung und Gesetz fordern! Jesu Leben war dieses einzigartige »Geschehen, was Weissagung und Gesetz fordern!« Schlatter sagt: »Bisher blieb Gottes Gesetz übertreten. Nun aber ist der gekommen, der das von Gott Verheißene und Gebotene tut!«
Wir geben Beispiele, um uns die eben herausgestellte Erfüllung des Gesetzes an Jesu Wandel und Leben klarzumachen! Wenn wir auf das Leben des Herrn sehen, dann meinen wir zunächst: Der Herr löst das Gesetz auf!

1. Jesus hält sich nicht an das Sabbatgebot. Vgl. Mt 12,1–14; Mk 2,23–28; Lk 6,1–5; 13,10–17; 14,1–5; Jo 5,9–16; 9,14–16.
2. Jesus Übertritt die Fastengebote: Mt 9,14 und 15; Mk 2,18–20; Lk 5,33.
3. Jesus verstößt gegen die Reinigungsordnungen: Mt 15,1–20; Mk 7,1–23.

Wenn der Herr nun so das Gesetz Übertritt, worin besteht dann aber die Erfüllung des Gesetzes?
Wir antworten: Die Erfüllung des Gesetzes, so wie Jesus es meint, besteht nicht in dem mechanischen äußeren wortwörtlichen Halten der Gebote und all der Zusätze und Nachsätze (Halacha), sondern »die Liebe ist des Gesetzes Erfüllung!«
Nur an einem Beispiel wollen wir uns die von Jesus gemeinte »Erfüllung« des Gesetzes einmal klarmachen: Das AT-Gebot: »Du sollst den Nächsten lieben wie dich selbst« ist von den Schriftgelehrten so gedeutet worden: Du brauchst nur das Glied deiner Gemeinschaft zu lieben, du Pharisäer nur den Pharisäer usw., denn der Kollege allein ist der Nächste, sonst niemand. Den Zöllner und Sünder und dazu noch den Heiden zu lieben, ist nicht nur nicht erforderlich, sondern sogar gegen Gottes Gebot. – So handelten die Pharisäer.
Jesus sagt: Jedem ist Liebe entgegenzubringen, also auch dem Zöllner, dem Sünder und auch dem Heiden, der ja für den Pharisäer nur Menschenabschaum, Straßenpöbel war. Wenn man einen Heiden tötete, dann würde das jüdische Gericht solch einen Israeliten nicht zur Rechenschaft ziehen, denn dieser Fall ist straflos. Denn »ein Mörder ist nur der, der seinen Volksgenossen tötet!« So hatten die Schriftgelehrten das Gesetz ausgelegt.
Von dieser zeitgeschichtlichen Schau her verstehen wir nun, wenn Jesus sagt, durch ihn solle das Gesetz zu seiner Erfüllung bis aufs Jota und Häkchen gebracht werden. Wenn (um auf das angeführte Beispiel zurückzukommen) jeder Mensch, auch der Feind geliebt wird, sogar mit der Agape-Liebe86 geliebt wird, dann und nur dann kommen das Gesetz und die Propheten zu ihrer Erfüllung, und zwar in ihrem eigentlichen Sinne, bis aufs Jota und Häkchen. »Die Agape-Liebe ist des Gesetzes Erfüllung.«
Die Verse 17–19 verraten also keineswegs irgendwie eine Bundesgenossenschaft mit den Pharisäern. Sie erklären sich auch nicht als späterer judenchristlicher Zusatz, wie manche Theologen meinen, nein, gerade diese sogenannten »Buchstaben-Worte« des Herrn lassen seine Sendung zutiefst erkennen als den rechten und wahren Erfüller des AT-Gesetzes. Die folgenden Worte der Bergpredigt werden das noch weiterhin beweisen.

Wuppertaler Studienbibel

Die Jünger des Reiches sollten ein Leben führen, das einen Kontrast bildete nicht nur zu den Methoden und Tätigkeiten des Römischen Reiches, sondern auch zu den religiösen Aktivitäten und Methoden der Pharisäer. Diese Pharisäer hatten das alttestamentliche Gesetz und ihre überlieferten Auslegungen und Anwendungen. Die Auslegungen und Anwendungen des Herrn waren unendlich höher. Seine Jünger mußten das wissen, weshalb der Herr einleitend diese erklärenden Aussagen machte, ehe Er die göttliche Auslegung und Deutung der Forderungen des Gesetzes gab, und von den inneren Beweggründen zum äußerlichen Tun zu reden anfing. Die kalten, harten und starren Methoden der Pharisäer banden den Leuten »schwere und schwer zu tragende Lasten« auf (Matthäus 23,4). Sie machten Gesetze, die das Pflücken von Ähren am Sabbath verboten. Sie bestanden darauf, daß man den Zehnten gab von Minze, Kümmel und Anis (23,23). Sie liebten die Überlieferungen der Ältesten (Mk 7,3). Der Herr faßte das alles zusammen, als Er diese Heuchler schalt, daß sie Menschengebote als Lehren lehrten (Matthäus 15,9). Damit ließen sie die gewichtigeren Dinge des Gesetztes, Barmherzigkeit und Glauben beiseite (23,23). Gott hatte aber bei der Gabe des Gesetzes Barmherzigkeit eingeführt (2Mo 20,6). Solche Selbstzufriedenheit führte dazu, daß sie das Gesetzt brachen und damit Gott entehrten (Röm 2,23). Die Jünger des Reiches mußten höheren Maßstäben als denen von Heuchlern genügen. Die Jünger sollten daher verstehen, daß der Herr, wo Er von V.21 an das Gesetz auslegte, nicht auflöste ( katalyô, bis auf den Grund auflösen oder abbrechen, wie in Matthäus 24,2, wo es vom Tempel gebraucht wird), was Gesetz und Propheten geboten – wiewohl das der pharisäischen Auslegung, mit der sie aufgewachsen waren, so erscheinen muße. Vielmehr kam Er, um zu erfüllen. Besonders in den Dingen, die Ihn betrafen (die Forderung des Gesetzes nach einem Leben der Heiligkeit, die Schattenbilder der Stiftshütte und der Opfer, die prophetische Ankündigung von Seinem Geborenwerden, Leben, Dienen, Sterben, Auferstehen und Wiederkommen in Herrlichkeit), würde Er alles erfüllen.

