„Papa, ich hab großen Mist gebaut!“

Der Sohn aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir, ich bin nicht mehr würdig, dein Sohn zu heißen.
Elberfelder 1871 – Lukas 15,21

Aber der Sohn sagte (zu) ihm: Vater, ich-sündigte gegen den Himmel und angesichts (von) dir, ich-bin nicht-mehr würdig, dein Sohn genannt-zu-werden.
Dies ist der Ausdruck echter Buße: „Ich bin völlig unwürdig vor Gott“. Kommt er gar nicht mehr dazu den Rest auszusprechen („…mache mich wie einen deiner Tagelöhner“), den er sich vorgenommen hatte (V.19b), weil der Vater ihm schon vorher ins Wort fällt und seine nicht ausgesprochenen Worte ins Gegenteil umdreht (vgl. 1Joh 4,18)? Nicht wie ein Tagelöhner soll er sein, sondern wie ein Ehrengast (14,130).
Gerhart Kautz – Die Studienübersetzung Neues Testament – Lukas 15:21

Da sagte der Sohn: ›Vater, ich habe gottlos gehandelt gegen Gott und auch gegen dich. Ich bin nicht mehr würdig, als dein Sohn zu gelten!‹
Roland Werner – Das Buch – Lukas 15,21

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Das Thema um den „verlorenen Sohn“ oder „die verlorenen Söhne“ hatten wir hier schon einmal – also die ersten Verse. Heute schauen wir ein paar Verse weiter an.

Godet schrieb zum verlorenen Sohn: »Die Hauptsache ist, dass er, nachdem er den Entschluss einmal gefasst hat, ihn auch ausführt« – zu Recht.
»Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater« (V. 20): Jesus schildert nicht die Mühen des Abschieds, die Mühen des Weges, die Mühen, den Entschluss durchzuhalten. Er legt nur Wert auf das Ergebnis: »machte sich auf – kam«. Der Entschluss ist ausgeführt!

Jetzt schwenkt die Kamera des Gleichnisses um. Sie konzentriert sich im nächsten Bild auf den Vater: »Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater, und das Erbarmen packte ihn, und er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn« (V. 20). Fünf Zeitwörter schildern das Geschehen: »Er sah« – »er hatte Erbarmen« – »er lief« – »er fiel« – »er küsste«. »Sah ihn der Vater« deshalb schon auf eine weite Distanz, weil er insgeheim auf ihn wartete? Weil der Vater im Gleichnis ein Bild für Gott ist, muss man diese Frage bejahen (vgl. Jes 55,7; Jer 3,12ff.; Hes 18,23.27; 33,11; Röm 2,4; 2 Petrus 3,9). »Ihn packte das «: So wie Jesus mit den armen, verlorenen Menschen (Mt 9,36; 14,14; 18,27; Lk 7,13.42; 10,33; 13,10ff.). Dieses Erbarmen Gottes wird in Israels Glaubensbekenntnissen gepriesen (2 Mo 34,6; 4 Mo 14,18; Ps 103,8; Jon 4,2). Auf dieses Erbarmen bauen die Beter (Dan 9,18). Dieses Erbarmen feiert noch heute die christliche Gemeinde in ihren Liedern (z. B. EKG 269, 2ff.; 277). »Er lief«: das ist gegen die Sitte des Orients. Der Würdigere wartet oder geht langsam. Nur Freude und Liebe können diese Sitte durchbrechen (vgl. 1 Mo 33,4). »Er fiel ihm um den Hals«: wie Esau dem heimkehrenden Jakob, wie Josef seinem Bruder Benjamin und seinem Vater Jakob, wie der Vater dem jungen Tobias (1 Mo 33,4; 45,14; 46,29; Tobias 11,11). Dieses »um den Hals fallen« sagt: Du bist wieder in die Familie aufgenommen. »Und küsste ihn«: Gemeint ist der liebevolle Kuss unter Familienmitgliedern oder eng verbundenen Menschen (1 Mo 33,4; 45,15; Tobias 11,11; Apg 20,37). Dieser Kuss sagt: Wir gehören zusammen (vgl. 2Sam 14,33).

