Barmherzigkeit

Gehet aber hin und lernet, was das ist: „Ich will Barmherzigkeit und nicht Schlachtopfer“; (Hos 6,6) denn ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern Sünder.
Elberfelder 1871 – Mt 9,13

Überlegt doch einmal, was es bedeutet, wenn Gott sagt: ›Ich fordere von euch nicht, dass ihr mir irgendwelche Opferb bringt, sondern dass ihr barmherzig seid.
Gute Nachricht Bibel 2018 – Matthäus 9,13

Und er fügte hinzu: »Nun geht und denkt einmal darüber nach, was mit dem Wort in der Schrift gemeint ist: ›Ich will, dass ihr barmherzig seid; eure Opfer will ich nicht.‹Denn ich bin für die Sünder gekommen und nicht für die, die meinen, sie seien schon gut genug.
Neues Leben Bibel 2014 – Matthäus 9:13

Dann sagte er noch: „Kapiert das doch endlich, wenn Gott sagt: ,Ich will, dass ihr anderen Leuten helft! Eure ganzen Opfer sind mir dabei letztendlich total egal.‘ Mein Ding ist es, dass die Leute, die von Gott getrennt sind, wieder mit ihm zusammenkommen. Die, die sowieso mit ihm leben, um die geht es mir jetzt nicht.“
VolxBibel – Mt 9:13

πορευθέντες Aor. Ptz. Pass. (ohne bes. Pass.-Bdtg.) πορεύομαι, temp. (als Imp. + „und“ übers.; A291,1 Anm. 1; hier wohl „participium graphicum“ [A296; B 1; vgl. BDR § 419,2]). μάθετε Aor. Imp. μανθάνω157 lernen; πορευθέντες μάθετε (rabbinischer Ausdruck bezogen auf solche, die es nötig hatten, den Text gründlicher zu betrachten, hier viell. m. leicht spöttischem Unterton gebraucht) τί ἐστιν geht hin und lernt, was das (näml. das flgd. Gotteswort aus Hos 6,6a) bedeutet (B 1) bzw. (freier) überlegt doch einmal, was es bedeutet, wenn Gott sagt (GNB). ἔλεος7 Barmherzigkeit, Erbarmen, Mitleid. θυσία (Schlacht-)Opfer; ἔλεος … καὶ οὐ θυσίαν Barmherzigkeit … und nicht Opfer im Sinn v. Barmherzigkeit … mehr als Opfer (vgl. Hos 6,6b; sem. hyperbolischer Gebrauch: Zerwick § 445, vgl. H-S § 249b). καλέσαι Aor. Inf. καλέω hier (zur Umkehr, in die Nachfolge bzw. ins „Himmelreich“) rufen, einladen (vgl. B 2); fin. (A276). [Var. μετά-νοια Sinnesänderung, Umkehr, Bekehrung bzw. Abkehr.]

Neuer Sprachlicher Schlüssel zum Griechischen Neuen Testament

Andere Rabbinen sagten, wenn sie ihre Zuhörer auf den Schriftbeleg für ihre Lehrmeinung verweisen wollten, oft: »Geht hin und lernt« oder »Kommt und seht«. In Hos 6,6 wird nicht etwa das Opfer oder Ritual an sich abgelehnt, sondern lediglich klargemacht, dass die richtige Beziehung zu Gott und das richtige Verhalten den Armen, Unterdrückten und Ausgestoßenen gegenüber wichtiger ist (vgl. 1.Sam 15,22; Ps 40,7; 50,8-15; 51,18; 69,32; Spr 21,3 ).

Craig Keener – Kommentar zum Umfeld des Neuen Testaments

Sünder wenden sich an Gott im Gebet, weil er leicht zugänglich ist und sich jederzeit ansprechen läßt. Er, der das ganze Universum aufrechterhält, nimmt sich auch für die Niedrigsten oder Geringsten Zeit. In ihren Gebeten schütten sie ihm ihr Herz aus, und er schenkt ihnen Gehör. Sie schrecken nicht vor seiner Allmacht und Weisheit zurück, denn er mißbraucht seine Macht nicht und stellt seine Weisheit ihnen gegenüber nicht zur Schau. Sie fühlen sich in seiner Liebe geborgen. (Jesaja 55:8, 9) Jesu ahmte das wunderbare Beispiel seines himmlischen Vaters nach. Obwohl er vollkommen war, hatten einfache Menschen nie das Empfinden, er sei ihnen weit überlegen, noch fürchteten sie seine Macht. Viele brachten ihm sogar ihre Kinder, damit er sie segne. (Mark. 10:13-16) Verachtete, Prostituierte, Steuereinnehmer, Behinderte und Kranke strömten ihm zu. Er hatte für sie Zeit. Als gewisse Leute ihm Vorhaltungen machten, weil er in solchen Kreisen verkehrte, antwortete er: „Geht denn hin und lernt, was dies bedeutet: ,Ich will Barmherzigkeit und nicht Schlachtopfer. Denn ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern Sünder.“ (Matthäus 9:13) Wir tun alle gut, über die Bedeutung dieser Worte und über das Beispiel, das uns Jesus dadurch gegeben hat, nachzudenken. Kommen Sünder zu dir, um dich um Hilfe zu bitten? Suchen sie bei dir Trost? Das ist nämlich ein guter Maßstab, an dem man seine Demut beurteilen kann.