Benedikt Peters – Was die Bibel lehrt

Er lehrte aus der unmittelbaren Verbindung mit Gott dem Vater. So musste bei seinen Hörern die bange oder höhnische Frage entstehen, wie er mit der göttlichen Offenbarung verfahre: ob er sie genügend kenne und zur Geltung bringe? Lukas 4,22 lässt uns in diese Situation hineinblicken. Ein dritter Grund deutet sich in Mt 5, 20 an. Dort spricht Jesus davon, dass die Gerechtigkeit der Schriftgelehrten und Pharisäer nicht ausreiche. Dan er dies in Verbindung mit Mt 5, 19 ausführt, können wir schließen, dass er die Ermäßigung des Gesetzes bei den Schriftgelehrten tadelt. Und in der Tat haben die Pharisäer versucht, das Gesetz immer wieder dem Leben anzupassen und so fast unversehens die Hoheit und Heiligkeit der göttlichen Gebote herabgesetzt. Im Gegensatz dazu geschieht bei Jesus und Paulus das, was letzterer so formuliert: »Wir richten das Gesetz auf!« (Röm 3,31). Jesu mahnendes und warnendes »Denkt nicht« will eine grundsätzliche Klarstellung anbahnen.
Was will er ausschließen? Die Meinung, »dass ich gekommen bin, um das Gesetz oder die Propheten aufzulösen«. Der Ausdruck »ich bin gekommen« bzw. »er ist gekommen« ist im NT eine feierliche Wendung. Sie wird von dem gebraucht, der in Erfüllung eines göttlichen Auftrags lebt und handelt. Dieses »Gekommensein« ist gewissermaßen die Kehrseite des göttlichen »Ich habe gesandt«. Der Gesandte Gottes ist der »Gekommene«. Es ist sehr interessant, dass wiederum Matthäus und Johannes die beiden Evangelisten sind, die diesen Wortgebrauch am häufigsten vorweisen. Bei Matthäus liegt hier in Mt 5,17 erstmals dieses »Ich bin gekommen« vor. Doch war es schon in Mt 3,11 vorbereitet: »Der nach mir kommt, ist stärker als ich.« »Gesetz und Propheten« bezeichnen das ganze AT. Dazu muss man wissen, dass die Juden die »Propheten« von Josua bis Maleachi zählten. Sie unterschieden hierbei die »vorderen Propheten« von Josua bis 2. Samuel und die »späteren Propheten« von Jesaja bis Maleachi. Wollte man sich genauer ausdrücken, dann nannte man neben Gesetz und Propheten noch die sog. »Schriften«, hebräisch Ketubim, wozu folgende Bücher gehören: Psalmen, Hiob, Sprüche, Ruth, Hoheslied, Prediger, Klagelieder, Esther, Daniel, Esra, Nehemia, Chronikbücher, also im Allgemeinen die Bücher, die wir heute »Weisheitsbücher« nennen.
Nach dem heutigen Sprachgebrauch könnte man durchaus übersetzen: »Glaubt nicht, dass ich gekommen bin, um das Alte Testament aufzulösen.« Welches Alte Testament lag damals Jesus vor? Antwort: Dasselbe, das heute die Lutherbibel bietet. Die Möglichkeit besteht, dass er die griechische Bibel kannte, die ja zusätzlich diejenigen Bücher enthielt, die wir »Apokryphen« nennen. Aber hier ist kein Beweis zu führen. Dagegen steht dies außer Frage: Die hebräische Bibel in dem Umfang, der heute dem AT der Lutherbibel entspricht, wird von Jesus als etwas geschätzt, was er nicht »auflösen« darf und will. Das griechische Wort für das »auflösen« des Luthertextes kann heißen: niederreißen, zerstören, beendigen, aufheben, abschaffen, stürzen, entlassen, verabschieden. Sinngemäß müsste man von einem »Aufheben« reden. Wie kann man das AT aufheben? Entweder durch Verneinung seiner Autorität oder durch falsches Verständnis. Beides ist dem Judentum bekannt. Die von der griechischen Philosophie beeinflussten Juden etwa zur Zeit der Makkabäer bestritten die Autorität des AT (vgl. 1 Makk 1,12ff.); 2.Makk 4,7ff.). Vom verschiedenen Gesetzesverständnis der jüdischen Parteien sprachen wir schon. Nach beiden Seiten zieht Jesus die Trennungslinie: Ich hebe nicht auf. Die göttliche Autorität des AT ist von ihm stets unterstrichen worden.
Nun erklärt er sich positiv. »Ich bin gekommen, um zu erfüllen.« Diese Angabe hat eine überraschende Tiefe und Weite. Schon nach der natürlichen Logik erwarten wir als Entsprechung zu »aufheben« ein »bestätigen« oder »festhalten«. Jesus geht aber darüber hinaus. Er sagt hier auch mehr als beispielsweise Paulus in Röm 3,31: »Wir richten das Gesetz auf.« Schließlich geht Jesus auch über Jer 31,33 hinaus, wo im Blick auf das neue Bundesvolk verheißen ist: »Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben.«
Nein, Jesus will »erfüllen«. Wie typisch dieses Wort für ihn ist, zeigen u. a. Mt 3,15; Lk 4,21; Röm 8,4 . Im »Erfüllen« liegt ein doppeltes »Vollmachen«:
a) Jesus zeigt uns das volle Maß des Gotteswillens ohne Einschränkung und Verfälschung,
b) Jesus wird diesem Gotteswillen in seinem ganzen Leben ohne Einschränkung gerecht. Er »erfüllt« in Lehre – und Leben! Dazu hat ihn Gott gesandt. In ihm hat das AT sein gottgesetztes Ziel erreicht: ein Gedanke, der in Röm 10,4 von Paulus klassisch formuliert wurde. Er hat, wie er selbst bei der Jordantaufe sagte (Mt 3,15) »alle Gerechtigkeit erfüllt«, d. h., kein Verlangen Gottes blieb unbefriedigt.
Es erhebt sich hier schon die Frage, ob überhaupt jemand außer Jesus imstande war oder ist, das AT zu erfüllen. Die Berglehre selbst wird uns zu dem Punkt führen, wo uns nur noch das Nein auf diese Frage bleibt. Von daher rückt die Bedeutung des sühnenden Sterbens immer mehr ins Licht. Die Worte vom Berg stehen in geheimer Verbindung mit dem Totenhügel von Golgatha.