Um das Gleichnis an dieser Stelle ganz zu verstehen, muss man auf das Alte Testament hören. Es beschreibt die Bekehrung und ihre Konsequenzen wie folgt: »Der Gottlose lasse von seinem Wege und der Übeltäter von seinen Gedanken und bekehre sich zum Herrn, so wird er sich seiner erbarmen, und zu unserm Gott, denn bei ihm ist viel Vergebung« (Jes 55,7), oder: »Kehre zurück, du abtrünniges Israel, spricht der Herr, so will ich nicht zornig auf euch blicken. Denn ich bin gnädig, spricht der Herr, und will nicht ewiglich zürnen. Allein erkenne deine Schuld, dass du wider den Herrn, deinen Gott, gesündigt hast« (Jer 3,12ff.), oder: »Ist nicht Ephraim mein teurer Sohn und mein liebes Kind? Denn sooft ich ihm auch drohe, muss ich doch seiner gedenken; darum bricht mir mein Herz, dass ich mich seiner erbarmen muss, spricht der Herr« (Jer 31,20). Viele wesentliche Begriffe, die wir aus dem Gleichnis vom verlorenen Sohn kennen, begegnen uns schon im Alten Testament (»erbarmen«, »gegen Gott (den Himmel) sündigen«, »sehen / blicken«, »Sohn«). Was Gott schon im Alten Bund wollte, das hat Jesus für den Neuen Bund in der anschaulichen Form eines Gleichnisses übernommen. Wer also wissen will, was Bekehrung ist, der studiert am besten das Gleichnis vom verlorenen Sohn.

In den Armen des Vaters »sagte der Sohn« genau das, was er sich vorgenommen hatte (vgl. V. 18): »Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu heißen« (V. 21). Diese Worte zeigen noch einmal, wie wichtig ein klares Schuldbekenntnis ist. Wir erinnern uns, dass es schon im AT gefordert war (vgl. die Bußpsalmen 6; 32; 38; 51; 102; 130; 143 und Spr 28,13; Jer 3,12ff.; Dan 9,3ff.; Jon 3,6ff.). Der Sohn denkt nicht: »Na, nun ist es schon gut …«. Er will reinen Tisch machen. So soll es auch in der Gemeinde Jesu sein (vgl. 1 Joh 1,9; Jak 5,16).

»Aber der Vater sagte zu seinen Knechten« (V. 22): Viele Ausleger nehmen an, dass der »Vater« den Sohn gar nicht mehr ausreden ließ, so dass die Worte: »Mache mich wie einen deiner Tagelöhner!« ungesagt blieben. Vermutlich haben sie recht. Die Knechte verfolgten wohl das Schauspiel der Heimkehr aus respektvoller Entfernung, aber in Rufweite. »Bringt schnell das beste Gewand her und zieht es ihm an, und gebt ihm einen Ring an seine Hand und Sandalen an seine Füße, und bringt das gemästete Kalb, schlachtet es, und lasst uns essen und fröhlich sein!« (V. 22-23) – so lautet der Befehl. »Bringt her!« – »zieht an!« – »gebt!« – »bringt!« – »schlachtet!« – »lasst uns essen!« – »lasst uns fröhlich sein!«: das sind sieben Imperative. Ist dies Zufall? Oder nicht doch ein Hinweis auf die heilige (sieben!) Freude? Eins ist sicher: Hier geht es nicht nur um eine Wiedersehensfreude, um ein Familienfest. Hier geht es um die geistliche Heimkehr zu Gott.

