Bis ich komme, halte an mit dem (O. widme dich dem) Vorlesen, mit dem Ermahnen, mit dem Lehren.
Elberfelder 1871 – 1.Tim 4,13
Bis ich komme, lies wie bisher aus den Heiligen Schriften vor, predige und unterrichte.
Gute Nachricht Bibel 2018 – 1.Timotheus 4,13
Widme dich bis zu meinem Kommen mit ganzer Kraft dem Vorlesen ´der Heiligen Schrift`, dem Ermahnen und Ermutigen der Gläubigen und dem Lehren.
Neue Genfer Übersetzung 2013 – 1.Timotheus 4:13
Das lebendige Wort unter den ersten Christen
Erwachet 8.Januar 1980
Die ersten Christen bewahrten die Bibel davor, ein totes Buch zu werden, indem sie in ihren Zusammenkünften und zu Hause häufig darin lasen. Über einige Juden, die Christen wurden, wird lobend gesagt, daß sie „täglich in den Schriften sorgfältig forschten“. Im 2. Jahrhundert äußerte Irenäus von Lyon die Ermahnung: „Man lese also, wie gesagt, die Schriften.“ Und Clemens von Alexandria spricht von dem „Lesen der Heiligen Schriften vor der Mahlzeit“ (Apostelgeschichte 17:11; 1 Timotheus 4:13; 2 Timotheus 3:15).
Alle wurden ermuntert, sich eine eigene Abschrift zu beschaffen. Wohlhabende Christen machten anderen Bibelabschriften zum Geschenk; so berichtet der Geschichtsschreiber Eusebius über Pamphilus, Presbyter in Cäsarea:
„Auch Bibeln hat er andern nicht blos zum Lesen geliehen, sondern auch mit größter Bereitwilligkeit nicht nur an Männer, sondern auch an Weiber geschenkt, wenn er sah, daß sie Lust zum Bibellesen hatten; deswegen hatte er immer viele Abschriften in Vorrat, um sie denen schenken zu können, die ihn darum baten.“
Doch dann trat eine Entwicklung ein, die zur Folge hatte, daß der Einfluß der Bibel auf das Leben derer, die angeblich ihrer Botschaft glaubten, immer mehr zurückging.
Abtrünnigkeit wird der Bibel beinahe zum Verhängnis
Der Apostel Paulus sagte voraus, daß ein Abfall vom wahren Christentum eintreten und daß die religiöse Klasse des „Menschen der Gesetzlosigkeit“ aufkommen und sich selbst erhöhen werde (2 Thessalonicher 2:3, 4). Er wies darauf hin, daß sich dieser „Mensch der Gesetzlosigkeit“ aus einer Gruppe von Ältesten bzw. von Aufsehern („Bischöfen“, Herder-Bibel) entwickeln werde, die „aufstehen und verdrehte Dinge reden“ würden, „um die Jünger hinter sich her wegzuziehen“ (Apostelgeschichte 20:28-30).
In Erfüllung dieser Prophezeiung trat nach dem Tod der treuen Apostel Jesu das „Unkraut“ in Erscheinung, d. h. die falschen oder Scheinchristen (Matthäus 13:24-30, 36-43). Einige bildeten Splittergruppen und verdrehten die Heilige Schrift (2 Petrus 3:16). Daraus resultierte ein Schachzug, den der eine oder andere als unbedeutend abtun mag, aber für die Bibel war er verderblich.
„Die Heilige Schrift, die Glauben in uns pflanzt, den Vorläufer der Erkenntnis, nützt dir nichts, es sei denn, du würdest sie richtig verstehen“, sagte Augustinus, ein Kirchenlehrer des 4. Jahrhunderts. Auch in dem Werk De Principiis lesen wir:
„Doch bleibt dabei die kirchliche Verkündigung erhalten, die in der Ordnung der Nachfolge von den Aposteln her überliefert ist und bis heute in den Kirchen fortdauert; und so darf man denn nur das als Wahrheit glauben, was in nichts von der kirchlichen und apostolischen Überlieferung abweicht.“
Die „kirchliche Verkündigung“ und die „kirchliche und apostolische Überlieferung“ wurden der Heiligen Schrift gleichgestellt, um das Aufkommen von Häresien oder das Lehren angeblicher Irrtümer zu verhindern.
Gleichzeitig wurde den kirchlichen Zeremonien und Riten große Aufmerksamkeit geschenkt. Diese seien für den Gläubigen von größerem Nutzen, meinte man, als wenn er versuche, in die „Tiefen der Heiligen Schrift“ einzudringen, weil er dadurch nur verwirrt würde. Der an den Wänden der prachtvollen Kirchen angebrachte Bilderschmuck, Szenen aus der Bibel, und die Steinskulpturen, die biblische Gestalten darstellten, galten als eine Art „Bibel der Armen“.