Edition C

Der Sinaibund, der das Leben miteinander und mit Gott regelte, wurde von Jesus nicht außer Kraft gesetzt, sondern erfüllt (Mt. 5,17). Das heißt, die Forderungen des sinaitischen Bundes erkannte Jesus als völlig berechtigt an. Am Leben Jesu ist zu sehen, was es bedeutete nach diesem Bund zu leben. Jesus ist aber nicht nur der wahre Israelit, der sich an das Gesetz hielt. Sondern weil er das Gesetz erfüllt hat, ist er zugleich des Gesetzes Ende (Röm. 10,1). Auch wenn in diesem Sinn der Sinaibund seine Verbindlichkeit für Christen verloren hat, ist es doch wichtig, diesen Bund zu kennen. Denn er ist unerlässlich für das Verständnis der religiösen Kommunität Israels und für die Botschaft der Propheten, da sie das Volk und die verschiedenen Führungsschichten in Israel in ihren Botschaften ständig anhand der Bundessatzungen beurteilten und anklagten. Die Propheten mahnten aber nicht nur die Verfehlungen des Volkes an, sondern sagten auch eine herrliche Zukunft für diejenigen im Volk voraus, die am Ende der Zeiten von ihren Übertretungen umkehren würden. Dabei spielte der Herrscher oder der Hirte aus dem Hause Davids eine sehr wichtige Rolle (Hes. 34,23; 37,24). Deshalb soll jetzt der davidische Bund betrachtet werden.

Edition C – Bünde im Alten Vorderen Orient und im Alten Testament

Vers 17 verdeutlicht die Absicht des Messias in Bezug auf das mosaische Gesetz: Denkt nicht, dass ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen: Ich bin nicht gekommen, um es aufzulösen, sondern um es zu erfüllen.“ Dieser Vers wird oft benutzt, um zu behaupten, dass das mosaische Gesetz immer noch in Kraft ist, und alle Passagen in den Briefen, die lehren, dass es mit dem Tod des Messias endete, werden ignoriert. Als Jeschua die in Vers 17 aufgezeichneten Worte sprach, war das mosaische Gesetz in vollem Umfang in Kraft. Es endete nicht mit seinem Kommen, sondern mit seinem Tod, der die Herrschaft des Gesetzes beendete. Bis zu Jeschuas Tod waren alle 613 Gebote verbindlich. Im Kontext Seiner Auseinandersetzung mit dem Judentum Seiner Zeit wies Jeschua darauf hin, dass die Pharisäer das Gesetz im Wesentlichen zerstört hatten, indem sie es in der Mischna uminterpretierten. Sein Ziel war es jedoch, das Gesetz so zu erfüllen, wie es geschrieben stand, nicht wie es umgedeutet worden war.

Eine Aussage im Talmud zitiert Jeschua mit den Worten: „Ich bin nicht gekommen, um das Gesetz des Mose zu zerstören, noch [Fußnote: Var. lec.: sondern; . . .] um dem Gesetz des Mose etwas hinzuzufügen [Fußnote: Vgl. Matthäus V, 17 ff.].“ Das Hinzufügen war die Praxis der Pharisäer; Jeschua hatte jedoch die Absicht, das Gesetz so zu halten, wie es geschrieben war.

Diejenigen, die Matthäus 5,17 benutzen, um zu lehren, dass das Gesetz immer noch in Kraft ist, sind niemals konsequent, weil sie auch lehren, dass die große Mehrheit der 613 Gebote nicht anwendbar ist. Allerdings war Jeschua der einzige Jude, der das mosaische Gesetz jemals perfekt gehalten hat, insofern die 613 Gebote auf ihn zutrafen:
Diese sechs Beispiele zeigen, dass Jesus das Gesetz nicht ablehnt, sondern es intensiviert. Er zeigt, wie er gekommen ist, um es zu erfüllen. Er fordert uns nicht nur auf, das Gesetz vom Standpunkt des Herzens aus zu betrachten (Mord-Gefahr; Ehebruch-Lust), sondern er bittet auch um Integrität und Großzügigkeit, die Barmherzigkeit und Liebe gegenüber allen widerspiegeln (Ehegelübde, Eide, Verzicht auf Vergeltung, Feindesliebe). Auf diese Weise zu leben bedeutet, Beziehungen zu pflegen, wie es der Vater tut, und allen zu zeigen, dass wir seine Kinder sind und seinen Charakter widerspiegeln.

Die eindeutige Lehre des Neuen Testaments ist, dass das Gesetz des Mose mit dem Tod des Messias unwirksam geworden ist. Mit anderen Worten, das Gesetz – in seiner Gesamtheit – hat keine Autorität mehr über ein Individuum. Ein beliebter Einwand gegen diese Ansicht stützt sich auf Jeschuas Aussage in Matthäus 5,17-18. Weil das Thema für unsere Schriftauslegung von größter Bedeutung ist, müssen wir einige Punkte wiederholen.

Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass viele Theologen, die sich auf Matthäus 5,17-18 berufen, um zu beweisen, dass das Gesetz des Mose auch heute noch auf Gläubige anwendbar ist, nur selten konsequent sind. Sie verstehen, dass viele, wenn nicht die meisten der Gebote mit dem Tod des Messias außer Kraft gesetzt wurden. Die Gebote bezüglich des Priestertums und des Opfers sind nur zwei Beispiele, und andere wurden bereits angeführt. Unabhängig davon, welche Semantik verwendet werden mag, um diese Veränderung zu beschreiben („ersetzen“, „zu größerer Erfüllung gebracht“, „seine wahre Bedeutung herausbringen“, usw.), ist es klar, daß sehr viele der 613 Gebote nicht mehr gelten, wie sie geschrieben wurden. Um ihren Standpunkt zu beweisen, teilen viele Theologen das Gesetz des Mose in drei Arten ein: das moralische, das zivile und das zeremonielle. Sie argumentieren, dass das moralische Gesetz, das in den Zehn Geboten zusammengefasst ist, in unser Gewissen eingeschrieben ist und daher niemals außer Kraft gesetzt wurde. Wenn sie also vom Gesetz des Mose sprechen, behaupten diese Theologen, dass sie sich nur auf diesen Teil des Gesetzes beziehen. Ihr Zitat aus Matthäus 5,17-18 beweist jedoch nicht ihren Standpunkt, da Vers 19 diese geringsten Gebote hinzufügt. Diese Formulierung schließt eindeutig mehr als die moralischen Gebote ein, und die Betonung liegt auf dem gesamten Gesetz, allen 613 Geboten.

Jeschua kam, um das Gesetz zu erfüllen; aber das Gesetz des Mose endete nicht mit dem Kommen des Messias oder durch sein Leben, sondern durch seinen Tod. Solange Jeschua lebte, stand Er unter dem mosaischen Gesetz und musste jedes für Ihn geltende Gebot erfüllen und befolgen. Die Aussage von Matthäus 5,17-19 (Vers 19 darf nicht ignoriert werden) wurde gemacht, während Er auf dieser Erde wandelte, und solange Er lebte, musste Er das Gesetz in jeder Weise befolgen, die Mose geboten hatte, und nicht in der Weise, wie die Rabbiner es umgedeutet hatten. Außerdem deutete Er schon vor Seinem Tod und Seiner Auferstehung an, dass das Gesetz eines Tages außer Kraft gesetzt werden würde. Ein Beispiel, das diesen Punkt beweist, ist Markus 7,19: „Dies sagte er und machte alles Fleisch rein. Kann es noch deutlicher ausgedrückt werden, dass zumindest die Speisegebote abgeschafft sind? Auch hier muss jeder Theologe zugeben, dass große Teile des Gesetzes nicht mehr in der von Mose vorgeschriebenen Weise gelten. Zu behaupten, dass das Gesetz des Mose immer noch in Kraft ist, während man die Details desselben Gesetzes ignoriert, ist inkonsequent und ein theologischer Irrtum.

Was das Wort „erfüllen“ in Matthäus 5,17 betrifft, so sind einige zusätzliche Aussagen angebracht, um die Bedeutung des Verbs richtig zu analysieren. Der griechische Begriff „pléroó“, der „voll machen“, „vollenden“ bedeutet, wird von Matthäus durchgängig in Bezug darauf verwendet, dass eine Prophezeiung zu einem Ende gebracht wird, indem sie erfüllt wird. Zum Beispiel heißt es in Matthäus 1,22-23, dass die Prophezeiung von Jesaja 7,14 erfüllt wurde, dass dies die Prophezeiung zu einem Ende brachte, und dass daher nichts in der Zukunft sie erfüllen wird. „Erfüllen“ bedeutete, das zu erfüllen, was die Prophezeiung forderte, während „aufheben“ (auch in diesem Vers) bedeutete, sie nicht zu erfüllen. Die grundlegende Bedeutung von Matthäus 5:17 wird von Toussaint erklärt:
Das Verb „erfüllen“ hat hier die gleiche Bedeutung wie in Matthäus 2,15, wo es bedeutet, vollständig zu etablieren. Anstatt das Gesetz oder die Propheten zu zerstören, richtet Er sie auf. Das tat er, indem er (1) sein Leben perfekt an ihre hohen Standards anpasste und (2) ihre wahre Bedeutung aus den Feinheiten ihrer rabbinischen Auslegung herausholte.

Dr. Robert Lightner, emeritierter Professor für Systematische Theologie am Dallas Theological Seminary, kommentiert:
Die Tatsache, dass Jesus sagte: „Denkt nicht, dass ich gekommen bin, um das Gesetz oder die Propheten abzuschaffen“, deutet an, dass er wusste, dass die Gefahr eines solchen Denkens und sogar einer Anschuldigung von Seiten einiger besteht. Er wusste, was die Pharisäer aufgrund seiner Lehre und seines Werkes über ihn sagen würden. Schließlich beanspruchte Jesus für sich selbst die Autorität Gottes. Das ist der Hintergrund der Lehre Christi in Matthäus 5,17-19.

Anstatt zu verwenden. Matthäus 5,17-19 zu argumentieren, dass das mosaische Gesetz heute noch als Lebensregel gilt, ist es besser, die Worte Christi als Lehre von der Irrtumslosigkeit der Schrift zu verstehen. In den Versen 17-19 hat Christus die Beziehung von sich selbst und seiner Lehre zum Gesetz zusammengefasst. Er hat eindeutig behauptet, derjenige zu sein, der gekommen ist, um das Gesetz und die Propheten zu erfüllen, nicht um sie zu zerstören (5,17). Außerdem erklärt Er mit Nachdruck, dass das ganze Gesetz in seiner Gesamtheit so sicher erfüllt ist wie die Gewissheit, dass Himmel und Erde Bestand haben (5,18). Bevor Er auslegt, macht Er deutlich, dass das, was Er lehren wird, in absoluter Übereinstimmung mit dem Alten Testament steht. Nach seinem eigenen Zeugnis ist er gekommen, um zu erfüllen, denn nicht ein Jota oder Tittle wird vom Gesetz vergehen, bis alles vollendet ist. Er ist nicht gekommen, um auch nur den kleinsten Teil der Lehre des Gesetzes oder der Propheten zu zerstören oder ungültig zu machen. Nach seiner Einschätzung ist das, was als das kleinste Gebot erscheinen mag, von gleicher Autorität wie das, was als das größte angesehen werden kann (5,19).