Edition C

Der jüngere Sohn zerriß die Gemeinschaft mit dem Vater. Sein Erbe bekam er und zog mit ihm fort. Dadurch war er für den Vater verloren. Er kam auch nicht wieder, solange sein Erbe reichte. Erst als er am Verhungern war, entschloß er sich zur Rückkehr. Nun aber kam er reuig, mit dem Geständnis, er habe gegen den, der im Himmel wohnt, und gegen den Vater gesündigt, ohne Anspruch auf den Sohnesnamen nur mit der Bitte, daß ihn der Vater als Tagelöhner annehme.
Damit beschrieb Jesus den jüdischen Freisinn, denjenigen Teil des Volks, der sein Leben mit dem Erwerb und Genuß der natürlichen Güter füllte und sich nicht ernsthaft um Gott kümmerte. Jesus mißt seine Sünde mit derselben Norm, unter die er das Verhalten des Menschen immer stellt. Der Mensch rafft an sich, was Gott gehört, und mißbraucht seine Gaben. Jesus sah auch in dem, was uns die Natur darbietet, Gottes Gabe. Das gottlos gewordene Leben nannte Jesus Elend, wobei er keineswegs nur an sichtbaren Zusammenbruch dachte. Im Haus der Zöllner, die sich bei ihm einfanden, war von Mangel keine Rede. Dennoch sind sie Darbende; denn nach dem Urteil Jesu verdorrt das Leben den Menschen, wenn er den Zusammenhang mit Gott verlor. Wird ihm das Leben zur Pein, muß er sich selbst verachten, steht er vor der Schuld ratlos und vor dem Tod mit Angst, so empfängt er dadurch den Antrieb, der ihn zur Umkehr beruft.

Der Vater sah, sobald er wiederkam, nur seinen Sohn in ihm, deckt alles, was geschehen ist, mit vollständigem Vergeben, freut sich, daß er ihn als seinen Sohn wiederhat, schmückt ihn mit allen seinen Ehrenzeichen und läßt sich das beste Tier, das im Stall für die festlichen Gelegenheiten bereitgehalten wird, nicht reuen, um seine Heimkehr mit dem fröhlichen Mahle zu feiern. Dadurch hat Jesus den Murrenden sein Herz vollends erschlossen: mit solcher Freude sieht er die Sünder zu sich kommen, und mit solchem Vergeben nimmt er sie auf und ist darin mit dem Vater eins. Sein Auftrag ist es, die zu Gott zurückzurufen, die von ihm gewichen sind, und er darf denen, die den Sohnesnamen, soviel an ihnen liegt, verloren haben, sagen, daß sie wieder Söhne sind.
Man hat oft gefragt, wo bei dieser Verkündigung der göttlichen Gnade Jesu Blick auf sein Kreuz bleibe; aber nur Unaufmerksamkeit kann dieses übersehen. Zu Jesus kamen die Sünder, deren Heimkehr er in diesem Bild beschreibt. Dadurch, daß sie zu ihm kamen, traten sie ins Vaterhaus zurück. Dadurch, daß er sie annahm, nahm sie der Vater an; dadurch, daß er ihnen seine Liebe gab, bereitete ihnen der Vater das festliche Mahl. Seinen Dienst an den Verlorenen preist er hier, daß er vergeben und Gottes volle Liebe den Gefallenen bringen darf. Gerade deshalb, weil dies sein Amt war, befand er sich auf dem Kreuzesweg, und weil er auf dem Kreuzesweg war, darum hatte er diese Vollmacht und dieses Amt. Die göttliche Tiefe und Kraft seiner Vergebung beruht darauf, daß er sie in der vollen Einheit mit dem Vater spendet als der, der ihm ganz gehorsam ist, sein Leben für die Sünder läßt und sein Heilandsamt vollbringt, obgleich es ihn ins Sterben führt. Lebend und sterbend war dies sein Wille und Werk, daß die wieder Gott gehören, die für ihn verloren sind.