Doch Kirchenlehrer wie Chrysostomus (4. Jahrhundert) traten immer noch dafür ein, daß jeder einzelne die Bibel lesen sollte. Aber die Würfel waren bereits gefallen. Die große Mehrheit der „Christen“ legte keinen Wert mehr auf das persönliche Lesen und Erforschen der Bibel. Einige hielten Chrysostomus entgegen:
„Ich treibe ein Handwerk; ich habe Frau und Kinder zu ernähren; . . . ich bin ein Weltlicher; mein Geschäft ist es nicht, in der Schrift zu lesen; sondern das gehört für Leute, welche der Welt entsagt haben.“
Mit der Zeit glaubte man, es sei nur die Aufgabe von Geistlichen und Gelehrten, die Bibel zu lesen und zu erforschen
Ist ja heute fast das selbe passiert: heute wird mehr Wert auf die „eigene Website“ gelegt – die Adresse prangt sogar an den eigenen Gebäuden! Und anstatt die Bibel zu studieren, werden Videos geschaut. Wie im Artikel gut geschrieben: „die große Mehrheit … legte keinen Wert mehr auf das persönliche Lesen und Erforschen der Bibel“. Warum auch – wenn die Unterhaltung über eigene Ansichten eh nicht gewünscht sind?
Nachdem er erneut auf seine Reisepläne zu sprechen gekommen ist (vgl. 1Tim 1,3;3,14-15 ), ermahnt der Apostel seinen Schützling, sein öffentliches Amt mit ebenso großer Sorgfalt zu versehen, wie er im Privatleben versuchen soll, ein Vorbild zu sein. In diesem Amt spielen mindestens drei Elemente eine entscheidende Rolle:
Walvoord Bibelkommentar
(1) Das Vorlesen der Schrift. Es war zu allen Zeiten bei Juden und Christen üblich, das Wort Gottes laut in der Gemeinde zu verlesen (z. B. 2Mo 24,7; 5Mo 31,11; Jos 8,35; 2Kö 23,2; Neh 8,7-8; Lk 4,16; Apg 15,21; Kol 4,16; 1Thes 5,27).
(2) Das Ermahnen (paraklEsei). Dieser Begriff steht für die Auslegung der verlesenen Schriftpassagen und ihre Umsetzung in praktische Handlungsanweisungen.
(3) Das Lehren. Die Unterscheidung zwischen „Lehren“ und „Ermahnen“ ist keineswegs klar. Beide Funktionen vermischen sich häufig. Das „Lehren“ (didaskalia; vgl. 1Tim 1,10;4,1.6.16;5,17;6,1 ) bezieht sich möglicherweise auf eine eher katechetische Behandlung der christlichen Wahrheiten. In Röm 12, 7 – 8 werden beide Begriffe verwendet und mit bestimmten Geistesgaben in Beziehung gesetzt.
Mit ἀνάγνωσις („Vorlesen“) bezieht sich Paulus auf das öffentliche Vorlesen von Gottes Wort in den Zusammenkünften. Daran schließt sich die Ermunterung an, dies auch zu tun. Dann hat Timotheus auf die Lehre zu achten, die darin enthalten ist.
P. Streitenberger
Widme dich … mit ganzer Kraft dem Vorlesen der Heiligen Schrift … und dem Lehren Dies sind positive Vorgehensweisen, um die Irrlehre zu entlarven und ihre Auswirkung zu neutralisieren (vgl. 1,3f.). Nicht erst die Auslegung und Anwendung von Gottes Wort in Ermahnung und Lehre, sondern auch das öffentliche Vorlesen der Heiligen Schrift ist schon ein Gnadenmittel.
Was ist wohl gefährlicher für Irrlehrer, als dass man das gesamte Kapitel oder gar das ganze Bibelbuch vorgelesen bekommt? Da fallen dann die aus dem Zusammenhang gerissenen Verse gleich auf!
Welcher gesunde Menschenverstand würde schon von der biblischen Geschichte von Simson auf den Bau von Kirchengebäuden kommen?
Die Schriftlesung im Gemeindegottesdienst umfasste neben Abschnitten aus dem AT wohl auch bereits christliche Texte, etwa Paulusbriefe. Sie bildete die Grundlage für Ermahnung und Belehrung, die sich anschlossen.
Herder-Übersetzung mit Kommentar und Erläuterungen
Die Lesung ist ein Gebot zur öffentlichen Verlesung der Heiligen Schrift (siehe Apostelgeschichte 13,15). Ermahnung ist eine Ermutigung, der Heiligen Schrift zu gehorchen. Lehre ist die formale Belehrung und Unterweisung im Wort Gottes (2,12).
Die Nelson Studienbibel
Also lies die Bibel – und nicht einzelne Verse! Siehe dazu auch der Blogbeitrag „Thema oder Auslegung“