Arnold Fruchtenbaum – Jeschua – Das Leben des Messias aus einer messianisch-jüdischen Perspektive

In ähnlicher Weise gelang es Matthäus, die Lehre Jesu über das Gesetz so darzustellen, dass deutlich wurde, dass Jesus sich nur gegen die mündliche Überlieferung wandte und nicht die Absicht hatte, das Gesetz selbst außer Kraft zu setzen. So steht 5,17-20 an der Spitze des Abschnitts mit den Antithesen in der Bergpredigt und gibt damit zweifellos an, wie Matthäus die Antithesen interpretieren wollte: Jesus gab eine tiefere Auslegung des Gesetzes und stellte diese der mündlichen Überlieferung gegenüber, die die Rabbiner als die maßgebliche Auslegung des Gesetzes akzeptierten. Man beachte auch, wie wirkungsvoll Matthäus‘ Umformulierung von Markus 7 ist. Nach Markus 7,15 hatte Jesus gesagt: „Nichts, was von außen kommt, kann den Menschen verunreinigen“, und Markus zieht daraus die offensichtliche Konsequenz: „So erklärte er alle Speisen für rein“ (Markus 7,19). Matthäus weicht jedoch gerade in diesen beiden entscheidenden Punkten völlig von der Markus-Version ab. Er lässt die beiden Schlüsselsätze von Markus weg; er ist nicht bereit, Jesus bekräftigen zu lassen, dass das Gesetz über unreine Speisen nicht mehr gilt. Und er fügt Material hinzu (15:12-14, 20b) und lenkt so die Kraft der Lehre Jesu zurück auf das Thema des Händewaschens, das in der rabbinischen mündlichen Überlieferung vermutlich bereits eine zunehmende Bedeutung erlangte (was zu dem Mischna-Traktat Yadaim, „Hände“, führte).

Die alternative Art, das Gesetz zu interpretieren, wird von Matthäus im Sinne der Liebe dargestellt. In einer Art und Weise, die nur teilweise in den anderen Evangelien vorkommt, greift Matthäus auf die Lehre Jesu zurück, um seine Überzeugung zu unterstreichen, dass das Gebot der Liebe das Herz und die Essenz des Gesetzes ist, im Gegensatz zu der eher typischen rabbinischen Skrupellosigkeit (5,43-48; 7,12; 22,34-40). Nicht zuletzt sah er offensichtlich Jesu eigenes Wirken als Ausdruck dieser Auslegung, als Beispiel dafür, wie das Gesetz befolgt werden sollte, interpretiert durch die Liebe (12:1-8, 9-14; 18:12-35). Man beachte besonders die wiederholte Berufung auf Hos. 6,6 in 9,13 und 12,7, der in beiden Fällen die prophetische Kritik an einer oberflächlichen Gesetzesbefolgung gegen die Pharisäer richtet – Jesus als Höhepunkt der prophetischen Auslegung des Gesetzes. Dies ist vermutlich der Hinweis auf Matthäus‘ Verständnis von 5,17 („Ich bin nicht gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzulösen, sondern um sie zu erfüllen“): Durch seinen Dienst der Liebe hat Jesus das Gesetz „erfüllt“, d.h. es zur vollen Entfaltung gebracht, es vollständig verwirklicht. Und so wird Jesus in seinem Dienst und seiner Lehre zum Vorbild für die Christen in ihrem eigenen Verständnis des Gesetzes und in ihrem Gehorsam gegenüber dem exklusiven rabbinischen Anspruch darauf, einer Gerechtigkeit, die der des Rabbiners und seiner Schüler überlegen ist (5,20).

Ronald L. Eisenberg – Der JPS-Führer zu jüdischen Traditionen

Wir können die Haltung Jesu gegenüber dem Judentum als eine Haltung der Kontinuität und der Diskontinuität zusammenfassen. Die Kontinuität besteht darin, dass Jesus seine Lehre und seinen Dienst offensichtlich als aus dem Herzen des jüdischen Religionsverständnisses kommend betrachtete; auf dieser Grundlage wollte er eine Erneuerung von innen heraus einleiten und eine endgültige Auslegung des Wortes Gottes anbieten. Auch wenn wir nicht feststellen können, ob der Ausdruck tatsächlich von Jesus selbst stammt, sehen wir dieses Verständnis in der Aussage in Matthäus 5,17 widergespiegelt: „Denkt nicht, dass ich gekommen bin, um das Gesetz und die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen, um sie aufzulösen, sondern um sie zu erfüllen.“Doch es gibt auch eine Diskontinuität. In Jesus wurde etwas Neues und Endgültiges verkündet. Die Gleichnisse in Markus 2,21-22 charakterisieren diesen Aspekt der Mission Jesu: „Niemand näht einen Flicken aus ungekämmtem Stoff auf ein altes Gewand; wenn er das tut, reißt der Flicken davon, das Neue vom Alten, und es entsteht ein schlimmerer Riss. Und niemand füllt neuen Wein in alte Schläuche; tut er es, so zerreißt der Wein die Schläuche, und der Wein ist verloren und die Schläuche auch; neuer Wein aber ist für frische Schläuche.“ Jesus machte sich nicht daran, das Judentum zu zerstören oder durch eine andere Religion zu ersetzen; er wollte es von innen heraus erneuern. Außerdem, und das ist wichtig, können wir Jesu Mission nur dann richtig verstehen, wenn wir seine Bemühungen im Licht anderer jüdischer Erneuerungsbemühungen, wie denen der Pharisäer und der Essener, sehen.
Doch es gibt auch eine Diskontinuität. In Jesus wurde etwas Neues und Endgültiges verkündet. Die Gleichnisse in Markus 2,21-22 charakterisieren diesen Aspekt der Mission Jesu: „Niemand näht einen Flicken aus ungekämmtem Stoff auf ein altes Gewand; wenn er das tut, reißt der Flicken davon, das Neue vom Alten, und es entsteht ein schlimmerer Riss. Und niemand füllt neuen Wein in alte Schläuche; tut er es, so zerreißt der Wein die Schläuche, und der Wein ist verloren und die Schläuche auch; neuer Wein aber ist für frische Schläuche.“ Jesus machte sich nicht daran, das Judentum zu zerstören oder durch eine andere Religion zu ersetzen; er wollte es von innen heraus erneuern. Außerdem, und das ist wichtig, können wir Jesu Mission nur dann richtig verstehen, wenn wir seine Bemühungen im Licht anderer jüdischer Erneuerungsbemühungen, wie denen der Pharisäer und der Essener, sehen.