Schlatters Erläuterungen zum NT

Der Schwerpunkt des dritten Gleichnisses liegt auf der Wiederherstellung, die das Werk von Gott, dem Vater, ist. Die Geschichte ist sehr bekannt und handelt von einem Mann, der zwei Söhne hatte. Der eine Sohn verlangte früh sein Erbe, verließ das Haus und verschwendete sein ganzes Geld mit einem ausschweifenden Leben. Als er mittellos war und die Freunde, die er gewonnen hatte, ihn im Stich ließen, musste er ein Arbeiter werden. Ironischerweise für einen Juden wurde er gezwungen, als Schweinemäster zu arbeiten. Schließlich erkannte er seine Sünde gegen seinen Vater und kehrte nach Hause zurück, in der Hoffnung, ein Knecht zu werden. Als sein Vater ihn von weitem sah, lief er auf ihn zu, begrüßte ihn und hieß ihn wieder willkommen. Seitdem der Sohn von zu Hause weggegangen war, hatte er auf seine Rückkehr gewartet: Als er aber noch in der Ferne war, sah ihn sein Vater (Lukas 15:20).Die Betonung im griechischen Text liegt auf der Formulierung noch in der Ferne. Der Vater erwartete immer, dass der Sohn eines Tages nach Hause zurückkehren würde. Er wusste nicht, wann, aber er lebte in der Erwartung, dass sein Sohn zurückkommen würde.

Obwohl der Sohn bereit war, ein Diener im Haus seines Vaters zu werden, ohne die Privilegien eines Erben zu haben, wollte der Vater nichts davon wissen. Als er seinen Sohn wiederherstellte, gab er ihm drei Dinge (Lukas 15:22): das beste Gewand als Zeichen seines Erstgeburtsrechts, einen Ring als Zeichen der Autorität und zur Demonstration seiner wiederhergestellten Stellung als Sohn im Haus und Schuhe als Zeichen seiner Sohnschaft. Er war vollständig wiederhergestellt. Ein großes Fest wurde gegeben, weil der Sohn in das Haus des Vaters zurückgekehrt war.

Doch die Aufregung um den jüngeren Sohn, der sein Erbe vergeudet hatte, beunruhigte den älteren Sohn (Lukas 15:25). Er beschwerte sich bei seinem Vater, dass er, obwohl er treu und gehorsam gewesen war, nie mit solcher Ehre behandelt worden war. Der Vater antwortete, dass das Erbe immer noch ihm gehöre und er nichts verloren habe. Allerdings war der verlorene Sohn zurückgekehrt, um Teil der Familie zu werden, also sollte im Haus Freude und Jubel herrschen.

Dies spiegelt Gottes Haltung gegenüber Sündern und die Freude im Himmel wider, wenn jemand Buße tut. Die Aussage des Vaters: „Alles, was mein ist, ist auch dein“ (Lukas 15:31), zeigt, dass alle Vorrechte, die dem jüngeren Bruder gegeben wurden, auch dem älteren Bruder zur Verfügung standen; der ältere Bruder weigerte sich jedoch, sich das anzueignen, was ihm zur Verfügung stand. Ebenso versäumten es die Pharisäer, sich anzueignen, was ihnen zur Verfügung stand.

Das Folgende ist eine rabbinische Ähnlichkeit:
R. Berekija und R. Abbahu sagten im Namen von R. Jonathan: AUCH HAT ER DIE WELT IN IHR HERZ GESETZT: d.h. eine Liebe zur Welt und eine Liebe zu Kindern hat Er in ihr Herz gesetzt. Womit ist die Sache vergleichbar? Einem König, der zwei Söhne hatte, den einen groß und den anderen klein. Der Ältere behandelte ihn mit Respekt, während der Jüngere sich an ihm gütlich tat; dennoch übertrifft seine Liebe zu dem Jüngeren die des Älteren.

Arnold Fruchtenbaum – Jeschua

Wie schon 2020 auch heute die Frage: Merkst du WOHIN der Sohn zurück kehrt? Geht er zu den Dienern seines Vaters? Geht er zu seinem Bruder? NEIN! Er geht zum Vater – und entschuldigt sich bei seinem Vater! Und DIESER vergibt!
Warum diese Frage? Nun – jede Religion möchte, dass du dich bei ihr, anstatt beim himmlischen Vater meldest, und dass du dich bei ihr, anstatt beim himmlischen Vater entschuldigst. Aber was soll das bringen?

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