Wachtturm – 1.Oktober 1965

Jesus antwortete in drei Punkten (Mt 9,12–13). Erstens: »Die Starken bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken«. Die Pharisäer sahen es auch so, dass die Zöllner geistlich krank waren. Sollte er da nicht zu denen gehen, die geistlicher Heilung bedurften?
Zweitens: Die Pharisäer opferten, aber sie kannten keine Barmherzigkeit. Viel geopfert zu haben bedeutete, dass sie sehr darauf bedacht waren, die äußeren Anforderungen des mosaischen Gesetzes zu halten. Aber sie waren nicht genauso sorgfältig beim Einhalten der inneren Anforderungen. Zum Beispiel der Forderung, Barmherzigkeit zu üben. Und das Fehlen an Barmherzigkeit zeigte sich in den vielen, vielen Gesetzen gegen die Zöllner. Drittens: Es sind nicht die Gerechten, die zur Umkehr gerufen werden müssen, sondern die Sünder. Die Pharisäer zählten sich selbst zu den Gerechten und waren der Meinung, dass die Zöllner alle geistlich krank und böse Sünder wären. Sollte er da nicht zu solch Verachteten gehen, um sie zur Umkehr zu rufen?

Arnold Fruchtenbaum – Das Leben des Messias – Zentrale Ereignisse aus jüdischer Perspektive

Der erste dieser beiden Sätze fehlt bei Markus und Lukas, wahrscheinlich darum, weil es sich um einen Hinweis auf rabbinische Schulung handelt, der für die heidenchristlichen Leser des Markus und Lukas zu schwierig war. Auch an dieser Stelle zeigt sich, dass das Matthäusevangellum unabhängig von den anderen Evangelien und früher als diese entstand. In dem Wort »studieren« haben wir das Zeitwort zu dem Hauptwort »Jünger« vor uns. »Studieren, was das heißt« bezeichnet einen Vorgang rabbinischer Schriftuntersuchung. Die Pharisäer sollen also eine vertieftere Schrifterkenntnis gewinnen. Worüber? Über Jesu Sendung? Nein, denn diese hat Jesus schon mit dem Wort vom Arzt geklärt. Sondern ihr eigenes Verhalten soll korrigiert werden! Jesus zitiert Hosea 6,6: »Barmherzigkeit will ich und nicht Opfer.« Außerdem liegt darin eine Anspielung auf 1 Sam 15,22 (vgl. Spr 21,3; Jes 1,11ff.); Amos 5,21ff.); Micha 6,6ff.); Sach 7,5ff.). Den alttestamentlichen Stellen ist gemeinsam, dass dem äußerlichen Gottesdienst keine wirkliche Hingabe an Gott und kein wirkliches Erfüllen seines Willens entspricht. Jesus sieht also die Pharisäer seiner Zeit auf einer ähnlichen Stufe wie die Gegner der Prophetie im 8. und 6. Jh. v. Chr. Sie tun nicht alles, was sie tun sollten. Vor allem fehlt ihnen die Barmherzigkeit gegenüber den Sündern, die sie nicht wegstoßen, sondern zu Gott führen müssten (vgl. Mt 23,23).

Im dritten und letzten Satz dieses Gesprächs charakterisiert Jesus noch einmal seine Aufgabe. Das »ich bin gekommen«, das in Mt 5,17; 10,34; 20,28; Lk 19,16 , und sehr häufig in Johannes wiederkehrt, drückt seine Sendung von Gott dem Vater her aus. Sein Auftrag besteht darin, »Sünder zu rufen«. Dieses »rufen« ist der einladende Ruf zur endzeitlichen Freude, wie ihn Jes 52,7 voraussieht, und zugleich der Ruf zur Gotteserkenntnis, vergleichbar dem Rufen der Weisheit in Spr 8,1 ff; Spr 9,1-3ff.) Vom gottfremden Leben der Sünder her betrachtet ist es aber auch der Ruf zur Umkehr, wie Lukas 5,32 festhält. Indem Jesus seine Aufgabe als Rufen beschreibt, ist klargestellt, dass es in der Freiheit des Menschen liegt, mit Ja oder Nein zu antworten. Es ist ein äußerst wichtiges Gesetz des göttlichen Handelns, dass der Mensch unter der Anrede Gottes frei wird zum Ja oder Nein – mit Ewigkeitskonsequenz. Doch was meint Jesu Aussage, er sei »nicht gekommen, um Gerechte zu rufen«? Man kann auf zweierlei Weise deuten. Entweder sind die Pharisäer wirklich »Gerechte« vor Gott und brauchen deshalb durch Jesu Sendung nicht mehr zur Rettung eingeladen zu werden. Oder aber sie müssen einsehen, dass sie nur Scheingerechte sind, und dann fallen auch sie unter Jesu Ruf an die Sünder. Nach der Bergpredigt sind wir geneigt, das zweite anzunehmen. Aber erst später werden wir vollen Aufschluss über Jesu Meinung erhalten. Nur so viel ist deutlich, dass Jesus die fragenden Pharisäer durch eigenes Studium zur richtigen Erkenntnis führen will. So läuft der Bericht von der Berufung des Matthäus in eine ernsthafte Anfrage an die Pharisäer aus. Man kann sagen, dass Jesus in die Pharisäer ebenso viel Liebe investiert hat wie in die Zöllner. Doch wer wird seinen Ruf mit einem Ja beantworten?

Gerhard Maier – Edition C

Und wie ist es bei mir?? Darf ich mich mit allen Menschen unterhalten und ihnen helfen? Oder gibt es „ausgeschlossene Menschen“ deren Umgang mir untersagt ist? Ist es etwa so wie bei den Pharisäern, die meinten selbst gut genug für Gott zu sein?

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