Frederick J. Cwiekowski – Die Anfänge der Kirche

Es ist klar, dass Paulus, wie Jesus, niemals als Ersatz für Gottes ewiges Gesetz verstanden werden wollte (siehe Matthäus 5,17-20 und Römer 3,31). Ebenso klar ist, dass es Paulus sehr am Herzen lag, dass seine heidnischen Konvertiten weder nach dem Gesetz leben noch durch das Gesetz, das Gott den Juden als Bund gegeben hatte, das Heil erlangen mussten (siehe 1. Korinther 7,17-20).

Jesus unterwies seine Jünger oft im Geist des Gesetzes, der eigentlich über den bloßen Buchstaben des Gesetzes hinausgeht. Beispiele dafür sind seine Warnungen, dass ein verheirateter Mann, der in seinem Herzen eine Frau begehrt, sich bereits des Ehebruchs schuldig gemacht hat, und dass jeder, der einen Bruder einen Narren nennt, sich der Gefahr des Höllenfeuers aussetzt (siehe Matthäus 5,19-30). Diese Lehren gehen weit über alles hinaus, was das Gesetz je gesagt hat.
Manche mögen sich fragen: „Was wollte Paulus, als er lehrte, dass der Buchstabe des Gesetzes tötet?“ (siehe 2. Korinther 3,6). Erstens meinte er nicht, dass das Gesetz Gottes böse ist und die Menschen in die Knechtschaft führt, wie manche meinen. Paulus hielt das Gesetz Gottes und ermutigte die Juden überall, das Gleiche zu tun (siehe 1. Korinther 7,18). Wir sollten jedoch bedenken, dass diese Aussage an die Heiden in Korinth und nicht an die jüdischen Gläubigen geschrieben wurde. Selbst die besten Eigenschaften des Gesetzes Gottes wurden immer als „Dienst des Todes“ für diejenigen bezeichnet, die in Sünde sind, denn die eigentliche Absicht des Gesetzes ist es, die Sünde aufzudecken und zu definieren. Wenn die heidnischen Konvertiten versucht hätten, den jüdischen Lebensstil ohne den gottesfürchtigen und disziplinierten Hintergrund einzuhalten, hätten sie sich einer Last ausgesetzt, die weder notwendig noch wünschenswert war.
In diesem Zusammenhang schrieb Paulus: „Der Buchstabe des Gesetzes tötet“, aber er fuhr fort zu betonen, dass „der Geist des Gesetzes Leben gibt“. Es ging ihm um die Errettung der Heiden, und in dieser Frage ist der Buchstabe des Gesetzes der Tod, denn nur durch den Geist kann Leben entstehen. Die Zusammenfassung von Paulus‘ Ansicht findet sich in seiner Aussage an die Römer: „Denn das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus hat mich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes. …damit die Gerechtigkeit des Gesetzes in uns erfüllt werde, die wir nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist wandeln.“ (Römer 8:2, 4).

Dr. Ron Moseley – Yeshua – Ein Wegweiser zum wahren Jesus und der ursprünglichen Kirche

Dem Gesetz nicht zu gehorchen, war nach Ansicht der jüdischen Schriftgelehrten gleichbedeutend damit, es »aufzulösen« (vgl. 5.Mose 27,26 ), weil man damit seine Vollmacht leugnete. Eine so umfassende, anmaßende Auflehnung gegen das Gesetz hatte – im Gegensatz zum Begehen einzelner Sünden – zwangsläufig den Ausschluss aus der jüdischen Gemeinschaft zur Folge. Noch schwerwiegender aber war der Vorwurf, dem Volk öffentlich einreden zu wollen, dass das Gesetz nicht mehr in Kraft sei. Dabei wandte sich Jesus gar nicht gegen das Gesetz, nur gegen eine falsche Auslegung des Gesetzes, die den Regeln und Formen größeres Gewicht beimaß als dem eigentlichen Inhalt.

Craig Keener – Kommentar zum Umfeld des Neuen Testaments

καταλύειν auflösen = aufheben, für ungültig erklären, würde hebräisch wohl mit בִּטֵּל, aramäisch mit בַּטֵּל wiederzugeben sein; s. pMeg 1, 70d, 51 u. Pesiq 79a bei 5, 18 S. 246. — MQ 16b: Was bedeutet 2 Sm 23, 3? R. Abbahu (um 300) hat gesagt: So ist es gemeint: Gesagt hat zu mir der Gott Israels, gesprochen der Fels Israels: Ich herrsche über den Menschen, wer herrscht über mich? Der Gerechte; denn ich setze einen Beschluß fest u. er (der Gerechte) hebt ihn auf מבטלה. ‖ pTaʿan 3, 67a, 13: Hebt nicht Gott seinen Beschluß auf מבטל wegen des Beschlusses eines Gerechten? (Rabban Gamliël, um 90) antwortete: Ja, Gott hebt seinen Beschluß auf wegen des Beschlusses eines Gerechten; aber nicht hebt Gott den Beschluß eines Gerechten auf wegen des Beschlusses eines andren Gerechten.

πληροῦν erfüllen = zur Erfüllung bringen; vgl. die bei Mt so häufige Wendung: ἵνα πληρωθῇ damit erfüllet würde, was geschrieben steht oder was gesagt ist. Nur daß es sich Mt 5, 17 um ein Erfüllen in absoluter Weise handelt, um ein Erfüllen, das, wie die folgende Auslegung einzelner Gebote zeigt, nicht in der buchstäbl. Ausführung des Gesetzes aufgeht, sondern das Gesetz nach der ganzen Tiefe seines ethischen Gehalts zur Verwirklichung bringt. Ein solches Erfüllen hat die Erkenntnis der ethischen Bedeutung u. Tragweite der einzelnen Gebote zur Voraussetzung. / Sie zu vermitteln ist der Zweck der mit Vers 21 anhebenden Gesetzesauslegung. — Jesus wird statt πληροῦν קַיֵּם gesagt haben, dessen Gegensatz das oben für καταλύειν vermutete בטל zB Aboth 4, 9 bildet: R. Jonathan (um 140) pflegte zu sagen: Wer die Tora in Armut erfüllt מְקַיֵּם, wird sie schließlich in Reichtum erfüllen לְקַיְּמָהּ; wer sie aber in Reichtum vernachlässigt מְבַטֵּל (hinschwinden macht, beseitigt), wird sie schließlich in Armut vernachlässigen לְבַטְּלָהּ.

Mt 5, 17 u. Schabbath 116a.
Mt 5, 17 gehört zu den wenigen neutestl. Stellen, auf die in der rabbin. Literatur ausdrücklich Bezug genommen wird. Schab 116a: Imma Schalom war die Frau des R. Eliʿezer (um 90), die Schwester des Rabban Gamliël II. In seiner Nachbarschaft war ein (christlicher) Philosoph, der in dem Rufe stand, keine Bestechung anzunehmen. Sie wollten ihn lächerlich machen. Imma Schalom brachte ihm einen goldenen Leuchter. Sie traten vor ihn hin; sie sprach zu ihm: Ich wünsche, daß mir von dem Vermögen meines elterlichen Hauses mein Anteil werde. Er antwortete ihnen: Teilet. R. Gamliël sagte: Für uns steht geschrieben: An Stelle des Sohnes (d. h. da, wo ein Sohn ist) soll die Tochter nicht erben (vgl. Nu 27, 8). Der Philosoph erwiderte: Seit dem Tage, da ihr aus eurem Lande in die Verbannung getrieben seid, ist die Tora Moses aufgehoben u. das Evangelium1 gegeben, u. in ihm steht geschrieben: „Sohn u. Tochter sollen gemeinsam erben.“ (Eine solche Stelle gibt es im NT nicht; vgl. Lk 12, 14.) Am folgenden Tage brachte Rabban G. ihm einen libyschen1 Esel. Da antwortete er: Ich habe weiter unten im Evangelium nachgesehen, u. da steht geschrieben: Ich, Evangelium [dies Wort wohl eine alte Glosse], bin nicht gekommen, um von der Tora Moses wegzunehmen, sondern um ihr hinzuzufügen,2 bin ich gekommen. Und es ist in ihm (dem Ev.) geschrieben: „An Stelle des Sohnes soll die Tochter nicht erben“ (dabei muß es also bleiben; denn die Tora ist durch das Evangelium nicht gekürzt worden). Da sprach Imma Schalom zu ihm: Möge dein Licht leuchten3 wie der Leuchter! Rabban Gamliël aber sagte: Der Esel ist gekommen u. hat den Leuchter niedergetreten. — Das Wort vom Esel, der den Leuchter niedertritt, hat später sprichwörtlichen Charakter, s. pJoma 1, 38c, 46; SNu 25, 12 § 131 (48b); Pesiq 123a; 177a; LvR 21 (120c).

Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch

Die Ersatztheologie geht ebenfalls davon aus, dass Jeschua bei seinem ersten Kommen die Tora erfüllte, so dass wir dies nicht tun müssen (die Logik, die zu dieser Schlussfolgerung führt, ist unklar); und dass er alle alttestamentlichen Prophezeiungen erfüllte, so dass wiederum keine für die Juden übrig bleibt.
Aber das Wort, das gewöhnlich mit „erfüllen“ übersetzt wird, griechisch pleroô, vermittelt nicht unbedingt diesen speziellen Sinn. Vielmehr ist es ein sehr gebräuchliches Wort, das einfach „füllen“, „auffüllen“, „voll machen“ bedeutet, wie beim Füllen eines Bechers oder eines Lochs. Es sollte klar sein, dass die eigentliche Bedeutung so ist, wie sie im jüdischen Neuen Testament wiedergegeben wird: „Denkt nicht, dass ich gekommen bin, um die Tora oder die Propheten abzuschaffen. Ich bin nicht gekommen, um sie abzuschaffen, sondern um sie zu vervollständigen“ – das heißt, um die Bedeutung dessen, was die Tora und die ethischen Forderungen der Propheten verlangen, zu „vervollständigen“. In der Tat gibt dieser Vers, so verstanden, das Thema der gesamten Bergpredigt an, in der der Messias sechsmal sagt: „Ihr habt von alters her“ den unvollständigen Sinn oder eine Verzerrung gehört, „ich aber sage euch“ den vollständigen, vollen geistigen Sinn, der verstanden und befolgt werden muss.
Wie in 2. Korinther 1,20 erfüllt Jeschua die Vorhersagen der Propheten; ebenso hat er die Tora perfekt gehalten. Aber das ist nicht das, wovon Jeschua hier in der Bergpredigt spricht. Er wird in der Tat jede unerfüllte Prophezeiung über sich selbst erfüllen, und er wird auch das Mittel sein, durch das Gott, der Vater, jede noch unerfüllte Prophezeiung über die Juden in Erfüllung gehen lassen wird.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Verheißungen der hebräischen Bibel an die Juden nicht dadurch aufgehoben werden, dass sie „in Jeschua erfüllt“ werden. Vielmehr ist die Erfüllung in Jeschua eine zusätzliche Gewissheit, dass das, was Gott den Juden versprochen hat, auch in Erfüllung gehen wird. „Denn die Gaben und der Ruf Gottes sind unwiderruflich“

David H. Stern – Das Judentum des Evangeliums wiederherstellen – Eine Botschaft für Christen

Sehr sehr viele „Christen“ die behaupten, dass sie selbst das Gesetz des Mose noch einhalten wollten, haben nur wenig von den Gesetzen des Mose gelesen. Meine Erfahrung ist, dass man sich bei dem „Streitthema“ auf Sabbath und Fleischgenuß begrenzt, aber nicht die Kleiderordnung und Opfergesetze einhalten will. Man will auch nichts all den anderen Gesetzen des Mose wissen – aber streitet mit anderen Christen, weil sie den Sabbath nicht einhalten wollen. Wer von diesen Christen bläßt aber am Neumond das Horn?

„Thron der Gnade“

Darum wollen wir mit Zuversicht vor den Thron unseres gnädigen Gottes treten. Dort werden wir, wenn wir Hilfe brauchen, stets Liebe und Erbarmen finden.
Gute Nachricht Bibel 2018 -Hebräer 4,16

Lasst uns deshalb mit großer Zuversicht hinzutreten zu Gottes Gnadenthron, sodass wir Barmherzigkeit und seine gnadenvolle Zuwendung empfangen können. So wird die Hilfe dann gerade zur richtigen Zeit kommen.
Roland Werner – Das Buch – Hebräer 4:16

weitere Übersetzungen und erste Kommentare 2020…

Hebräer 4:16 : Die Bundeslade war im A.T. (z.B. 2.Sam 6,2; Ps 80,2; 99,1; Jes 37,16 ; vgl. Ps 22,3 ) und im Nahen Osten der Antike (wo Könige und Götter häufig auf Flügelthronen sitzend dargestellt wurden) ein Symbol des göttlichen Throns. Niemand durfte sich der Lade nähern, sie stand im Allerheiligsten, zu dem sogar der Hohepriester nur einmal im Jahr Zutritt hatte. Erst Christus hat allen, die an ihn glauben, den ungehinderten Zugang zu Gott ermöglicht ( 10,19-20 ).

Craig Keener – Kommentar zum Umfeld des Neuen Testaments

Komme mutig bezeichnet ein Gefühl des Vertrauens, das wir aufgrund eines solchen mitfühlenden Fürsprechers haben können. Die Israeliten näherten sich der Stiftshütte oder dem Tempel und verließen sich darauf, dass ihr Hohepriester für sie eintrat, indem er für sie vor dem Gnadenstuhl im Allerheiligsten Fürbitte einlegte, der ein Abbild des Gnadenthrons war. Dementsprechend können auch wir … im Glauben an diesen Thron herantreten, an dem Jesus als unser Hoherpriester handelt. Unsere Gebete werden durch ihn die Ohren Gottes erreichen und um Gnade oder Gunst bitten, um uns in der Zeit der Not in dieser Welt der Versuchung zu helfen.

E.M. Zerr

Wenn wir also zum himmlischen Vater beten, dann rufen wir nicht einfach über eine große Kluft hinüber. Wir versuchen nicht, die Aufmerksamkeit von jemandem zu erregen, der wenig oder gar nicht um uns besorgt ist. Vers 16 drückt es folgendermaßen aus: Wir kommen zum „Gnadenthron“ (das bedeutet: (a) wir kommen zum Thron Gottes und (b) wir müssen uns Gott jetzt als den Gott der Gnade vorstellen) und wir dürfen und müssen mutig und zuversichtlich kommen. Das ist keine Arroganz. Wenn wir verstehen, wer Jesus ist, was er getan hat und was er immer noch für uns tut, dann bestünde die eigentliche Arroganz in der Tat darin, sein Angebot abzulehnen, das darin besteht, dass er vor dem Vater für uns eintritt; arrogant wäre also, sich vorzustellen, dass wir ihn umgehen und alles alleine versuchen müssten. Für diejenigen, die durch Jesus zu Gott kommen, stehen „Barmherzigkeit und Gnade“ bereit: Barmherzigkeit, die uns von der Sünde und Dummheit befreit, in der wir ansonsten vollständig versinken würden; Gnade, die uns stärkt und uns auf unsere eigenen Füße stellt, damit wir ein Leben als Diener und Zeugen Jesu führen können.

Wright – Hebräerbrief für heute

Es ist das alleinige Vorrecht Gottes, einen Menschen zu erhöhen; Jeschuas maßgebliche Lehre zu diesem Thema ist dieselbe wie die des Propheten Hesekiel: „Der Niedrige wird erhöht und der Erhabene erniedrigt werden“ (Hesekiel 21,26). Erhöht zu werden bedeutet, in Bezug auf Gott erhöht zu werden. Die messianischen Gläubigen hatten Zugang zu Gott, denn sie wurden durch das Blut des Messias in die Nähe seines Throns gebracht.
Augustinus lehrte, dass Gott nur dort gibt, wo er leere Hände vorfindet. Jemand, der die Hände voller Pakete hat, kann kein Geschenk empfangen. Rechtschaffenheit, der Schlüssel, der die Tür zur Gemeinschaft mit Gott öffnet, kann nicht allein durch strenge Beachtung des Gesetzes empfangen werden.
Wir müssen reumütig kommen, demütig unsere Sünde bekennen und unsere Hoffnung auf den Opferaltar richten, auf dem die volle Sühne geleistet worden ist. Dort, und nur dort, wird unser großer Hohepriester uns willkommen heißen.

Dr. Stuart Sacks – Hebräer mit den Augen eines Hebräers – Hoffnung inmitten einer hoffnungslos Welt

Dies führt zur Anwendung in Vers 16. Das Wort nun zeigt, dass die Leser, weil sie einen Hohenpriester im dritten Himmel haben – jemanden, der sowohl Schwachheiten als auch Versuchungen durchlebte und deshalb ein mitfühlender Hoherpriester ist – diesen auch in Anspruch nehmen sollen. Der Gebrauch der griechischen Gegenwartsform bedeutet: „Lasst uns nicht aufhören, ihm zu nahen.“ Die Gläubigen sollten dies mit Freimut und Vertrauen tun. Sie haben die Freiheit, ihre Bedürfnisse diesem Einen vorzutragen. Hinzuzutreten und diesen Hohenpriester in Anspruch zu nehmen hat zum Zweck, Barmherzigkeit zu empfangen und Gnade zu finden zur rechtzeitigen Hilfe. Mit anderen Worten: Es geht um die Bewilligung von Gnade. Der Ausweg aus den großen Kämpfen und Verfolgungen, die diese Judenchristen gerade durchlebten, bestand nicht in der Rückkehr zum Judaismus. Die Lösung bestand darin, Jesus, ihren Hohenpriester, freimütig und vertrauensvoll in Anspruch zu nehmen und seine Gnade zu empfangen, um diese schwere Zeit zu überstehen. Immer wenn ein Gläubiger in seinem geistlichen Leben strauchelt, dann geschieht das nicht deshalb, weil die Gnade nicht ausreichte, sondern deshalb, weil er von der Gnade, die ihm zugänglich ist, keinen Gebrauch machte.

Arnold Fruchtenbaum – Der Hebräerbrief